Die Wissenschaft schlägt Alarm
07:24 Minuten
Immer mehr Gewässer enthalten zu wenig Sauerstoff aber zu viele Nährstoffe aus der Landwirtschaft, oder sie drohen auszutrocknen. Forscher und Forscherinnen warnen vor den Auswirkungen und fordern Klimaschutzmaßnahmen.
"Der Stechlinsee ist ein tiefer Klarwassersee. Nach der Klassifikation oligotroph, also nährstoffarm."
Und er ist bekannt aus Theodor Fontanes Roman "Der Stechlin". Hier im Norden Brandenburgs ist Thomas Gonsiorczyk gerade mit dem Motorboot unterwegs. Der Wissenschaftler arbeitet am Seelabor des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei. Über der mit 69 Metern tiefsten Stelle des Stechlinsees stoppt Gonsiorczyk das Boot und lässt eine Messsonde knapp unter die Wasseroberfläche gleiten. Dann deutet er auf seinen Laptop.
"Jetzt zeigt er hier schon alle Werte an, schön groß auf dem Bildschirm. Und die Temperatur. Wo haben wir sie? 18,4 Grad an der Oberfläche. So, jetzt hat er den Wert gespeichert, und ich lasse die Sonde weiter runter."
Stufenweise erfasst Gonsiorczyk die Werte von der Wasseroberfläche bis zum Grund. In tiefen Seen wie dem Stechlin vermischt sich im Sommer das warme Oberflächenwasser nicht mit den kalten Fluten in der Tiefe. Die Unterschiede sind deshalb groß.
"Jetzt sind wir in 45 Meter Tiefe. Temperatur ist 5,3 Grad."
Die Sonde registriert noch andere Werte, darunter den Sauerstoffgehalt: An der Oberfläche ist das Wasser zu gut hundert Prozent gesättigt – zehn Milligramm pro Liter zeigt das Messgerät. Ganz anders sieht es 45 Meter weiter unten aus.
"Der Sauerstoffgehalt: Also hier werden 0,3 Milligramm pro Liter angezeigt und 2,7 Prozent. Ich würde das schon als 0 eigentlich ansehen."
Und er ist bekannt aus Theodor Fontanes Roman "Der Stechlin". Hier im Norden Brandenburgs ist Thomas Gonsiorczyk gerade mit dem Motorboot unterwegs. Der Wissenschaftler arbeitet am Seelabor des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei. Über der mit 69 Metern tiefsten Stelle des Stechlinsees stoppt Gonsiorczyk das Boot und lässt eine Messsonde knapp unter die Wasseroberfläche gleiten. Dann deutet er auf seinen Laptop.
"Jetzt zeigt er hier schon alle Werte an, schön groß auf dem Bildschirm. Und die Temperatur. Wo haben wir sie? 18,4 Grad an der Oberfläche. So, jetzt hat er den Wert gespeichert, und ich lasse die Sonde weiter runter."
Stufenweise erfasst Gonsiorczyk die Werte von der Wasseroberfläche bis zum Grund. In tiefen Seen wie dem Stechlin vermischt sich im Sommer das warme Oberflächenwasser nicht mit den kalten Fluten in der Tiefe. Die Unterschiede sind deshalb groß.
"Jetzt sind wir in 45 Meter Tiefe. Temperatur ist 5,3 Grad."
Die Sonde registriert noch andere Werte, darunter den Sauerstoffgehalt: An der Oberfläche ist das Wasser zu gut hundert Prozent gesättigt – zehn Milligramm pro Liter zeigt das Messgerät. Ganz anders sieht es 45 Meter weiter unten aus.
"Der Sauerstoffgehalt: Also hier werden 0,3 Milligramm pro Liter angezeigt und 2,7 Prozent. Ich würde das schon als 0 eigentlich ansehen."
Fatale Folgen für die Tiere
Der Sauerstoffgehalt in den tieferen Schichten sinkt seit einigen Jahren deutlich. Mit fatalen Folgen für Tiere, die dort leben – vor allem für die Fontanemaräne, eine Abspaltung der kleinen Maräne.
"Wenn es zum kompletten Sauerstoffschwund kommt, dann ist für Fische, die dort leben – und das ist der Fall bei der Fontanemaräne – schlicht überhaupt kein Lebensraum mehr vorhanden. Das heißt, dieser Fisch, der nur im Stechlinsee vorkommt, würde aussterben. Und da sind wir, glaube ich, sehr nah dran."
Mark Gessner leitet das Seelabor und registriert dramatische Veränderungen im Stechlin. Die oberen und unteren Wasserschichten vermischen sich im Herbst und im Frühjahr. Aber seit einigen Jahren verkürzen sich diese Phasen. Weil weniger kaltes Wasser nach oben kommt, ist das Oberflächenwasser des gesamten Sees in den vergangenen Jahren zwei Grad wärmer geworden. So wie in vielen Seen auf der Erde.
