Geduldete Kritik am System Putin
Der kremlkritische Dokumentarfilm "Der Fall Chodorkowski" des Berliner Regisseurs Cyril Tuschi hat einen wahren Publikumsansturm in Moskau erlebt. Manche Besucher rechneten bis zuletzt damit, dass der Kreml die Aufführung verbieten könnte.
Freundlich, aber nicht überschwänglich fiel der Beifall der über 600 Zuschauer aus im vollbesetzten Moskauer Programmkino "Chudoszhestvennyj", knapp zehn Minuten Fußweg entfernt vom Machtzentrum des Landes, vom Kreml. Spontanes Gelächter im Saal gab es indes mehrfach bei Sequenzen mit besonders abstrusen Statements russischer Politiker, etwa feierliche Einlassungen des amtierenden Präsidenten Medwedew zum Zustand des einheimischen Rechtswesens, ebenso wie bei Beiträgen deutscher Politiker wie Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder oder Ex-Bundesaußenminister Joschka Fischer, wenn sie ihre Sicht der Dinge zum Fall des Michail Chodorkowski zum Besten geben und dabei diplomatisch vernebelnd daherkommen oder im Nachhinein den abgeklärt pragmatischen Realisten hervorkehren.
"Der Fall Chodorkowski" des deutschen Regisseurs Cyril Tuschi, der Auftaktfilm des zwölften DocArt-Festivals in Moskau, hat den russischen Besuchern inhaltlich sicher nicht sensationell neue Erkenntnisse geboten, was sie nicht ohnehin schon über das Leben und Schicksal ihres einst reichsten Landsmannes gewusst hätten - heute der prominenteste Häftling Russlands. Ihre Meinung zu Chodorkowski habe sie auch jetzt nicht ändern müssen, sagt etwa die Physikerin Lydia. Der Film sei zwar interessant und bestimmt sehenswert, aber, so meint sie skeptisch, sich dabei sehr gut an die sowjetische Vergangenheit erinnernd:
"Mich hat", sagt sie, "Chodorkowskis Karriere aus früheren Zeiten, seine Biografie als hoher Funktionär des kommunistischen Jugendverbandes 'Komsomol', immer schon abgestoßen..." - Andrej dagegen, ein 40-jähriger Angestellter, ist rundum zufrieden mit seinem fast zweistündigen Kinoabend:
"Angenehm für mich ist, dass sich ein deutscher Regisseur, Journalist, sich für dieses Thema interessiert hat. Wir haben bis zum Schluss nicht daran geglaubt, dass diese Vorstellung stattfindet. Sogar als wir schon im Saal saßen, haben wir immer noch damit gerechnet, dass sie uns plötzlich den Strom abdrehen könnten. - Schön, dass dieser Film bei uns gezeigt wird. Allerdings heißt das nun auch nicht, dass sich jetzt auf einmal etwas zum Positiven verändern könnte."
"Dass sie uns den Film haben sehen lassen, ist nur ein leichtes liberales Schwächeln unserer Oberen", lächelt Lehrerin Olga, "so was gibt's bei uns schon mal - so kurz vor den Wahlen..." - Weshalb Tuschis Chodorkowski-Film dann russlandweit aber höchstens in knapp zwei Dutzend Kinos gezeigt werde? Nun muss Olga so richtig lachen:
"Das ist eine rein rhetorische Frage! Warum?! Na, weil wir nicht genug Demokratie haben. Da haben Sie Ihren Grund! Dass die Menschen heute Abend so zahlreich gekommen sind, erstaunt mich überhaupt nicht. Viele Leute bei uns wünschen sich längst eine normale Zivilgesellschaft. Von denen gibt's eine ganze Menge!"
Cyril Tuschi, der am Nachmittag eigens aus Berlin eingeflogen war, um bei seinem Auftaktfilm zum DocArt-Festival anwesend zu sein, will unterdessen erfahren haben, dass der Kreml höchstselbst das entsprechende Plazet erteilt habe, denn, so sei ihm bedeutet worden:
"Sie finden den Film objektiv. Und deswegen werden sie auch nicht einschreiten oder irgendwas verbieten. Aber sie werden auch keine Werbung machen, wegen der Person im Film - ich glaube, sie meinten dabei Putin."
Das klingt nun wesentlich entspannter, wenn man sich daran erinnert, dass Unbekannte vor der jüngsten Berlinale Tuschis Film-Original gestohlen hatten, dabei nur übersahen, dass eine Kopie an einem andern Ort aufbewahrt worden war. - Dennoch: Kein dumpfes Gefühl in der Magengrube bei der Pass- und Einreisekontrolle am Moskauer Flughafen?
