Gefühl von der Wirklichkeit
Börsensäle in Kuwait, politische Massenspektakel in Pjöngjang, Popkonzert oder Formel-1-Rennstrecken: Die Welt, wie sie uns der Fotograf Andreas Gursky präsentiert, wirkt vertraut und fremd zugleich. Jetzt zeigt das Haus der Kunst eine große Schau des Künstlers.
"Früher war es auf jeden Fall so, das meine Bilder sich ergeben haben auf Reisen, auf Spaziergängen, bzw. ich habe mich ganz bewusst eben auch ins Auto gesetzt, hab meine nähere Umgebung erkundschaftet, das Ruhrgebiet. Heute ist es etwas anders. Heute beziehe ich meine Impulse aus den Medien, aus dem Fernsehen, aus dem Internet. Und gehe da etwas strategischer vor."
Früher, damit meint Andreas Gursky die Zeit, als seine Werke auch technisch noch weniger aufwändig waren als heute. Die frühesten in der Ausstellung gezeigten Werke sind Mitte der 80er Jahre entstanden. Damals noch ohne die raffinierten Montagen und Veränderungen am Computer. Heute reist Andreas Gursky für viele seiner Motive sehr weit - und ohne den Computer, wo er Szenen verdichten oder Inhalte entfernen kann, wäre kaum eines der jüngeren Werke denkbar. Börsensäle in Kuwait, politische Massenspektakel in Pjöngjang, Popkonzert oder Formel-1-Rennstrecken: Die Welt, wie sie uns Andreas Gursky präsentiert, wirkt vertraut und fremd zugleich.
"Meine Bilder sind zusammengesetzt aus unterschiedlichstem Material. Das sind natürlich in erster Linie authentische Bilder, die ich selber produziert habe. Es gibt aber auch Versatzstücke, zum Beispiel bei den Formel I Bildern. Da gibt es auch Details, die sind aus dem Internet. Es gibt Details, die ich im Studio fotografiert habe.
Es spielt letztendlich auch keine Rolle, ob der Boxenstopp jetzt real an einer ganz bestimmten Strecke aufgenommen wurde oder ob ich das in einem Filmstudio nachträglich inszeniert hätte. Entscheidend ist der Bildentwurf, den hatte ich in etwa im Kopf, wie das Bild auszusehen hat. Und in dem Fall habe ich eben so gearbeitet, dass ich unterschiedlichste Rennen besucht habe und diese Details dann verarbeitet habe zu einem Ganzen."
So entstehen beeindruckende Kompositionen, detailreicher und interessanter als Fernsehbilder oder Fotoreportagen es je sein könnten.
Überall auf der Welt findet Andreas Gursky seine Motive. Wir gleiten in dieser Ausstellung gewissermaßen einmal über den Globus: von der Cheops Pyramide bis zu den Regalflächen eines Supermarktes; von den Niagara Fällen über thailändische Inseln bis nach Rimini; von einer Autobahnbrücke im Ruhrtal bis in Luxusshops von Prada und Dior; Boxkämpfe, Popkonzerte, Hochhäuser, Müllberge ... Mit Andreas Gursky sind wir in dieser globalisierten Welt überall und doch nirgendwo wirklich. Denn es ist nicht die Wirklichkeit, sondern mehr ein Gefühl von der Wirklichkeit, das in diesen Bildern erscheint. Auch die Zeit wird verdichtet.
"Was stimmt ist, dass ich unterschiedliche Zeitmomente in einem Bild vereine. Und zum Beispiel bei dem Madonna Bild mehr oder weniger das Konzert über zwei Stunden fotografiert habe und Verdichtung auf der Bühne stattfindet. Die Kamera stand aber immer am gleichen Ort. Weil wenn ich den Ort verändert hätte, dann würde gerade eben dieser Effekt entstehen, dass surreale Momente im Bild entstehen, die mit Fotografie nichts mehr zu tun haben."
Fotografien sind es immer, aber manchmal Hunderte in einem Werk. Zusammengefügt wie von magischer Hand. Aus der Ferne wirken manche Werke Gurskys wie abstrakte Kompositionen. Erst bei genauem Hinsehen werden die Details erkennbar. Aus vielen einzelnen Elementen erschafft Andreas Gursky seine eigenen Welten.
