Ein Eiffelturm aus Postkarten
Die Kurstadt Bad Neuenahr hat ein neues Monument: einen Eiffelturm aus Postkarten aus aller Welt, geschrieben zum Gedenken an die Pariser Anschlagserie mit 130 Toten vom 13. November 2015.
Vier Meter hoch ragt das seltsame Monument in der Trinkhalle der Kuranlagen von Bad Neuenahr auf – der Eiffelturm. Die Architektin Annette Bartsch hakt das Absperr-Gummiband aus: "Wir dürfen hier ruhig näher." Näher ran, um zu sehen, dass das Pariser Wahrzeichen aus 50.000 Postkarten besteht, miteinander verbunden durch 60 Kilo Klebstoff.
Gewaltig, dass im Miniatur-Eiffelturm die Kreativität von mehr als 50.000 Menschen steckt: derjenigen, die Annette Bartsch Gedenk-Karten zuschickten. Für die Architektin selbst war Ende 2015 die Pariser Anschlagserie mit dem Massaker im Musikklub Bataclan ein Wendepunkt. Der Terror des selbst ernannten Islamischen Staates zu nah gekommen, um zur Tagesordnung überzugehen. Der Wunsch zu groß, Opfern und Überlebenden schlicht zu sagen:
"Ich denke an dich. Was der Inhalt einer jeden Karte ist, die man schreibt."
Gewaltig, dass im Miniatur-Eiffelturm die Kreativität von mehr als 50.000 Menschen steckt: derjenigen, die Annette Bartsch Gedenk-Karten zuschickten. Für die Architektin selbst war Ende 2015 die Pariser Anschlagserie mit dem Massaker im Musikklub Bataclan ein Wendepunkt. Der Terror des selbst ernannten Islamischen Staates zu nah gekommen, um zur Tagesordnung überzugehen. Der Wunsch zu groß, Opfern und Überlebenden schlicht zu sagen:
"Ich denke an dich. Was der Inhalt einer jeden Karte ist, die man schreibt."
50.000 geschichtete Karten
Das handwerkliche Aufschichten der Karten und der Turmbau selbst: ein Gemeinschaftswerk von Mitarbeitern, Freunden und Bekannten der Architektin, beraten von einem Statiker und unterstützt von einem Tischler, der das Podest schreinerte und beim Zusammenfügen des Etagenbaus half.
"Ist aber ganz toll geworden, muss ich echt sagen", findet Ingrid Dederichs, ihr Mann nickt. "Hätte ich nicht gedacht, dass das aus Postkarten so entstehen kann, also wunderbar."
Jeden Freitag, wenn das Ehepaar zum Heilwasser-Trinken kam, trafen die Dederichs auf die ehrenamtlichen Turmbauer - über zwei Jahre hinweg. Fast immer dabei: Monika Simon, die die Arbeit "herausfordernd einfach" findet. Und wichtig genug, um auch freie Sonntage zu opfern, meint Bartschs Mitarbeiterin.
"Ist aber ganz toll geworden, muss ich echt sagen", findet Ingrid Dederichs, ihr Mann nickt. "Hätte ich nicht gedacht, dass das aus Postkarten so entstehen kann, also wunderbar."
Jeden Freitag, wenn das Ehepaar zum Heilwasser-Trinken kam, trafen die Dederichs auf die ehrenamtlichen Turmbauer - über zwei Jahre hinweg. Fast immer dabei: Monika Simon, die die Arbeit "herausfordernd einfach" findet. Und wichtig genug, um auch freie Sonntage zu opfern, meint Bartschs Mitarbeiterin.
Oft bekamen die Turmbauer spontane Hilfe beim Kleben. Ausflügler der Arbeiterwohlfahrt Hannover setzten sich dazu, die Flüchtlingsinitiative Diez kam mit Kind und Kegel. Vor Ort beschrieben sie Postkarten, die wiederum andere gespendet hatten.
Vom Radio über das Netz in die Welt
Wie aber kam die Post aus aller Welt in den Briefkasten von Annette Bartsch? Es begann vor zwei Jahren mit einem Aufruf im SWR-Radio:
"Ein Eiffelturm aus 50.000 Postkarten aus Deutschland, aus der ganzen Welt, der soll in Bad Neuenahr entstehen. Und die Adresse, wohin jetzt also alle Postkarten geschickt werden sollen, anschauen auf in unserem Liveblog."