"Kurz, ja! - Woher wissen Sie das? Ich bin auch nicht alleine gereist. Ich bin sehr froh dass alles gut lief. Das ist für mich ein großes Zeichen der Öffnung und auch wie die Leute regiert haben."
Und dann klingt Tuschi fast schon euphorisch:
"Ich glaube, dass sich was verändert. Mir kommt Russland jetzt gerade vor wie die DDR kurz vor der Wende. Es ist so überreif, alles. Die Angst verschwindet. Und das finde ich sehr gut!"
"Der Fall Chodorkowski" des deutschen Regisseurs Cyril Tuschi, der Auftaktfilm des zwölften DocArt-Festivals in Moskau, hat den russischen Besuchern inhaltlich sicher nicht sensationell neue Erkenntnisse geboten, was sie nicht ohnehin schon über das Leben und Schicksal ihres einst reichsten Landsmannes gewusst hätten - heute der prominenteste Häftling Russlands. Ihre Meinung zu Chodorkowski habe sie auch jetzt nicht ändern müssen, sagt etwa die Physikerin Lydia. Der Film sei zwar interessant und bestimmt sehenswert, aber, so meint sie skeptisch, sich dabei sehr gut an die sowjetische Vergangenheit erinnernd:
"Mich hat", sagt sie, "Chodorkowskis Karriere aus früheren Zeiten, seine Biografie als hoher Funktionär des kommunistischen Jugendverbandes 'Komsomol', immer schon abgestoßen..." - Andrej dagegen, ein 40-jähriger Angestellter, ist rundum zufrieden mit seinem fast zweistündigen Kinoabend:
"Angenehm für mich ist, dass sich ein deutscher Regisseur, Journalist, sich für dieses Thema interessiert hat. Wir haben bis zum Schluss nicht daran geglaubt, dass diese Vorstellung stattfindet. Sogar als wir schon im Saal saßen, haben wir immer noch damit gerechnet, dass sie uns plötzlich den Strom abdrehen könnten. - Schön, dass dieser Film bei uns gezeigt wird. Allerdings heißt das nun auch nicht, dass sich jetzt auf einmal etwas zum Positiven verändern könnte."
"Dass sie uns den Film haben sehen lassen, ist nur ein leichtes liberales Schwächeln unserer Oberen", lächelt Lehrerin Olga, "so was gibt's bei uns schon mal - so kurz vor den Wahlen..." - Weshalb Tuschis Chodorkowski-Film dann russlandweit aber höchstens in knapp zwei Dutzend Kinos gezeigt werde? Nun muss Olga so richtig lachen:
"Das ist eine rein rhetorische Frage! Warum?! Na, weil wir nicht genug Demokratie haben. Da haben Sie Ihren Grund! Dass die Menschen heute Abend so zahlreich gekommen sind, erstaunt mich überhaupt nicht. Viele Leute bei uns wünschen sich längst eine normale Zivilgesellschaft. Von denen gibt's eine ganze Menge!"
Cyril Tuschi, der am Nachmittag eigens aus Berlin eingeflogen war, um bei seinem Auftaktfilm zum DocArt-Festival anwesend zu sein, will unterdessen erfahren haben, dass der Kreml höchstselbst das entsprechende Plazet erteilt habe, denn, so sei ihm bedeutet worden:
"Sie finden den Film objektiv. Und deswegen werden sie auch nicht einschreiten oder irgendwas verbieten. Aber sie werden auch keine Werbung machen, wegen der Person im Film - ich glaube, sie meinten dabei Putin."
Das klingt nun wesentlich entspannter, wenn man sich daran erinnert, dass Unbekannte vor der jüngsten Berlinale Tuschis Film-Original gestohlen hatten, dabei nur übersahen, dass eine Kopie an einem andern Ort aufbewahrt worden war. - Dennoch: Kein dumpfes Gefühl in der Magengrube bei der Pass- und Einreisekontrolle am Moskauer Flughafen?
"Kurz, ja! - Woher wissen Sie das? Ich bin auch nicht alleine gereist. Ich bin sehr froh dass alles gut lief. Das ist für mich ein großes Zeichen der Öffnung und auch wie die Leute regiert haben."
Und dann klingt Tuschi fast schon euphorisch:
"Ich glaube, dass sich was verändert. Mir kommt Russland jetzt gerade vor wie die DDR kurz vor der Wende. Es ist so überreif, alles. Die Angst verschwindet. Und das finde ich sehr gut!"