"Wenn wir das Bild Montparnasse betrachten, da gibt es ja Hunderte von Apartments in einem Wohnblock und wenn man sich das im mikroskopischen Bereich betrachtet, das Bild, sind das sozusagen eine Anhäufung unterschiedlichster Einzelbilder. Und was für mich das Bild interessant macht, ist das diese Bilder sozusagen gleichzeitig in einem Bild wieder erscheinen."
Tüftelei steckt hinter diesen Werken genauso wie ein großer Entwurf und die Vision von einem möglichen Ganzen. Zu den spektakulären Orten gehört ein Neutrino Labor tief unter der Erde Japans. Hier wird, so Gursky, nach den Anfängen des Weltalls geforscht. Einen thematisch ganz anders gelagerten Raum hat Gursky "Dirty Room" genannt.
"Das ist inhaltlich sehr negativ besetzt. Also es wird Massentierhaltung thematisiert, es sind Billigprodukte in einem Supermarkt zu sehen. Es ist Billigtourismus zu sehen in Rimini und es gibt ein abstraktes Bild, was als Klammer die drei Bilder zusammenhält, das ist die Badematte in einem Düsseldorfer öffentlichen Schwimmbad."
Aber selbst wenn es nur die Badematte ist oder –in einem anderen Werk- die Decke des Plenarsaals von Brasilia. Bei Gursky entfaltet jedes Motiv eine besondere Aura. Alltägliches wird magisch aufgeladen, wird groß, scheinbar unendlich und licht. Als Gesellschaftkritiker sieht sich Andreas Gursky auch bei jenen Motiven nicht, hinter denen man eine solche Botschaft vermuten könnte. So zeigt er ins Grenzenlos ausgedehnte Müllberge, die ebenso grausig wie schön erscheinen. Oder er hat den Luxus von Prada und Dior genauso festgehalten wie die Regale einen 99-Cent-Artikel Ladens.
"Ich denke, dass ich mich da relativ neutral verhalte, weil ich ja sowohl Billigprodukte zeige, als auch Luxusartikel. Ich demonstriere eigentlich nur, was unsere Gesellschaft anzubieten hat."
Andreas Gursky tritt in dieser Ausstellung als großer Bild- und Welterfinder auf. Er ist immer nah genug dran an der Wirklichkeit, dass man seine Visionen ernst nimmt. Darin liegt manchmal das Unheimliche dieser Werke.
Service:
Die Ausstellung "Andreas Gursky" ist bis zum 13. Mai 2007 im Haus der Kunst in München zu sehen.
Früher, damit meint Andreas Gursky die Zeit, als seine Werke auch technisch noch weniger aufwändig waren als heute. Die frühesten in der Ausstellung gezeigten Werke sind Mitte der 80er Jahre entstanden. Damals noch ohne die raffinierten Montagen und Veränderungen am Computer. Heute reist Andreas Gursky für viele seiner Motive sehr weit - und ohne den Computer, wo er Szenen verdichten oder Inhalte entfernen kann, wäre kaum eines der jüngeren Werke denkbar. Börsensäle in Kuwait, politische Massenspektakel in Pjöngjang, Popkonzert oder Formel-1-Rennstrecken: Die Welt, wie sie uns Andreas Gursky präsentiert, wirkt vertraut und fremd zugleich.
"Meine Bilder sind zusammengesetzt aus unterschiedlichstem Material. Das sind natürlich in erster Linie authentische Bilder, die ich selber produziert habe. Es gibt aber auch Versatzstücke, zum Beispiel bei den Formel I Bildern. Da gibt es auch Details, die sind aus dem Internet. Es gibt Details, die ich im Studio fotografiert habe.
Es spielt letztendlich auch keine Rolle, ob der Boxenstopp jetzt real an einer ganz bestimmten Strecke aufgenommen wurde oder ob ich das in einem Filmstudio nachträglich inszeniert hätte. Entscheidend ist der Bildentwurf, den hatte ich in etwa im Kopf, wie das Bild auszusehen hat. Und in dem Fall habe ich eben so gearbeitet, dass ich unterschiedlichste Rennen besucht habe und diese Details dann verarbeitet habe zu einem Ganzen."
