Gefährliches Pokerspiel um Zypern

Von Jörg Münchenberg, Deutschlandradio Studio Brüssel |
Zypern zahlt die Zeche für sein dubioses Geschäftsmodell: Ein aufgeblähter Bankenmarkt und hochverschuldete Geldhäuser drohen den gesamten Staat in den Abgrund zu reißen. Das schlechte Management der Euro-Finanzminister hat die Krise völlig unnötig befeuert.
Was für eine hektische Woche liegt hinter Europa. Eine Sonderkonferenz jagt die nächste, hinter den Kulissen werden eilig Notfallpläne für eine drohende Pleite des Inselstaates ausgearbeitet; in Nikosia protestieren wütende Bürger und Benzin gibt es nur noch gegen Bares. Nur eines fehlt weiterhin: ein tragfähiges Konzept, wie sich Zypern aus dieser schweren Krise befreien und dem drohenden Kollaps entkommen kann. Viel Zeit bleibt nicht mehr – bis Montag muss eine Lösung her, andernfalls dreht die Europäische Zentralbank den zypriotischen Banken den Geldhahn zu.

Im Rückblick stellt sich natürlich die Frage nach der Qualität des europäischen Krisenmanagements. Und hier fällt die Bilanz ernüchternd aus. Obwohl die Europäische Union inzwischen gestählt sein sollte von all den Brandherden in den letzten Jahren, die gelöscht werden mussten, kann von einer abgeklärten Krisenroutine keine Rede sein. Schon gar nicht mit einem unerfahrenen Jeroen Dijsselbloem an der Spitze der Eurogruppe, der offenkundig überfordert ist.

In dieser denkwürdigen Verhandlungsnacht von Freitag auf Samstag in der zurückliegenden Woche ist den Euro-Finanzministern ein kapitaler wie entscheidender Fehler unterlaufen. Die Erweiterung der Zwangsabgabe auch auf Vermögen unterhalb der 100.000 Euro-Schwelle – trotz europäischer Einlagengarantie – hat massive Schockwellen ausgelöst, die bis heute nachwirken.

Auch wenn das eine mit dem anderen – rechtlich wie sachlich - nichts miteinander zu tun hat: der Verweis auf die Lehrbücher hilft in einer so aufgeheizten Situation nicht weiter. Dieser Fehler war die entscheidende Steilvorlage für Nikosia, das Rettungspaket in Bausch und Bogen abzulehnen. Und schlimmer noch: Viele Bürger in Europa wollen den Beteuerungen keinen Glauben mehr schenken, dass die Einlagen weiter sicher sind. Dass Zypern eine Ausnahme sein soll.

Das schlechte Krisenmanagement hat also die Situation völlig unnötig befeuert und erheblichen Kollateralschaden angerichtet. Aber auch das harsche Auftreten der deutschen Regierung, das zunehmend von innenpolitischen Motiven angesichts der bevorstehenden Bundestagswahlen geprägt ist, war einer Verhandlungslösung sicherlich nicht dienlich.

Abschied vom Inzest mit den Investoren
Doch bei aller berechtigter Kritik an den Eurofinanzministern müssen Ursachen und Folgen in dieser Krise auseinander gehalten werden. Jahrzehnte hat die Insel von niedrigen Steuersätzen und einer laxen Finanzaufsicht profitiert. Dafür zahlt Zypern heute die Zeche: ein aufgeblähter Bankenmarkt und hochverschuldete Geldhäuser drohen den gesamten Staat in den Abgrund zu reißen. Das dubiose Geschäftsmodell, das übrigens auch von anderen Euroländern wie Luxemburg oder Irland betrieben wird, ist krachend gescheitert.

Zypern ist deshalb dringend auf europäische Hilfe angewiesen und will dennoch partout nicht einsehen, dass an diese Unterstützung schmerzhafte Auflagen geknüpft sind. Und der Abschied eben von jenem inzestuösen Verhältnis mit ausländischen Investoren. Stattdessen spielt man Poker mit den Europartnern, wirft vermeintliche Alternativpläne in den Ring und hofft auf einen faulen Kompromiss, der sich schon irgendwie finden soll.

Eine fahrlässige wie gefährlich naive Haltung, denn inzwischen geht es um den Verbleib in der Eurozone und damit auch die wirtschaftliche Zukunft des Landes und seiner Bewohner. Die Eurogruppe wird und muss ihrer bisherigen Linie treu bleiben – andernfalls macht sie sich erpressbar und provoziert geradezu weitere Nachahmer in anderen Krisenländern.

Zudem hat die sture Haltung der zypriotischen Regierung auch den Verhandlungsspielraum für die Eurogruppe tendenziell weiter verkleinert. Denn je länger sich Nikosia den Auflagen verweigert, desto schwieriger dürfte es werden, die notwendige europäische Solidarität zu rechtfertigen. Ohne die Zypern aber keine keine Perspektiven mehr hat, denn auch der russische Trumpf wird nicht stechen.

Das Fatale aber ist: Selbst wenn kurz vor dem Ultimatum der Europäischen Zentralbank doch noch eine Einigung gelingen sollte – dass so etwas möglich ist, hat Europa in der Vergangenheit oft genug beweisen – der ohnehin schon bestehende Graben zwischen Nord und Süd, zwischen Arm und Reich, wird durch diesen Streit noch tiefer werden und die Europäische Union erheblich belasten. Und trotzdem wäre dies immer noch die vermeintlich bessere Variante. Andernfalls rutschen nämlich am Dienstag die zypriotischen Banken und damit der gesamte Staat in die Pleite. Europa wäre dann wieder fest im Klammergriff der Staatschuldenkrise.
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