Gedenken

Neue Helden für das Pariser Panthéon

Zeichnungen zeigen am Pantheon in Paris die Porträts der vier Résistance-Kämpferinnen und -Kämpfer: Jean Zay, Genevieve de Gaulle-Anthonioz, Pierre Brossolette und Germaine Tillion.
Zeichnungen zeigen am Pantheon in Paris die Porträts der vier Résistance-Kämpferinnen und -Kämpfer: Jean Zay, Genevieve de Gaulle-Anthonioz, Pierre Brossolette und Germaine Tillion. © AFP / Thomas Samson
Von Ursula Welter |
Voltaire, Rousseau und Marie Curie sind im Pariser Panthéon begraben. Reiseführer betiteln ihn als "Tempel der Nation". Nun finden hier vier Widerstandskämpfer gegen die Nazis ihre letzte Ruhe. Frankreichs Staatspräsident will damit auch die Einheit seines Landes beschwören.
Das Kreuz auf der Kuppelspitze ragt in den Himmel des Quartier Latin. Auf dem Hügel der Heiligen Genoveva, der Schutzpatronin von Paris. Der mächtige Säulenvorbau ist mit der Trikolore geschmückt, der Schriftzug "An die Großen der Nation" in goldfarbenen Lettern darüber. Im Innenraum, sakrale Wandgemälde. Und doch ist dies schon lange keine Kirche mehr. "Tempel der Nation" titeln die Reiseführer.
Hinter einem Pfeiler steht Philippe Bélaval. Der Präsident des Nationalen Zentrums für die Denkmalpflege hält die Teetasse in der Hand hinter dem Rücken, während er Interviews gibt:
"Das Panthéon ist von der französischen Revolution geschaffen worden, das Gebäude selbst ist eine ehemalige Kirche.", greift Bélaval ins 18. Jahrhundert zurück.
"Die Revolutionäre haben entschieden, hier die großen Persönlichkeiten zu würdigen, die für das neue Regime, die Republik standen."
Aber die Geschichte des "Panthéon" ist bewegt. Mal wird oben wieder Messe gefeiert, während unten schon Voltaire und Rousseau ruhen. Mit dem Einzug Victor Hugos in die Gruft, 1885, wurde das Panthéon endgültig republikanische Ruhmeshalle.
Jetzt 2015, geht es darum, den "heiligen Hallen der Nation" das Verstaubte zu nehmen. Konservator Bélaval hat dem Staatspräsidenten vorgeschlagen, dass die jüngere Geschichte Frankreichs hier Einzug halten sollte. Und vor allem mehr Frauen.
"Die Einzige, die wegen ihrer eigenen Verdienste im Panthéon liegt, ist Marie Curie."
Die Lebenswege der Résistance-Kämpfer
So wird heute das große Portal des Panthéon für zwei Frauen und zwei Männer geöffnet werden. Résistance-Kämpfer. Unter der Kuppel zeichnet eine Ausstellung mit herkömmlichen und mit digitalen Methoden die Lebenswege der Widerstandskämpfer nach.
Geneviève de Gaulle Anthonioz, die Nichte von General de Gaulle, war als Schülerin in der Résistance, überlebte das KZ Ravensbrück , kämpfte nach dem Krieg gegen Armut und Ausgrenzung. Ein Filmdokument zeigt sie im Fernsehstudio.
Ein paar Meter weiter zeigt ein anderer Film Germaine Tillion, eine rüstige alte Dame vor einer Bücherwand, auch sie hat das KZ überlebt, nach dem Krieg weiterwirken können, hat sich für Frieden in Algerien und gegen die Todesstrafe eingesetzt.
Pierre Brossolette und Jean Zay sind die beiden männlichen Résistance-Mitglieder. Der Journalist Brossolette war eine der Stimmen des Freien Frankreich , das sich über die BBC Gehör verschaffte. Er wurde gefoltert von den Nazis, stürzte sich aus dem Fenster, um keine Geheimnisse zu verraten. Jean Zay war jung Minister, legte sein Amt während des Krieges nieder, ging in den Widerstand und wurde von der französischen Vichy-Miliz ermordet.
"Sicher, Jean Zay war Bildungsminister, insofern ist er ein wenig ein Sonderfall, aber Pierre Brossolette war Journalist, Madame Tillion war Hochschullehrerin, Genevieve de Gaulle Studentin, das waren Durchschnittsbürger."
Und das soll die Botschaft sein.
"Mit Beispielen wie diesen wird gezeigt: Jeder von uns, auch im Alltag, kann aktiv werden, Widerstand leisten, gegen etwas, was nicht hinnehmbar ist."
Unten, in der Gruft, warten bereits große Namen auf die Résistance-Mitglieder. Die letzte Kabine im Gang , die Nummero IX, ist für die Zeremonie hergerichtet, weiter vorne liegen Jean Monnet, Gründungsvater der Europäischen Union, Marie Curie, die Nobelpreisträgerin, der Résistance-Kämpfer Jean Moulin, André Malraux, schillernder Minister unter de Gaulle.
Der Wachmann hofft auf die Übermittlung des Geistes
Rotes Jackett, helle Hose, modisches Einstecktuch, Matthieu Kambu ist Wachmann im "Tempel der französischen Nation":
"Wir sind hier, damit die Ruhezeichen vom Publikum respektiert werden."
sagt Kambu. Er hat afrikanische Wurzeln, hier unten kennt er jeden Stein, jeden Namen. Voltaire, Rousseau, manchmal halte er Zwiesprache mit den Weisen:
"Man weiß ja nie, ob sie uns nicht ihren Geist übermitteln", scherzt er gutgelaunt.
Eine "Panthéonisierung", der Moment, in dem neue Särge hineingebracht werden, das ist stets sehr bewegend für uns Wachleute, schildert Kambu, das Funkgerät in der Hand. 2002 hat er Alexandre Dumas hier eintreffen sehen. Und jetzt wartet auch der Wachmann Kambu auf die vier Särge der Widerstandskämpfer.
Der exhumierte Leichnam von Jean Zay, der bis dahin an der Seite seiner Frau in Orléans bestattet war; die Asche von Pierre Brossolette, und in den Särgen der Frauen Erde aus deren Gräbern – die Familien hatten einer Exhumierung nicht zugestimmt.
"Ein grandioser Moment",sagte Kambu, der hier morgens der Erste ist und abends zu den Letzten gehört. Der Ausgang aus der Gruft ? Gleich dort, hinter dem Grab von Voltaire, sagt er und bekommt selbst Order nach oben zu kommen, um am Tor vor den mächtigen Säulen des Panthéon, auszuhelfen.
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