So entstehen beeindruckende Kompositionen, detailreicher und interessanter als Fernsehbilder oder Fotoreportagen es je sein könnten.
Überall auf der Welt findet Andreas Gursky seine Motive. Wir gleiten in dieser Ausstellung gewissermaßen einmal über den Globus: von der Cheops Pyramide bis zu den Regalflächen eines Supermarktes; von den Niagara Fällen über thailändische Inseln bis nach Rimini; von einer Autobahnbrücke im Ruhrtal bis in Luxusshops von Prada und Dior; Boxkämpfe, Popkonzerte, Hochhäuser, Müllberge ... Mit Andreas Gursky sind wir in dieser globalisierten Welt überall und doch nirgendwo wirklich. Denn es ist nicht die Wirklichkeit, sondern mehr ein Gefühl von der Wirklichkeit, das in diesen Bildern erscheint. Auch die Zeit wird verdichtet.
"Was stimmt ist, dass ich unterschiedliche Zeitmomente in einem Bild vereine. Und zum Beispiel bei dem Madonna Bild mehr oder weniger das Konzert über zwei Stunden fotografiert habe und Verdichtung auf der Bühne stattfindet. Die Kamera stand aber immer am gleichen Ort. Weil wenn ich den Ort verändert hätte, dann würde gerade eben dieser Effekt entstehen, dass surreale Momente im Bild entstehen, die mit Fotografie nichts mehr zu tun haben."
Fotografien sind es immer, aber manchmal Hunderte in einem Werk. Zusammengefügt wie von magischer Hand. Aus der Ferne wirken manche Werke Gurskys wie abstrakte Kompositionen. Erst bei genauem Hinsehen werden die Details erkennbar. Aus vielen einzelnen Elementen erschafft Andreas Gursky seine eigenen Welten.
"Wenn wir das Bild Montparnasse betrachten, da gibt es ja Hunderte von Apartments in einem Wohnblock und wenn man sich das im mikroskopischen Bereich betrachtet, das Bild, sind das sozusagen eine Anhäufung unterschiedlichster Einzelbilder. Und was für mich das Bild interessant macht, ist das diese Bilder sozusagen gleichzeitig in einem Bild wieder erscheinen."
Tüftelei steckt hinter diesen Werken genauso wie ein großer Entwurf und die Vision von einem möglichen Ganzen. Zu den spektakulären Orten gehört ein Neutrino Labor tief unter der Erde Japans. Hier wird, so Gursky, nach den Anfängen des Weltalls geforscht. Einen thematisch ganz anders gelagerten Raum hat Gursky "Dirty Room" genannt.
"Das ist inhaltlich sehr negativ besetzt. Also es wird Massentierhaltung thematisiert, es sind Billigprodukte in einem Supermarkt zu sehen. Es ist Billigtourismus zu sehen in Rimini und es gibt ein abstraktes Bild, was als Klammer die drei Bilder zusammenhält, das ist die Badematte in einem Düsseldorfer öffentlichen Schwimmbad."
Aber selbst wenn es nur die Badematte ist oder –in einem anderen Werk- die Decke des Plenarsaals von Brasilia. Bei Gursky entfaltet jedes Motiv eine besondere Aura. Alltägliches wird magisch aufgeladen, wird groß, scheinbar unendlich und licht. Als Gesellschaftkritiker sieht sich Andreas Gursky auch bei jenen Motiven nicht, hinter denen man eine solche Botschaft vermuten könnte. So zeigt er ins Grenzenlos ausgedehnte Müllberge, die ebenso grausig wie schön erscheinen. Oder er hat den Luxus von Prada und Dior genauso festgehalten wie die Regale einen 99-Cent-Artikel Ladens.
"Ich denke, dass ich mich da relativ neutral verhalte, weil ich ja sowohl Billigprodukte zeige, als auch Luxusartikel. Ich demonstriere eigentlich nur, was unsere Gesellschaft anzubieten hat."
Andreas Gursky tritt in dieser Ausstellung als großer Bild- und Welterfinder auf. Er ist immer nah genug dran an der Wirklichkeit, dass man seine Visionen ernst nimmt. Darin liegt manchmal das Unheimliche dieser Werke.
Service:
Die Ausstellung "Andreas Gursky" ist bis zum 13. Mai 2007 im Haus der Kunst in München zu sehen.