"Wir haben uns hier beteiligt an einer großen weltweiten Studie mit mehreren Hundert Seen, die dort Langzeitdaten zur Verfügung gestellt haben. Und es gibt weniger als ein halbes Dutzend, in denen diese Temperaturerhöhung weltweit nicht beobachtet wurde. Also absolute synchrone Entwicklung, sehr starkes Indiz für einen großräumigen Prozess in dem Klimawandel."
"Wenn es zum kompletten Sauerstoffschwund kommt, dann ist für Fische, die dort leben – und das ist der Fall bei der Fontanemaräne – schlicht überhaupt kein Lebensraum mehr vorhanden. Das heißt, dieser Fisch, der nur im Stechlinsee vorkommt, würde aussterben. Und da sind wir, glaube ich, sehr nah dran."
Mark Gessner leitet das Seelabor und registriert dramatische Veränderungen im Stechlin. Die oberen und unteren Wasserschichten vermischen sich im Herbst und im Frühjahr. Aber seit einigen Jahren verkürzen sich diese Phasen. Weil weniger kaltes Wasser nach oben kommt, ist das Oberflächenwasser des gesamten Sees in den vergangenen Jahren zwei Grad wärmer geworden. So wie in vielen Seen auf der Erde.
"Wir haben uns hier beteiligt an einer großen weltweiten Studie mit mehreren Hundert Seen, die dort Langzeitdaten zur Verfügung gestellt haben. Und es gibt weniger als ein halbes Dutzend, in denen diese Temperaturerhöhung weltweit nicht beobachtet wurde. Also absolute synchrone Entwicklung, sehr starkes Indiz für einen großräumigen Prozess in dem Klimawandel."
Mehr Phosphor heißt mehr Bakterien, Algen und Pilze
Mitarbeitende des Seelabors nehmen alle zwei Wochen Wasserproben im Stechlinsee. Sie lassen einen gläsernen Zylinder in verschiedene Tiefen hinab und kurbeln ihn voller Wasser wieder hinauf.
"So, da sind wir oben. Nach knapp 70 Metern weiß man, was man gemacht hat."
Laboranalysen dieser Proben zeigen neben dem Temperatursprung weitere Veränderungen: Der Phosphorgehalt des Sees ist stark gestiegen. Mark Gessner:
"Wir haben in den letzten zehn Jahren massive Anstiege der Konzentration bekommen im Freiwasser. Seit 2010 eine Vervierfachung – also das sind wirklich gigantische Steigerungsraten."
Enthält ein Gewässer viel Phosphor, vermehren sich dort Bakterien, Algen, Pilze und winzige Krebstiere stärker. Dieses Plankton trübt das Wasser und sorgt dafür, dass der Sauerstoffgehalt weiter sinkt. Fachleute sprechen von Eutrophierung, auch das eine typische Folge der Klimakrise. Gerade haben Tausende internationale Wissenschaftler mehr als 200 Studien zusammengefasst, die gravierende Veränderungen in Gewässern weltweit belegen. Markus Weitere vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Magdeburg war daran beteiligt.
"Wir haben ein Wasser-Quantitätsproblem als erstes. Und das äußert sich zum Beispiel dadurch, dass Feuchtgebiete austrocknen, dass Auengebiete austrocknen. Wir haben ein Qualitätsproblem. Zum Beispiel Sauerstoffzehrung in Seen, in Fließgewässern. Das schädigt auch Organismen. Und damit haben wir drittens auch ein Problem für die Organismen und für die Biodiversität."
"So, da sind wir oben. Nach knapp 70 Metern weiß man, was man gemacht hat."
Laboranalysen dieser Proben zeigen neben dem Temperatursprung weitere Veränderungen: Der Phosphorgehalt des Sees ist stark gestiegen. Mark Gessner:
"Wir haben in den letzten zehn Jahren massive Anstiege der Konzentration bekommen im Freiwasser. Seit 2010 eine Vervierfachung – also das sind wirklich gigantische Steigerungsraten."
Enthält ein Gewässer viel Phosphor, vermehren sich dort Bakterien, Algen, Pilze und winzige Krebstiere stärker. Dieses Plankton trübt das Wasser und sorgt dafür, dass der Sauerstoffgehalt weiter sinkt. Fachleute sprechen von Eutrophierung, auch das eine typische Folge der Klimakrise. Gerade haben Tausende internationale Wissenschaftler mehr als 200 Studien zusammengefasst, die gravierende Veränderungen in Gewässern weltweit belegen. Markus Weitere vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Magdeburg war daran beteiligt.
"Wir haben ein Wasser-Quantitätsproblem als erstes. Und das äußert sich zum Beispiel dadurch, dass Feuchtgebiete austrocknen, dass Auengebiete austrocknen. Wir haben ein Qualitätsproblem. Zum Beispiel Sauerstoffzehrung in Seen, in Fließgewässern. Das schädigt auch Organismen. Und damit haben wir drittens auch ein Problem für die Organismen und für die Biodiversität."
