"Verpflichtung der Jugendlichen ist nicht der richtige Weg"
Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, hat gefordert, dass jeder Schüler ab der 9. Klasse eine KZ-Gedenkstätte besuchen müsse. Der stellvertretende Leiter des Fritz-Bauer-Instituts, Gottfried Kößler, ist anderer Meinung.
In der Debatte um den Besuch von KZ-Gedenkstätten hat Gottfried Kößler, Leiter des Fritz-Bauer-Institut, dem Präsidenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster widersprochen. Dieser hatte gefordert, dass der Besuch einer solchen Gedenkstätte für alle Schüler ab der neunten Klassenstufe verrpflichtend sein solle.
"Die Verpflichtung ist nicht der richtige Weg, um zu einer pädagogisch produktiven Situation zu kommen", sagte Kößler am Dienstag im Deutschlandradio Kultur. Der Geschichtslehrer und Fachmann für historisches Lernen wies darauf hin, dass diese Forderung auch von der Politik schon öfter gestellt worden sei - so, als ließen sich auf diese Weise Probleme lösen. Entscheidend sei aber, was in der Gedenkstätte passiere, sagte Kößler. Wenn pädagogische Begleitung und Vorbereitung fehlten, könne es zu Problemen kommen.
"Die Verpflichtung ist nicht der richtige Weg, um zu einer pädagogisch produktiven Situation zu kommen", sagte Kößler am Dienstag im Deutschlandradio Kultur. Der Geschichtslehrer und Fachmann für historisches Lernen wies darauf hin, dass diese Forderung auch von der Politik schon öfter gestellt worden sei - so, als ließen sich auf diese Weise Probleme lösen. Entscheidend sei aber, was in der Gedenkstätte passiere, sagte Kößler. Wenn pädagogische Begleitung und Vorbereitung fehlten, könne es zu Problemen kommen.
Bei Jugendlichen zeigt sich ein anderes Interesse
Bei den Jugendlichen gebe es ein großes Interesse an dem Thema, sagte Kößler. "Die Deutschen unter den Jugendlichen fragen heute aber weniger nach der Schuld ihrer Familienangehörigen", sagte er über die Veränderungen bei der jüngeren Generation. Im Vordergrund stünde die Auseinandersetzung mit aktuellen Menschenrechtsfragen, mit Krieg oder Flucht. Dies werde mit den historischen Informationen in Verbindung gebracht, wodurch Grundsatzfragen und Menschenrechte in den Vordergrund rückten. "Da hat sich deutlich der Fokus verschoben", sagte Kößler. Das Interesse sei "eindeutig gestiegen". Es gebe auch sehr gutes Informationsmaterial.
Neue Herausforderungen durch Schüler mit Migrationshintergrund
Unter den Schülern seien heute viele Jugendliche aus Osteuropa oder Nordafrika, die einen ganz anderen Bezug zur NS-Zeit hätten. Lehrer müssten damit rechnen, dass Schüler zum Beispiel eine Partisanengeschichte in der Familiengeschichte haben, sagte Kößler. Darüber ins Gespräch zu kommen, sei Herausforderung und Chance. "Wir müssen eine Form der Thematisierung von Geschichte finden, die für die globalisierte Perspektive und vor allem für die Probleme der Gegenwart anschlussfähig ist."
Stalinismus und Nationalsozialismus kommen im Unterricht zu kurz
Es sei selbstverständlich, dass die Geschichte des Holocaust in alle Lehrpläne gehöre. "Das ist seit vielen Jahren kein Streitthema mehr", sagte der Historiker. Es habe allerdings Phasen gegeben, in denen dafür mehr Zeit vorgesehen war. Durch die Umstrukturierungen im Zuge des Bologna-Prozesses habe sich dies geändert. "Vor allem gibt es ein großes Problem in manchen Bundesländern, dass die beiden totalitären Systeme des letzten Jahrhunderts in Deutschland auf gleicher Ebene behandelt werden." Die Lehrer könnten sich aussuchen, ob sie ihren Schwerpunkt auf den Stalinismus oder auf den Nationalsozialismus legten. "Das halte ich für eine sehr problematische Entwicklung", sagte Kößler. Beide Themen fänden dadurch nicht ausreichend Beachtung.