Überlebende erinnern an den Alltag im Ghetto
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1940 richteten die Nazis im polnischen Lodz ein jüdisches Ghetto ein. Die meisten der dort Internierten starben an Hunger, Krankheiten oder in Auschwitz. Zum 75. Jahrestag der Auflösung des Ghettos wurden nun hochbetagte Überlebende geehrt.
Zwischen 1940 und 1944 pferchten die deutschen Besatzer auf vier Quadratkilometern der Lodzer Bezirke Bałuty und Altstadt über 2000 Juden zusammen und umgaben es mit Stacheldraht und einer Mauer. 90 Prozent der Häuser hatten keinen Wasseranschluss.
Unter den menschenunwürdigen hygienischen Bedingungen des Ghettos breiteten sich Krankheiten in Windeseile aus. Die Menschen starben zu Tausenden, zum Teil auch auf offener Straße. Und wenn sie nicht krank wurden, hungerten sie. Das Ghetto war das am längsten bestehende und nach dem Warschauer Ghetto das zweitgrößte im besetzten Polen.
Der 93-jährige Überlebende Leon Weintraub erinnert sich: "Diese furchtbare Zeit der Besatzung. Seit September 1939, als die Rationen eingeführt wurden, also Lebensmittelzuteilungen, bis zu der Befreiung durch die französische Armee im Südwesten Deutschlands im Schwarzwald 1945 hab' ich mit einer einzigen Ausnahme immer gehungert."
Vom Ghetto in die Gaskammern von Auschwitz
Seit dem Angriff auf die Sowjetunion im Juni 1941 wurde die nationalsozialistische Judenpolitik immer radikaler. 1942 begannen die deutschen Besatzer, das Ghetto Litzmannstadt systematisch aufzulösen: Kleine Kinder, Kranke und Alte – also alle, die nicht arbeiten konnten – wurden in die Gaskammern von Kulmhof und Auschwitz-Birkenau geschickt und dort ermordet. Ende August 1944 wurde die letzte Gruppe von Juden vom Bahnhof Radegast - einer ehemaligen Bahnstation in Lodz und seit 2005 eine Gedenkstätte des Ghettos Litzmannstadt - nach Auschwitz-Birkenau deportiert.
Wenige Tausend Bewohner des Ghettos Litzmannstadt überlebten den Krieg. Nur sehr wenige von ihnen können heute noch Zeugnis ablegen. Zu den Gedenkfeiern sind Überlebende aus der ganzen Welt nach Lodz gekommen, um jungen Menschen von ihren Erlebnissen zu erzählen. So wie der 93-jährige Marian Turski:
"Wenn ich eine Aufgabe habe, dann wäre diese, die Nachfolger zu warnen, damit sie etwas Schlimmes vermeiden. Auschwitz ist nicht plötzlich vom Himmel gefallen! Es passiert schrittweise, während man Fünfjährigen beibringt, wie man Katzen tötet; wenn man sie gleichgültig gegenüber dem menschlichen Unrecht und der Ehre macht. Wenn wir zig, hundert oder tausend Tode vermeiden können, dann ist es unser aller Pflicht."
Für die Überlebenden wird ein Baum gepflanzt
Seit 15 Jahren gedenkt die Stadt Lodz der Opfer und ehrt die Überlebenden. Für jeden von ihnen wird ein Baum im "Park der Überlebenden" gepflanzt. Gedenktafeln markieren die Ghettogrenzen.
Die Bürgermeisterin von Lodz, Hanna Zdanowska: "Mehr als ein Drittel der hiesigen Bevölkerung waren Juden. Zusammen mit anderen Nationen bauten und entwickelten sie die Stadt. Durch den Holocaust haben wir einen Teil unserer Identität verloren. Aber wir vergessen sie nicht und holen sie wieder ins Bewusstsein."
Die offizielle Gedenkzeremonie auf dem Jüdischen Friedhof und in der Gedenkstätte Bahnhof Radegast wird von Lesungen, Theatervorstellungen, Konzerten, Ausstellungen und thematischen Stadt-Führungen begleitet. Die deutsch-luxemburgische Chanson-Sängerin Adrienne Haan möchte vor allem junge Leute ansprechen:
"Wir müssen zusehen, dass es die Menschen erreicht, die damals nicht gelebt haben und dass wir eben nicht vergessen, was damals geschehen ist. Deswegen finde ich es nicht unwichtig, dass zum Bespiel auch ein paar moderne Veranstaltungen stattfinden, also das, was vielleicht heute bewegt."
Familien der Überlebenden und Tausende der heutigen Stadtbewohner nehmen an den Gedenkveranstaltungen teil. Der 14-jährige Franek aus Lodz ist wohl einer der Jüngsten hier. Er möchte gern direkt von den Zeitzeugen lernen:
"Ich bin hier mit meiner Oma und es gefällt mir. Es ist wichtig, die Geschichte zu kennen."