Wissenschaft fordert konsequente Schritte von der Politik
Auch die Fischbestände schrumpfen – und damit die Nahrungsgrundlage für Millionen Menschen. Deshalb fordern die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihrem "World Climate Statement" konsequente Schritte, um den Kohlendioxid-Ausstoß zu senken. Markus Weitere hat das Statement unterzeichnet als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Limnologie, also der Binnengewässerforschung. Er erinnert an die Dürrejahre seit 2018 hierzulande.
"Kleine Fließgewässer trocknen teilweise aus. In den großen Fließgewässern haben wir eben dieses Problem, dass diese Anbindung an die Auen, also an die wichtigen seitlichen Lebensräume, die mit dem Gewässer verbunden sind, dass die beeinflusst sind. Und auch das Eutrophierungsproblem, das ist das, was wir tatsächlich in Fließgewässern beobachten. Der Rhein ist ein typisches Beispiel."
Bisher sieht es nicht danach aus, als würde sich die Staatengemeinschaft schnell auf entschlossenen Klimaschutz einigen. Ohnehin bräuchten solche Maßnahmen Zeit, um zu wirken.
"Wir haben eine Verzögerung im System. Wir haben Dürrejahre, haben aber dann keine richtige Erholung. Und schlittern wieder ins nächste Dürrejahr rein. Das heißt, wir müssen uns tatsächlich auch anpassen an den Klimawandel. Wir müssen sehr genau identifizieren: An welchen Stellen können wir Gewässerökosysteme entlasten?"
"Kleine Fließgewässer trocknen teilweise aus. In den großen Fließgewässern haben wir eben dieses Problem, dass diese Anbindung an die Auen, also an die wichtigen seitlichen Lebensräume, die mit dem Gewässer verbunden sind, dass die beeinflusst sind. Und auch das Eutrophierungsproblem, das ist das, was wir tatsächlich in Fließgewässern beobachten. Der Rhein ist ein typisches Beispiel."
Bisher sieht es nicht danach aus, als würde sich die Staatengemeinschaft schnell auf entschlossenen Klimaschutz einigen. Ohnehin bräuchten solche Maßnahmen Zeit, um zu wirken.
"Wir haben eine Verzögerung im System. Wir haben Dürrejahre, haben aber dann keine richtige Erholung. Und schlittern wieder ins nächste Dürrejahr rein. Das heißt, wir müssen uns tatsächlich auch anpassen an den Klimawandel. Wir müssen sehr genau identifizieren: An welchen Stellen können wir Gewässerökosysteme entlasten?"
Vieles muss rückgängig gemacht werden
Für Landwirtschaft und Industrie haben die Menschen vielerorts Gewässersysteme stark verändert: Gräben gebaut, um Feuchtgebiete trockenzulegen zum Beispiel. Felder überdüngt, sodass zu viele Nährstoffe ins Wasser geschwemmt werden.
Flüsse begradigt und damit zum Austrocknen von Auen beigetragen. Vieles davon muss rückgängig gemacht werden, damit die Gewässer in der Klimakrise widerstandsfähig werden, sagt Jürgen Geist, Professor für aquatische Systembiologie an der TU München. Aus seiner Sicht müssen Naturschützer, Wasserbauingenieurinnen und Landwirte an einem Strang ziehen.
"Wenn wir es wieder schaffen, mehr Feuchtgebiete zu schaffen, die Auen in den Fließgewässern zu erhalten, dann können wir mehrere Ziele gleichzeitig erhalten. Zum einen ist das positiv für die Biodiversität in den Fließgewässern. Weil ein konstanterer Wasserfluss oder ein geringeres Risiko des Austrocknens dort vorherrscht. Auf der anderen Seite ist das aber auch sehr positiv für den Bodenschutz."
Und es würde zum Klimaschutz beitragen, wie gerade eine Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung gezeigt hat: Weltweit gesehen speichern Feuchtgebiete etwa doppelt so viel Kohlendioxid wie alle Wälder zusammen.
"Wenn wir es wieder schaffen, mehr Feuchtgebiete zu schaffen, die Auen in den Fließgewässern zu erhalten, dann können wir mehrere Ziele gleichzeitig erhalten. Zum einen ist das positiv für die Biodiversität in den Fließgewässern. Weil ein konstanterer Wasserfluss oder ein geringeres Risiko des Austrocknens dort vorherrscht. Auf der anderen Seite ist das aber auch sehr positiv für den Bodenschutz."
Und es würde zum Klimaschutz beitragen, wie gerade eine Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung gezeigt hat: Weltweit gesehen speichern Feuchtgebiete etwa doppelt so viel Kohlendioxid wie alle Wälder zusammen.