Vom Radio über Facebook und Instagram in die Welt. Zuschriften aus Wladiwostok und Venedig, aus Kenia und Kanada, aus Cornwall und La Palma, aus Berlin-Weißensee, Kerpen und Biberach landeten bei Annette Bartsch. Sie scannte die Karten ein, bevor ihr Team sie zum Turm schichtete. So gingen kein Wort und kein Bild verloren. Auf Stellwänden in der Trinkhalle blättern sich Ausschnitte des Turm-Inhalts auf wie ein Buch. Deutlich zu erkennen, wie die geschockte Bestürzung über die Pariser Mordnacht einer reflektierten Trauer weicht.
"Ein Eiffelturm aus 50.000 Postkarten aus Deutschland, aus der ganzen Welt, der soll in Bad Neuenahr entstehen. Und die Adresse, wohin jetzt also alle Postkarten geschickt werden sollen, anschauen auf in unserem Liveblog."
Vom Radio über Facebook und Instagram in die Welt. Zuschriften aus Wladiwostok und Venedig, aus Kenia und Kanada, aus Cornwall und La Palma, aus Berlin-Weißensee, Kerpen und Biberach landeten bei Annette Bartsch. Sie scannte die Karten ein, bevor ihr Team sie zum Turm schichtete. So gingen kein Wort und kein Bild verloren. Auf Stellwänden in der Trinkhalle blättern sich Ausschnitte des Turm-Inhalts auf wie ein Buch. Deutlich zu erkennen, wie die geschockte Bestürzung über die Pariser Mordnacht einer reflektierten Trauer weicht.
Annette Bartsch deutet auf die Kopie einer Zeichnung an einer der Stellwände: "Die kam ganz am Anfang von einem kleinen Kind, wo man erkennt, wie mit wenigen Strichen dieses Thema so greift."
"Ich weiß, wie das ist, wenn Menschen sterben"
In der Mitte der Karte ein Bleistift-Strichmännchen mit überdimensionaler Pistole, ein weiteres hält die Hände hoch, andere liegen am Boden mit großen roten Buntstiftflecken. Der Moment des Grauens, beängstigend genau festgehalten, jagt der Architektin immer wieder die Gänsehaut über den Rücken.
"Also, wir hatten Karten dabei von Kindern, die selbst aus Kriegsgebieten kommen, und die in teilweise geradebrechtem Deutsch schreiben: 'Ich weiß, wie das ist, wenn Menschen sterben, und ich will das nie wieder erleben. Also dass man merkt, die sind da tatsächlich noch persönlich betroffen von diesem ganzen Thema."
Ein Kind hat den Eiffelturm gemalt, gelb-gleißend in bleistift-schwarzer Nacht. Tatsächlich war das Pariser Wahrzeichen drei Tage nach dem Attentat wieder geöffnet und wurde nachts in rot-weiß-blau angestrahlt.
"Also, wir hatten Karten dabei von Kindern, die selbst aus Kriegsgebieten kommen, und die in teilweise geradebrechtem Deutsch schreiben: 'Ich weiß, wie das ist, wenn Menschen sterben, und ich will das nie wieder erleben. Also dass man merkt, die sind da tatsächlich noch persönlich betroffen von diesem ganzen Thema."
Ein Kind hat den Eiffelturm gemalt, gelb-gleißend in bleistift-schwarzer Nacht. Tatsächlich war das Pariser Wahrzeichen drei Tage nach dem Attentat wieder geöffnet und wurde nachts in rot-weiß-blau angestrahlt.
Vier Meter hoch
Dieser Turm, der in Paris 324 Meter und in der Trinkhalle von Bad Neuenahr - im Maßstab 1:80 - knapp vier hoch aufragt.
"Er ist ja symbolisch gebaut worden für eine Weltausstellung", sagt Bartsch. "Er steht in dieser Stadt der Liebe, der Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit, das heißt , das steht natürlich für sehr viel mehr auf der ganzen Welt. Es steht für alle anderen Anschläge."
Im Lauf der zwei Jahre weitet sich die Perspektive der Kartenschreiber: Lehrer lassen Schulklassen deutschlandweit über den gestörten Frieden in der Welt und über Auswege nachdenken. Zusammenhalt ist ein Leitmotiv aller Turm-Philosophien. Eine Kölner Malerin variiert das Thema zeichnerisch mit Schleife, Knopf, und Händen, die sich fassen.
