Gefangen auf Malta

Von Andreas Boueke |
Malta ist eines der Hauptziele von Bootsflüchtlingen aus Nordafrika. Der Traum von einem freien Leben wird hier schnell zum Albtraum. Die Lebensbedingungen seien menschenunwürdig, protestieren Menschenrechtler und Kirchen. Ändern wird sich so schnell nichts.
In diesem und im vergangenen Jahr sind so viele afrikanische Migranten auf die Mittelmeerinsel Malta gekommen wie nie zuvor. Wenn sie die Küste erreichen, werden sie erst einmal eingesperrt, bis zu zwei Jahre lang. In einem Bericht der Organisation Ärzte ohne Grenzen mit dem Titel "keine Verbrecher" ist die Rede von überfüllten Zellen mit zu wenigen Betten; von kaputten Toiletten und einer einzigen Dusche für neunzig Personen; von inhaftierten Kindern, die täglich weniger als eine Stunde an die frische Luft dürfen. Dagegen demonstrieren rund vierhundert Menschen, vorwiegend Afrikaner, im historischen Zentrum der maltesischen Hauptstadt Valletta. Einer von ihnen ist Iko Shagari. Er hat achtzehn Monate in dem Internierungslager Hal Far verbracht:

"Das ist wie ein Gefängnis. Aber ich bin kein Krimineller. Ich habe nichts Gesetzwidriges getan! Außer vielleicht, dass ich illegal in dieses Land gekommen bin. Aber sollten sie uns nicht respektieren? Ich bin doch ein Flüchtling."

Seit 2004 ist Malta Mitglied der Europäischen Union. Auf Grund seiner exponierten Lage im Mittelmeer fällt ihm die Rolle eines Grenzpostens zu. Die meisten Migranten, die auf Malta ankommen, sind Monate oder Jahre zuvor in den Krisengebieten Afrikas aufgebrochen: Somalia, Eritrea, Äthiopien oder Sudan. Andere kommen aus Westafrika: Nigeria, Ghana, Mali, Elfenbeinküste. Auf Malta haben sie nur wenige Fürsprecher. Umso mehr ist ihre Situation eine Herausforderung für die Kirchen in anderen Ländern Europas, meint Pastor Thorsten Leisser, Menschenrechtsreferent der Evangelischen Kirche Deutschlands:

"Weil Menschenrechte gelten für diese Leute auch. Die kann man also nicht einfach einpferchen, einfach einsperren auch in sanitär unhaltbaren Situationen. Dass dort Flüchtlingsheime in einem Zustand sind, das will man niemandem zeigen in Deutschland, das wäre unvorstellbar. Räume in denen 50 Personen hausen. Aber sie sind froh, dass sie überhaupt einen Ort haben, wo sie leben können."

Im Umgang mit den afrikanischen Migranten stemmen die südlichen Länder Europas wie Malta eine viel größere Last als Deutschland. Pastor Thorsten Leisser befürchtet, dass es gerade jetzt - in Zeiten der Finanzkrise - besonders schwierig für diese Länder ist, Solidarität für notleidende Flüchtlinge aufzubringen:

"Das eine ist ein gewisses Abstumpfen. Flüchtlingsboote gehören in der Hauptsaison, Hauptfluchtsaison, leider zum Alltag, und auch ertrunkene Flüchtlinge gehören mittlerweile zum Alltag auf Malta. Die Presse berichtet darüber aber längst nicht mehr. Kein Wunder, weil bei der Häufigkeit der Fälle längst nicht mehr so prominent auf der Titelseite mit Schlagzeile und Skandal."

Zur Zeit sind knapp sechstausend afrikanische Flüchtlinge auf Malta. 500 davon leben in dem Flüchtlingsheim Marsa Open Center:

"Listen, when you do thing quietly, normally you will go, maybe you have to explain to the person, do it politely, normally it works. Alright?"
"Yes."

Der Verwalter des Zentrums, Oliver Gadd, sitzt in einem kleinen Büro, an dessen Wänden Karten afrikanischer Länder hängen. Ein junger Mann bittet ihn um Hilfe in einem Konflikt mit seinem maltesischen Arbeitgeber. Der habe ihn um seinen Lohn geprellt, schimpft der Mann aus Ghana.

"Yes but listen..."
"Don't tell me because I am no..."
"I am telling him, this is not..."

Dies ist kein Fall für die Polizei. Er arbeitet illegal, ohne Arbeitserlaubnis. Er zahlt keine Versicherung. Natürlich kann er zur Polizei gehen, aber die wird nicht den Arbeitgeber einsperren, sondern ihn, weil er gegen die Regeln verstößt.

Oliver Gadd bemüht sich, den Bewohnern des Heims bei ihren alltäglichen Problemen zu helfen. Doch die Grundsätze der Migrationspolitik seiner Regierung stellt er nicht in Frage:

"Das Internierungssystem auf Malta ist notwendig. Wer sich unsere geografische Lage anschaut und die geringe Zahl der Menschen, die auf dieser kleinen Insel leben, der erkennt sofort, dass Malta seine Türen nicht einfach öffnen kann. Wir können nicht alle Leute aufnehmen, die an unsere Küsten kommen, ohne Papiere, ohne Dokumente. Das muss kontrolliert werden, damit keine Faktoren entstehen, die noch mehr Leute dazu animieren, Afrika zu verlassen."

Oliver Gadd bezeichnet die Situation als eine Herausforderung für die Europäische Union. Doch von der ist nicht viel Unterstützung zu erwarten, meint der katholische Priester Alfred Vela. Als maltesischer Direktor einer kirchlichen Hilfsorganisation für Migranten nimmt er häufig an europäischen Konferenzen teil:

"Meiner Erfahrung nach gibt es in Europa eigentlich einen Konsens, wenn es um das Prinzip der Solidarität geht. Aber wenn es konkret wird, dann muss ich die Frage stellen, ob wirklich alle europäischen Länder bereit sind zu helfen. Malta hat eine große Verantwortung in Bezug auf die Asylsuchenden, denn Malta ist die Tür nach Europa. Wenn wir diese Menschen auf dem Meer finden, dann müssen wir entsprechend der internationalen Gesetze unsere Pflicht erfüllen und ihnen helfen."

Der Priester Alfred Vela fürchtet, dass die ungleiche Verteilung der afrikanischen Flüchtlinge innerhalb Europas mit der Zeit die Fundamente untergraben wird, auf denen das Miteinander der EU-Mitglieder gebaut ist:

"Entweder wir gehören zusammen oder nicht. Jedes einzelne Land muss das Problem mit derselben Perspektive der Solidarität behandeln. Die Europäische Gemeinschaft ist nun einmal auf diesen Prinzipien gebaut: Solidarität, Reisefreiheit und Verteilung der Ressourcen."
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