Gedichte statt Gewalt
Die Auseinandersetzung mit dem Propheten Mohammed - im Westen bedeutet das aus Sicht der Muslime oft lediglich: respektlose Karikaturen in Bild, Film und Ton. Proteste der Muslime dagegen führten zuletzt ebenso in die Sackgasse, wie die oft zweifelhafte Kunst. In Frankfurt am Main packen Musliminnen ihren Schmerz über die Verunglimpfungen des Propheten empfinden in Verse.
Der Boden des Gebetsraumes ist mit Teppichen und Kissen ausgelegt. Kerzen sind entzündet, eine große goldene Kanne verstärkt die Teehausatmosphäre. Es wird aus dem Koran rezitiert, was ein passender Einstieg für den Literaturabend sei, sagt Jasmin Mahmood, Studentin der Religionswissenschaft und Moderatorin des Abends:
"Der Koran gilt eigentlich nicht nur im Inhalt, sondern auch in der Form, wie er geschrieben wurde, als einmalig. Und als eigentliches Wunder. So wird in bestimmten Versen erwähnt, dass derjenige, der den Koran nicht anerkennt oder den Islam nicht anerkennt, über den Koran spottet, dass er doch selber Verse dichten möge, die annähernd so gut sind, weil das eben nicht möglich ist. "
Etwa 50 Frauen und Mädchen aus mehreren islamischen Gemeinden sind gekommen, um auf die Verunglimpfung ihres Propheten zu reagieren: Friedlich. Aber nicht ohne Schmerz, sagt Anna Tariq aus Groß-Gerau.
"Wenn ich 1000 Gedanken habe und nicht weiß, wie ich damit umgehen soll, dann schreibe ich und schreibe ich und dann kommen mir sehr, sehr viele Worte in meinen Gedanken. Und die schreibe ich auch nieder in Form von Gedichten oder Kurzgeschichten. Das ist eine Art von Erleichterung, natürlich die Gebete in erster Linie, das ist wirklich die größte 'Waffe': Damit beruhigt man sich auch selbst und auch das Gewissen."
Anna Taric liest ihr Gedicht "Unverwundbar":
"Ich sag: mir egal!
Mir egal, was manche so sagen.
Ich sag: wow!
Wow, wie ordentlich und präzise alle Muslime der Welt unter einen Kamm geschert werden.
Wow, welch Unwissen.
Ich sag
Ich sag: Allah!
Allah ist DER Richter über das Geschehen.
Ich sag: peace!
Peace be upon the holy prophet.
Ich sag einfach: nichts!
Denn eigentlich bin ich sprachlos."
Heftige Rezitationen, stille Momente und gelassene Moderationen lösen einander ab: Worte sprudeln manchmal über, Liebesschmerzen reimen sich auf Herzen, die schließlich bersten. Aber wie wäre denn ein Leben ohne Muhammed? Das wäre, so heißt es, "wie ein Wald ohne Bäume, wie ein Schlaf ohne Träume, wie ein Satz ohne Worte oder wie ein Heißhunger ohne Torte."
Sehr konkret, gefühlvoll, erfindungsreich, witzig, wütend und persönlich sind die Gedichte, Träume, Kurzgeschichten. Nachdenklich oder rhythmisch werden sie zu Ehren des Propheten vorgetragen.
Die Frauen sehen sich damit auf den Spuren des Gründers der Ahmadiyya Gemeinschaft. Er lebte vor mehr als 100 Jahren in Indien und schrieb ebenfalls Gedichte.
Rizwana Rauf, Studentin der Religionswissenschaft mit Hauptfach Islamische Religon, liest ihr Gedicht "Darf ich denken?":
"Darf ich denken,
meine Gedanken an andere schenken?
Darf ich eine eigene Meinung haben
und sie auch an andere weitertragen?
Ja, gewiss, gewiss sagt mir mein Glaube: Ich soll denken.
Wie soll ich ohne Denken meinen Allah und seinen Propheten gedenken?
Auch wenn ich nicht denke, wie soll ich dann lernen?
Ist es doch jedes Muslims Pflicht, Wissen zu erwerben.