"So bitter das ja ist, aber durch Anschläge wird ja das Zusammenhalten auch wieder aktualisiert."
Im Lauf der zwei Jahre weitet sich die Perspektive der Kartenschreiber: Lehrer lassen Schulklassen deutschlandweit über den gestörten Frieden in der Welt und über Auswege nachdenken. Zusammenhalt ist ein Leitmotiv aller Turm-Philosophien. Eine Kölner Malerin variiert das Thema zeichnerisch mit Schleife, Knopf, und Händen, die sich fassen.
"So bitter das ja ist, aber durch Anschläge wird ja das Zusammenhalten auch wieder aktualisiert."
Ein neues Miteinander
Annette Bartsch denkt zurück an den 13. November 2015.
"In der Nacht, wie schnell das ging, Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und sich auszutauschen. Und dieses Miteinander ist ja genau immer das, was rauskommen kann, wenn es eine große Not gibt. Und das hat man hier jetzt auch gesehen: Man kann mit einem relativ kleinen Aufwand so viel erreichen, also so viel Kraft ausdrücken, indem man nur eine Kleinigkeit tut."
Im November 2016, am ersten Jahrestag der Pariser Anschlagserie, wurde beim Gedenken in Bad-Neuenahr deutlich: Trauer und Hoffnung liegen eng beieinander. Einen kleinen Film über den Besuch des Willkommenskreises Diez in der Trinkhalle drehten damals junge Hobby-Kameraleute.
"In der Nacht, wie schnell das ging, Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und sich auszutauschen. Und dieses Miteinander ist ja genau immer das, was rauskommen kann, wenn es eine große Not gibt. Und das hat man hier jetzt auch gesehen: Man kann mit einem relativ kleinen Aufwand so viel erreichen, also so viel Kraft ausdrücken, indem man nur eine Kleinigkeit tut."
Im November 2016, am ersten Jahrestag der Pariser Anschlagserie, wurde beim Gedenken in Bad-Neuenahr deutlich: Trauer und Hoffnung liegen eng beieinander. Einen kleinen Film über den Besuch des Willkommenskreises Diez in der Trinkhalle drehten damals junge Hobby-Kameraleute.
Die Hoffnung bleibt
Sie sprachen auch mit einem syrischen Flüchtling über seine Eindrücke beim Kartenkleben.
"In den Postkarten spürt man den Schmerz über das Töten und über diese terroristischen Attentate. Was ich geschrieben habe, ist da irgendwo in den Zehntausenden von Postkarten. Dahinter Zehntausende von Leuten, die sagen, 'wir sind traurig, über das, was geschehen ist, wir sind unglücklich über Terror-Angriffe überall auf der Welt."
"Aber ich hoffe, irgendwann hört das auf."
Es hörte nach diesem ersten Jahrestag nicht auf, sondern ging weiter mit dem LKW-Attentat auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz und weltweit ungezählten Anschlägen. Doch die Hoffnung auf ein Ende des Terrors bleibt lebendig – auch am Ende von 2017. Das Gedenken Zehntausender ebenso. Um das zu zeigen, würde Annette Bartsch den Postkarten-Eiffelturm gern irgendwann in der Welt-Stadt Paris ausstellen.
"In den Postkarten spürt man den Schmerz über das Töten und über diese terroristischen Attentate. Was ich geschrieben habe, ist da irgendwo in den Zehntausenden von Postkarten. Dahinter Zehntausende von Leuten, die sagen, 'wir sind traurig, über das, was geschehen ist, wir sind unglücklich über Terror-Angriffe überall auf der Welt."
"Aber ich hoffe, irgendwann hört das auf."
Es hörte nach diesem ersten Jahrestag nicht auf, sondern ging weiter mit dem LKW-Attentat auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz und weltweit ungezählten Anschlägen. Doch die Hoffnung auf ein Ende des Terrors bleibt lebendig – auch am Ende von 2017. Das Gedenken Zehntausender ebenso. Um das zu zeigen, würde Annette Bartsch den Postkarten-Eiffelturm gern irgendwann in der Welt-Stadt Paris ausstellen.