Konvertierte Christen haben schlechte Chancen auf Asyl
Sie haben viel riskiert: Konvertierte Christen aus dem Iran, Irak und Afghanistan. Eine Gemeinde in Berlin ist ihre neue Heimat geworden. Doch viele sind von Abschiebung bedroht, weil Behörden und Gerichte ihnen ihren Glauben nicht glauben.
"Für alle verfolgten Christen, für unsere Brüder und Schwester, im Iran, im Irak..."
Kamran Sabzalian steht neben Pfarrer Martens vor dem Altar. Und betet für seine Brüder in der iranischen Heimat. Der Pfarrer betet auf Deutsch vor, der kleine, rundliche Iraner blickt kurz auf seinen Spickzettel und spricht auf Farsi nach.
Wie lange er hier noch beten darf, weiß er nicht. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, kurz BAMF, hat seinen Antrag auf politisches Asyl abgelehnt. Die Behörden nehmen ihm nicht ab, dass er es ernst meint mit dem Christentum.
Anerkennungsquote für konvertierte Christen sinkt
Das geht immer mehr Gemeindemitgliedern so, erzählt Pfarrer Martens nach dem Gottesdienst. Seit 2016 sei die Anerkennungsquote für konvertierte Christen immer weiter gesunken. In Brandenburg auf nahezu null, in Berlin liege sie noch bei zehn Prozent.
Viele Geflüchtete klagen dann – mit Hilfe des Pfarrers - gegen den Bescheid vom BAMF. Ob sie damit Erfolg haben. Ein reines Lottospiel meint Martens:
"Es gibt Richter, bei denen man eine ernsthafte Chance hat und es gibt Richter, bei denen wissen wir vorher schon das Urteil. Wir sind im Verwaltungsgericht Berlin mittlerweile bei einer Anerkennungsquote von 20 Prozent. Die anderen Iraner landen dann im Nirwana, sie können nicht abgeschoben werden, weil sie in aller Regel keinen gültigen Pass haben."
Ein paar Tage später am Berliner Verwaltungsgericht. Kamran Sabzalian steht starr im Aufenthaltsraum. Zwei Freunde aus der Steglitzer Dreieinigkeitsgemeinde reden auf ihn ein, Sabzalian schweigt. Ab und zu nickt er kurz oder zieht die feinen Augenbrauen hoch. Sollte er nervös sein, lässt es sich der 48-jährige Iraner nicht anmerken:
"Ja ich bin ruhig, Jesus ist bei mir. Gott ist bei mir. Ich weiß, dass ich Christ bin!"
Ein alles entscheidender Gerichtstermin
Dabei geht es für ihn in den nächsten Stunden um alles, erklärt sein Anwalt Christopher Lingnau.
"Das ist der entscheidende Gerichtstermin, die erste und letzte Instanz. Er war in Armenien in Gottesdiensten und hat dann die Entscheidung getroffen für den christlichen Glauben."
Sabzalian blättert in einer Mappe, in der er die Belege für seinen Glauben mitgebracht hat. Sein Taufschein, Fotos von Besuchen von Gottesdiensten, in Deutschland, in Armenien, in der Türkei.
"Ich hab mich schon vorbereitet ja, aber ich erzähle hier heute einfach die Wahrheit, ich bin Christ, ich sage das, was passiert ist. Ich freue mich einfach, zeigen zu können, dass ich wirklich zum christlichen Glauben übergetreten bin.
In streng muslimischer Familie aufgewachsen
Er ist in einer streng muslimischen Familie aufgewachsen. Alles Islamische sei für ihn mit Zwang behaftet, sagt er. Eher zufällig findet er Jahre später zum Christentum. Als Taxifahrer fährt er einen Christen regelmäßig in eine Untergrundkirche. Seitdem habe sich alles in seinem Leben verändert:
"Wenn ich in den Iran zurückmüsste, käme ich ins Gefängnis, das ist klar. Und trotzdem würde ich auch da die christliche Botschaft verbreiten".
Um 9.30 Uhr beginnt Richter Andreas Mitschke die Verhandlung. Zunächst erklärt er den "rechtlichen Rahmen". Eine Konversion kann Asylgrund sein, wenn sie identitätsprägend ist.
Mitschke muss sich nun eine Meinung bilden: Meint es Sabzalian ernst oder täuscht er die Hinwendung zum Christentum vor? Der Richter will wissen, wie Sabzalian im Iran zum christlichen Glauben gefunden hat. Zögerlich erzählt von seiner Erleuchtungs-Reise nach Armenien, von seiner Verhaftung durch den iranischen Geheimdienst.
Den Glaubenswechsel überzeugend vermitteln
Richter Mitschke unterbricht die Verhandlung, kurze Pause, durchlüften. Wieder beginnen Sabzalians Freunde, auf ihn einzureden. Dann richtet auch der Anwalt das Wort an seinen Mandanten:
"Ich hab ihn auf das, was jetzt kommt, vorbereitet und was er besser machen kann. Weil er sich noch zu sehr versteckt. Er muss mehr aus sich herauskommen und den Richter überzeugen, dass er ohne diese Religion nicht leben kann"
Nach 20 Minuten geht die Verhandlung weiter. Der Richter will wissen, was für ihn am christlichen Glauben wesentlich ist, welche Rituale, welche Feste unverzichtbar. Kurz vor Ende der Verhandlung ruft der Richter Pfarrer Martens hinein und bittet ihn um eine Einschätzung.
"40, 50 Prozent hat er noch eine Chance. Die Formulierung war ein ganz bisschen positiver als sonst. Aber wir hatten Fälle, bei denen es noch sehr viel klarer war als heute - und die alle negativ beschieden wurden am Ende. Hoffen wir, dass wir uns diesmal irren."
Ein Urteil fällt Andreas Mitschke heute nicht. In der Regel kommt die richterliche Entscheidung zwei Wochen später per Post.
"Ich bin sehr froh, dass ich heute hier sein durfte, dass ich zeigen durfte wie sehr ich glaube. Ich glaube, dass ich den Richter überzeugt habe. Dass er mir glaubt", sagt Kamran Sabzalian.