"Wegschauen ist nicht mehr erlaubt"
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Zum 40. Mal jährt sich der rechtsextreme Terroranschlag aufs Oktoberfest. In München gedachten Überlebende und Politiker am Ort des Geschehens. Bayerns Ministerpräsident Söder räumte schwere Fehler und Versäumnisse bei den damaligen Ermittlungen ein.
Es ist kalt, regnerisch und windig als Bundespräsident Frank Walter Steinmeier am Ort, an dem vor 40 Jahren die Bombe explodierte, zu den Überlebenden des rechtsradikalen Oktoberfestattentats spricht.
"Eine Ewigkeit scheint vergangen. Und doch ist uns dieser furchtbare Tag nah. Sein Schrecken ist uns allen wieder nah, gerade jetzt, nach dem Mord an Walter Lübcke, nach den Taten von Halle und Hanau."
"Nichtaufklärung ist unentschuldbar"
Steinmeier würdigte die Wiederaufnahme der Ermittlungen durch die Bundesanwaltschaft, die in diesem Sommer die Motivation des Attentäters Gundolf Köhler als rechtsterroristisch einstufte, aber nichts zu möglichen Mittätern herausfinden konnte, wohl auch, weil in den bayerischen Behörden wichtige Beweismittel längst zerstört waren.
"Nichtaufklärung, wo Aufklärung möglich und nötig gewesen wäre, ist unentschuldbar. Und ein Versagen, das ein Vertrauen in Ermittlungsbehörden und Justiz berührt. Nie sollte sich in Deutschland Vergleichbares wiederholen. Diese Erkenntnis hätten wir uns doch zumindest alle gemeinsam als Lehre aus München gewünscht."
Die Motive des Täters nicht ernstgenommen
Doch die Anschlagsserie des rechtsterroristischen NSU-Trios habe auch stattfinden können, weil man die rechten Motive des Täters damals nicht ernstgenommen habe und die Tat stattdessen mit einer psychischen Störung erklärte. Die Lehre heute laute, so Steinmeier:
"Wegschauen, meine Damen und Herren, ist nicht mehr erlaubt. Nicht nach dem Oktoberfestattentat, nicht nach dem NSU-Prozess, nicht nach den Drohschreiben von NSU 2.0, nicht nach den Waffenfunden und Feindeslisten so genannter Preppergruppen mit Verbindungen zu Reservisten der Bundeswehr und Angehörigen von Sicherheitsbehörden, nicht nach Aufdeckung einer rechtsextremen Chatgruppe innerhalb der Polizei in Nordrhein-Westfalen."
Söder entschuldigt sich für Versäumnisse
Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder erinnerte an die Zeit in einer persönlichen Rückschau: "Es ging dann irgendwie wieder ganz schnell zur Tagesordnung über. Da war eine Wahl, da waren Debatten. Nach 40 Jahren wissen wir eigentlich, was das war, und dass wir in der Entwicklung vielleicht eine Menge verschlafen haben."
Auch auf die Ermittlungsfehler durch das Bayerische Landeskriminalamt in den 80er-Jahren ging Söder ein: "Und ich sage auch offen – das sage ich als bayerischer Ministerpräsident, Rechtsnachfolger aller anderen Ministerpräsidenten, und auch für den Staat, für den Freistaat Bayern verantwortlich: Es tut mir leid und ich entschuldige mich für die Fehler, die wohl in der Ermittlung, aber auch in der Einschätzung zu dieser Tat gemacht wurden."
"40 Jahre ungelebtes Leben"
In kurzen Ansprachen schilderten vier Vertreter der Überlebenden, welche Auswirkungen die Bombe auf ihr Leben hatte. Der Münchner Robert Höckmayr war damals zwölf und mit seiner Familie auf dem Oktoberfest:
"Wir können vielleicht einiges verdrängen, doch vergessen können wir nicht. So habe ich zwei Geschwister direkt beim Anschlag verloren. 40 Jahre Gedenken, das ist für mich daher vor allem ein Denken an 40 Jahre ungelebtes Leben."
"Die Zeit heilt keine Wunden"
Gudrun Lang, heute 59 Jahre alt, war als junge Frau auf der Wiesn, als die Bombe explodierte.
"Für viele von uns, die Angehörige und oder Freunde verloren haben, heilt die Zeit keine Wunden. Hier stehen zu können, lindert aber den Schmerz."
Nach dem Gedenkakt besichtigten die Gäste den neuen Dokumentationsort am Eingang der Münchner Theresienwiese.