So denke ich. [ ... ] "
Shazia Farooq hat Germanistik studiert, erzählt einen Traum:
"[ ... ] Und ich steh dann da und denke mir: O, was kann ich mir denn wünschen? Dass ich alles bekomme mit einem Wunsch? Und ich überlege nicht viel, sondern sage sofort: Ich will die Liebe des Propheten und deine Liebe. Und Gott sagt dann - also es kommt mir dann in mein Herz: Das sei dir gewährt. Und ich bin dann so glücklich im Traum und denke: Wenn ich die Liebe Gottes bekomme und die Liebe des Propheten, dann brauche ich mir ja nichts anderes mehr zu wünschen, dann wird mir das auch so gegeben werden. [ ... ]"
Shafi Khan liest ein Gedicht der Philosophiestudentin Lubna Yousef aus Münster:
" [ ... ] Dein Leben war echt,
das meine ist es nicht.
Elohim war,
was du einatmest,
sein Ort war, was du ausatmetest,
seine Liebe, was du ausbreitetest.
Wie wunderhübsch du gewesen sein musst,
wie das Abbild des Mondes in einem uferlosen Fluss.
Ich kann deine Schönheit nicht völlig erfassen,
vielleicht sollte ich es hierbei belassen."
Doch es ging an dem Abend nicht nur um Schönheit, sondern auch um Aufklärung. Die Dichterinnen erklärten etwa, warum sich muslimische Frauen verletzt fühlen, wenn ihr Prophet verspottet wird.
Rizwana Rauf: "Um das etwas verständlich zu machen ein Beispiel: Man hat einen gewissen Respekt und eine Liebe gegenüber den Eltern. Und egal, wie ich zu meinen Eltern stehe, möchte ich nicht, dass jemand anderes oder ein Fremder etwas über meine Eltern sagt. Und noch eine Stufe höher ist für uns Muslime der Prophet. Denn das, was meine Eltern mir beibringen, haben sie auch von ihm gelehrt bekommen. "
Dennoch reagieren die Muslima auf die von ihnen empfundenen Provokationen mit Poesie, gemäß dem Motto der Ahmadyyia Gemeinschaft "Liebe für alle - Hass für keinen". So demonstrieren sie auf lyrische Weise, trinken Tee, genießen alte und neue Poesie und sprechen Segensgebete auf den Propheten aus.
Shazia Farooq: ""Für andere scheint es, dass die Leute still dasitzen. Aber stille Gebete haben sehr große Kraft. Und das ist ja auch anerkannt in allen Religionen, und wir legen da sehr viel Wert darauf. Deswegen erscheint es so, dass wir nichts machen würden, dass wir nicht auf die Straße gehen und "nur" den Leuten erklären, wie schön der heilige Prophet gewesen ist. Aber dahinter steckt sehr viel: Sehr viele Gebete. ""
Links auf dradio.de:
Es müssen nicht Männer mit Bärten sein
Arabischer Frühling hatte "schlichtweg mit Religion nichts zu tun"
Zwischen Vorzeigemuslimen und Geheimsekte
"Der Koran gilt eigentlich nicht nur im Inhalt, sondern auch in der Form, wie er geschrieben wurde, als einmalig. Und als eigentliches Wunder. So wird in bestimmten Versen erwähnt, dass derjenige, der den Koran nicht anerkennt oder den Islam nicht anerkennt, über den Koran spottet, dass er doch selber Verse dichten möge, die annähernd so gut sind, weil das eben nicht möglich ist. "
Etwa 50 Frauen und Mädchen aus mehreren islamischen Gemeinden sind gekommen, um auf die Verunglimpfung ihres Propheten zu reagieren: Friedlich. Aber nicht ohne Schmerz, sagt Anna Tariq aus Groß-Gerau.
"Wenn ich 1000 Gedanken habe und nicht weiß, wie ich damit umgehen soll, dann schreibe ich und schreibe ich und dann kommen mir sehr, sehr viele Worte in meinen Gedanken. Und die schreibe ich auch nieder in Form von Gedichten oder Kurzgeschichten. Das ist eine Art von Erleichterung, natürlich die Gebete in erster Linie, das ist wirklich die größte 'Waffe': Damit beruhigt man sich auch selbst und auch das Gewissen."
Anna Taric liest ihr Gedicht "Unverwundbar":
"Ich sag: mir egal!
Mir egal, was manche so sagen.
Ich sag: wow!
Wow, wie ordentlich und präzise alle Muslime der Welt unter einen Kamm geschert werden.
Wow, welch Unwissen.
Ich sag
Ich sag: Allah!
Allah ist DER Richter über das Geschehen.
Ich sag: peace!
Peace be upon the holy prophet.
Ich sag einfach: nichts!
Denn eigentlich bin ich sprachlos."
