Gefangen in der einsamen Tiefe
Befreit von bedeutungsschweren Kulissen gelingt es dem Regisseur Roland Schwab in Eugen d'Alberts "Tiefland" das dunkle Schicksal eines Hirtenjungen hinter der augenscheinlich friedlebenden Oberfläche eines spanischen Dörfchens zu vermitteln. Dabei holen Einsamkeit und Brutalität den naiven Charakter des jungen Mannes ein: ein Psychokrimi mit zum Teil brillant gespielten Rollen und luxuriösem Klanghorizont.
Immer wieder kommen die Menschen ins Rutschen auf ihrem Weg ins Hochland. Dort, im Land ihrer Wünsche und Sehnsüchte, ist scheinbar noch alles rein und unverdorben. Von dort kommt Pedro, der naive Hirte, hinunter ins verdorbene Tiefland, wo er mit Marta verheiratet werden soll. Er hat gar nicht mitbekommen, dass er bloß vom skrupellosen Großgrundbesitzer Sebastiano benutzt wird. Als er das verstanden hat, will er zurück in die Berge, doch dazu ist es bereits zu spät. Es gibt kein Zurück mehr in die blaue Kälte der ersten Szene. Die kindliche Naivität des Daseins in den Bergen ist endgültig verloren, Pedro muss erwachsen werden.
In Eugen d’Alberts Oper "Tiefland" geht es nicht um spanische Folklore und pittoreskes Dorfleben. Das ist nur die oberste Schicht der Erzählweise. Dieses gefällige Dekor hat der Regisseur Roland Schwab an der Deutschen Oper Berlin konsequent entfernt und durch eine strenge Stilisierung ersetzt. So wird die scharfe Sozialkontrolle einer gewalttätigen Gesellschaft sichtbar. Der dunkel gekleidete Chor (erweitert durch den Extrachor) ist fast immer anwesend, quält und demütigt die Außenseiter, freut sich am Unglück der anderen. Es herrscht die düstere Atmosphäre eines Schauerromans, in die der unbekümmerte Dummkopf Pedro einbricht. Für diesen Psychokrimi hat der Bühnenbildner Hans Dieter Schaal einen ebenso monströsen wie imposanten Bühnenraum geschaffen: Die weiße Spielfläche kommt steil aus dem Bühnenhimmel geflossen und ergießt sich wie eine Lawine in den Zuschauerraum.
Bewundernswert konzentriert führt Schwab die Sänger auf der unwirtlichen Weite, schafft immer wieder beeindruckende Bilder der Einsamkeit und der ersehnten Nähe, des Hasses und der pervertierten Liebe. Dabei bricht er die von d’Albert eher holzschnittartig angelegten Charaktere auf, gestattet ihnen eine Tiefenschicht, die das Bauerndrama zum Psychokrimi macht. Einzig in der letzten Szene, im Kampf zwischen Pedro und Sebastiano schleichen sich einige Opernklischees und Stereotypen ein, die umso mehr auffallen, als es Schwab den ganzen Abend hindurch gelang, die abgenutzte Vokabular zu vermeiden.
Vor allem Nadja Michael als zwischen den beiden Männern hin- und hergerissene Marta beglaubigt das anspruchsvolle Regiekonzept stimmlich wie darstellerisch. Sie hat den Mut, verschiedene Facetten der Figur nebeneinander zu stellen und erreicht damit, was die Opernreformer des Verismo um 1900 wollten, nämlich glaubwürdige Menschen auf der Bühne zu zeigen. Egils Silins als Bösewicht Sebastiano setzt auf kultivierter Kraftentfaltung und macht damit viel Eindruck.
Die Entwicklung des naiven Hirtenburschen Pedro vom Dummkopf aus den Bergen zum erwachsenen Mann, der das Schicksal in die Hände nimmt, indem er Sebastiano erwürgt, kann der Tenor Torsten Kerl nicht recht deutlich machen. Besonders im zweiten Akt bleibt sein Spiel unfokussiert, während er die äußerst anspruchsvolle Rolle insgesamt glänzend singt.
