Gefangen im Eispalast der Erinnerung

Von Franziska Stürz |
Die Geschichte der Tochter Agamemnons, die den Mord an ihrem Vater rächen will, inszenieren Regisseur Kay Metzger und Dirigent Tetsuro Ban in Regensburg musikalisch wie szenisch hochspannend und schlüssig mit einer erstklassigen Besetzung.
Schwarzer Marmor und kaltes Licht prägen die eisige Atmosphäre des Königspalastes von Theben, in dessen Eingangshalle sich Elektra wie eine reglose Statue postiert hat. Bühnenbildner Michael Heinrich lässt alle Protagonisten wie in einem alten Schwarzweißfilm aus den späten 30er-Jahren erscheinen und bietet ihnen mit dem geschwungenen Treppenaufgang wirkungsvolle Auftritte. Einziger blutroter Farbtupfer ist das Kleid der jungen Klytämnestra, die als Statistin eine immer wiederkehrende traumatische Erinnerung Elektras darstellt: die Mutter plant mit dem Geliebten den Mord an Agamemnon, und das Kind Elektra beobachtet sie dabei.

Regisseur Kay Metzger konzentriert sich auf diese Rückblenden und zeigt die erwachsene Elektra äußerlich unversehrt, wohl frisiert und vital, wenn auch im strengen Hosenanzug. Klytämnestra dagegen ist gebrechlich, schwer gezeichnet und sitzt im Rollstuhl. Manuela Bress verleiht ihr glaubhafte Zerbrechlichkeit kombiniert mit Altersstarrsinn und dem eisernen Willen zu einem letzten Aufbäumen. Aber physisch wie vokal ist die Tochter ihr klar überlegen: Sabine Hogrefe singt und gestaltet die mörderische Partie mit großer Souveränität und Flexibilität. Diese Elektra fühlt sich stark und im Recht, bis sie ganz am Schluss mit Entsetzen erkennen muss, dass auch die Rache sie nicht von ihren qualvollen Erinnerungen befreit hat.

Ein trotziges, unverstandenes, ungeliebtes großes Kind ist sie. Das Wiedersehen mit dem Bruder Orest zeigt Metzger in am Boden wälzender Umarmung an der Grenze zur inzenstuösen Liebe. Als lebensfrohe, blonde Chrysothemis steht Allison Oakes trotz der inszenierten Anfälle von Nasenbluten der düsteren Schwester in nichts nach. Die Dialogszenen zwischen den beiden sind die stärksten Momente in den ohnehin durchgängig hoch spannenden 100 Minuten des Dramas.

Tetsuro Ban lässt das Philharmonische Orchester Regensburg durchaus mächtige Akzente setzen, bleibt aber immer durchsichtig genug, um die Stimmen im Vordergrund zu lassen. Kein Forcieren, kein angestrengtes Vibrato, stattdessen runde Töne und sehr gute Diktion sind in Regensburg zu hören. Elektra als Stimmenfest, das bekommt man selten geboten. Unter dem Eindruck der grauenvollen Handlung braucht das Publikum ein paar Minuten, bis sich der Jubel für die Künstler entfalten kann, aber auch das spricht für die große Wirkungskraft dieser beachtlichen Produktion.

Informationen des Theaters Regensburg zu "Elektra"
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