Heftige Rezitationen, stille Momente und gelassene Moderationen lösen einander ab: Worte sprudeln manchmal über, Liebesschmerzen reimen sich auf Herzen, die schließlich bersten. Aber wie wäre denn ein Leben ohne Muhammed? Das wäre, so heißt es, "wie ein Wald ohne Bäume, wie ein Schlaf ohne Träume, wie ein Satz ohne Worte oder wie ein Heißhunger ohne Torte."
Sehr konkret, gefühlvoll, erfindungsreich, witzig, wütend und persönlich sind die Gedichte, Träume, Kurzgeschichten. Nachdenklich oder rhythmisch werden sie zu Ehren des Propheten vorgetragen.
Die Frauen sehen sich damit auf den Spuren des Gründers der Ahmadiyya Gemeinschaft. Er lebte vor mehr als 100 Jahren in Indien und schrieb ebenfalls Gedichte.
Rizwana Rauf, Studentin der Religionswissenschaft mit Hauptfach Islamische Religon, liest ihr Gedicht "Darf ich denken?":
"Darf ich denken,
meine Gedanken an andere schenken?
Darf ich eine eigene Meinung haben
und sie auch an andere weitertragen?
Ja, gewiss, gewiss sagt mir mein Glaube: Ich soll denken.
Wie soll ich ohne Denken meinen Allah und seinen Propheten gedenken?
Auch wenn ich nicht denke, wie soll ich dann lernen?
Ist es doch jedes Muslims Pflicht, Wissen zu erwerben.
So denke ich. [ ... ] "
Shazia Farooq hat Germanistik studiert, erzählt einen Traum:
"[ ... ] Und ich steh dann da und denke mir: O, was kann ich mir denn wünschen? Dass ich alles bekomme mit einem Wunsch? Und ich überlege nicht viel, sondern sage sofort: Ich will die Liebe des Propheten und deine Liebe. Und Gott sagt dann - also es kommt mir dann in mein Herz: Das sei dir gewährt. Und ich bin dann so glücklich im Traum und denke: Wenn ich die Liebe Gottes bekomme und die Liebe des Propheten, dann brauche ich mir ja nichts anderes mehr zu wünschen, dann wird mir das auch so gegeben werden. [ ... ]"
Shafi Khan liest ein Gedicht der Philosophiestudentin Lubna Yousef aus Münster:
" [ ... ] Dein Leben war echt,
das meine ist es nicht.
Elohim war,
was du einatmest,
sein Ort war, was du ausatmetest,
seine Liebe, was du ausbreitetest.
Wie wunderhübsch du gewesen sein musst,
wie das Abbild des Mondes in einem uferlosen Fluss.
Ich kann deine Schönheit nicht völlig erfassen,
vielleicht sollte ich es hierbei belassen."
Doch es ging an dem Abend nicht nur um Schönheit, sondern auch um Aufklärung. Die Dichterinnen erklärten etwa, warum sich muslimische Frauen verletzt fühlen, wenn ihr Prophet verspottet wird.
Rizwana Rauf: "Um das etwas verständlich zu machen ein Beispiel: Man hat einen gewissen Respekt und eine Liebe gegenüber den Eltern. Und egal, wie ich zu meinen Eltern stehe, möchte ich nicht, dass jemand anderes oder ein Fremder etwas über meine Eltern sagt. Und noch eine Stufe höher ist für uns Muslime der Prophet. Denn das, was meine Eltern mir beibringen, haben sie auch von ihm gelehrt bekommen. "
Dennoch reagieren die Muslima auf die von ihnen empfundenen Provokationen mit Poesie, gemäß dem Motto der Ahmadyyia Gemeinschaft "Liebe für alle - Hass für keinen". So demonstrieren sie auf lyrische Weise, trinken Tee, genießen alte und neue Poesie und sprechen Segensgebete auf den Propheten aus.
Shazia Farooq: ""Für andere scheint es, dass die Leute still dasitzen. Aber stille Gebete haben sehr große Kraft. Und das ist ja auch anerkannt in allen Religionen, und wir legen da sehr viel Wert darauf. Deswegen erscheint es so, dass wir nichts machen würden, dass wir nicht auf die Straße gehen und "nur" den Leuten erklären, wie schön der heilige Prophet gewesen ist. Aber dahinter steckt sehr viel: Sehr viele Gebete. ""
Links auf dradio.de:
Es müssen nicht Männer mit Bärten sein
Arabischer Frühling hatte "schlichtweg mit Religion nichts zu tun"
Zwischen Vorzeigemuslimen und Geheimsekte