Star des Abends ist allerdings das Orchester unter Yves Abel. Die Musiker trumpfen an den richtigen Stellen breit auf, breiten jedoch vor allem einen luxuriösen Klanghorizont auf, vor dem sich das Drama entfaltet. Abel nimmt sich Zeit für die dramatischen Wendepunkte der Partitur, hält sich genau an d’Alberts Vorgaben und räumt dem großen Gefühl viel Platz ein, ohne je sentimental zu werden. Eine schauerliche Geschichte wird an der Deutschen Oper grandios erzählt. So meldet sich das Haus mit dem Doppelabend "Cassandra/Elektra" und "Tiefland" endlich wieder im Kerngeschäft zurück: Nur wenn große Oper so überzeugend und überwältigend auf der Hauptbühne gespielt wird, hat die Deutsche Oper eine Chance für die Zukunft.
In Eugen d’Alberts Oper "Tiefland" geht es nicht um spanische Folklore und pittoreskes Dorfleben. Das ist nur die oberste Schicht der Erzählweise. Dieses gefällige Dekor hat der Regisseur Roland Schwab an der Deutschen Oper Berlin konsequent entfernt und durch eine strenge Stilisierung ersetzt. So wird die scharfe Sozialkontrolle einer gewalttätigen Gesellschaft sichtbar. Der dunkel gekleidete Chor (erweitert durch den Extrachor) ist fast immer anwesend, quält und demütigt die Außenseiter, freut sich am Unglück der anderen. Es herrscht die düstere Atmosphäre eines Schauerromans, in die der unbekümmerte Dummkopf Pedro einbricht. Für diesen Psychokrimi hat der Bühnenbildner Hans Dieter Schaal einen ebenso monströsen wie imposanten Bühnenraum geschaffen: Die weiße Spielfläche kommt steil aus dem Bühnenhimmel geflossen und ergießt sich wie eine Lawine in den Zuschauerraum.
Bewundernswert konzentriert führt Schwab die Sänger auf der unwirtlichen Weite, schafft immer wieder beeindruckende Bilder der Einsamkeit und der ersehnten Nähe, des Hasses und der pervertierten Liebe. Dabei bricht er die von d’Albert eher holzschnittartig angelegten Charaktere auf, gestattet ihnen eine Tiefenschicht, die das Bauerndrama zum Psychokrimi macht. Einzig in der letzten Szene, im Kampf zwischen Pedro und Sebastiano schleichen sich einige Opernklischees und Stereotypen ein, die umso mehr auffallen, als es Schwab den ganzen Abend hindurch gelang, die abgenutzte Vokabular zu vermeiden.
Vor allem Nadja Michael als zwischen den beiden Männern hin- und hergerissene Marta beglaubigt das anspruchsvolle Regiekonzept stimmlich wie darstellerisch. Sie hat den Mut, verschiedene Facetten der Figur nebeneinander zu stellen und erreicht damit, was die Opernreformer des Verismo um 1900 wollten, nämlich glaubwürdige Menschen auf der Bühne zu zeigen. Egils Silins als Bösewicht Sebastiano setzt auf kultivierter Kraftentfaltung und macht damit viel Eindruck.
Die Entwicklung des naiven Hirtenburschen Pedro vom Dummkopf aus den Bergen zum erwachsenen Mann, der das Schicksal in die Hände nimmt, indem er Sebastiano erwürgt, kann der Tenor Torsten Kerl nicht recht deutlich machen. Besonders im zweiten Akt bleibt sein Spiel unfokussiert, während er die äußerst anspruchsvolle Rolle insgesamt glänzend singt.
Star des Abends ist allerdings das Orchester unter Yves Abel. Die Musiker trumpfen an den richtigen Stellen breit auf, breiten jedoch vor allem einen luxuriösen Klanghorizont auf, vor dem sich das Drama entfaltet. Abel nimmt sich Zeit für die dramatischen Wendepunkte der Partitur, hält sich genau an d’Alberts Vorgaben und räumt dem großen Gefühl viel Platz ein, ohne je sentimental zu werden. Eine schauerliche Geschichte wird an der Deutschen Oper grandios erzählt. So meldet sich das Haus mit dem Doppelabend "Cassandra/Elektra" und "Tiefland" endlich wieder im Kerngeschäft zurück: Nur wenn große Oper so überzeugend und überwältigend auf der Hauptbühne gespielt wird, hat die Deutsche Oper eine Chance für die Zukunft.