Gefühlsdschungel vor symbolschwerer Kulisse
Martin Kusej hat in seine erste Saison als Intendant des Münchner Residenztheaters mit einer eigenen Inszenierung von Arthur Schnitzlers "Das weite Land" eröffnet. Mit dabei waren Tobias Moretti und Juliane Köhler in den Hauptrollen.
Bei Schnitzler ist die Seele ein weites Land. Bei Martin Kusej wird aus dem Unterbewussten ein Dickicht, und wer darin eintaucht, kommt meist derangiert wieder heraus, blutig oder zumindest dreckverschmiert.
Dieses Dickicht hängt als üppiger Pflanzenvorhang an der Rückseite eines niedrigen, nackten, nussbaumfarbenen Guckkastens, den Bühnenbildner Martin Zehetgruber in die riesige Bühne des Münchner Residenztheaters eingebaut hat, um sie so beträchtlich zu verkleinern. Ein Ort der kühlen Konventionen im Gegensatz zur wild wuchernden Begierde im Dschungel dahinter: und ein Bühnenraum, der einen intimen Ton zwischen den Figuren erlaubt.
Martin Kusej, der neue Intendant am Bayerischen Staatsschauspiel (das sich künftig nach seiner Hauptspielstätte schlicht "Residenztheater" nenn), hatte ja bereits bei seiner Antritts-Pressekonferenz im Frühjahr für Aufhorchen gesorgt, als er erklärte: zunehmend interessiere ihn die Psychologie von Figuren. Das war insofern überraschend, als man den 50-jährigen Kärnter bisher eher als Mann mit kräftiger Regiepranke kannte.
Mit seiner Münchner Antrittsinszenierung versuchte er sich nun an einer Synthese bewährter Mittel und neuer Neigungen. Herausgekommen ist dabei ein Kammerspiel vor symbolschwerer Kulisse, das nicht den komplett radikalen Bruch zur Linie seiner Vorgängers Dieter Dorn darstellte, den manche sich erhofft hatten.
Neben dem Gefühlsdschungel gibt es unter anderem noch eine Felssteilwand zu sehen, die zwei gefährlich flirtende Menschen erklimmen, sowie ein Geröllfeld – Trümmerfeld einer abgestürzten Liebe, in dem sich ein von Frau und Familie getrennter Mann tummelt wie ein einsamer Wolf. August Zirner spielt diesen Doktor von Aigner als zigarrepaffenden Herren von elder-statesman-hafter Abgeklärtheit.
Von Aigner und seine Frau haben den Schritt vollzogen, den der Glühbirnenfabrikant Friedrich Hofreiter und seine Frau Genia noch scheuen. Die Liebe zueinander ist ihnen längst abhanden gekommen, dennoch wahren sie mühsam den äußeren Anschein, obwohl Hofreiter so fleißig flirtet und Liebschaften auslebet, wie er Leuchtmittel produziert; und obwohl Genia sich beinah auf eine verhängnisvolle Affäre eingelassen hätte, die zum Freitod eines jungen Pianisten führt.
In den Hauptrollen hat Martin Kusej ein fulminantes Schauspielerpaar aufzubieten. Vor allem Tobias Moretti als Hofreiter ist grandios – berechnend anderen gegenüber, unberechenbar in den eigene Handlungen; scheinbar souverän, mit Sarkasmus gegen alle Anfechtungen von außen gewappnet, doch dahinter ist ein große Leere spürbar. Ihm gegenüber Juliane Köhler als seine Frau Genia: herb bis zur Verhärmtheit.
Da auch der Rest des Ensembles gut aufgestellt ist, wäre eigentlich alles angerichtet für großes Schauspielertheater. Die Hoffnung löst sich jedoch nur zum Teil ein. Martin Kusej hat seine Darsteller zu einem psychologisch fein nuancierten Spiel geführt. Der intime Ton aber, den sie perfekt treffen, trägt nicht immer bis ins Publikum.
Zuweilen scheinen die Figuren so unter sich zu agieren, dass es als Zuschauer schwer fällt, emotionalen Zugang zu ihren Nöten zu finden.
Trotz geschickter Verkleinerung der Bühne: der Zuschauerraum des Residenztheater ist groß wie eh und je, und es gilt, auch die Menschen in den hintersten Reihen zu erreichen. Vielleicht fehlt dem neuen Intendanten noch etwas das Gespür für den Raum und seine Notwendigkeiten.
Dennoch: Der Jubel nach dieser sehr ansehnlichen Eröffnungspremiere war groß, kurz vor der Euphorie. München hat Martin Kusej sehr herzlich empfangen.
Dieses Dickicht hängt als üppiger Pflanzenvorhang an der Rückseite eines niedrigen, nackten, nussbaumfarbenen Guckkastens, den Bühnenbildner Martin Zehetgruber in die riesige Bühne des Münchner Residenztheaters eingebaut hat, um sie so beträchtlich zu verkleinern. Ein Ort der kühlen Konventionen im Gegensatz zur wild wuchernden Begierde im Dschungel dahinter: und ein Bühnenraum, der einen intimen Ton zwischen den Figuren erlaubt.
Martin Kusej, der neue Intendant am Bayerischen Staatsschauspiel (das sich künftig nach seiner Hauptspielstätte schlicht "Residenztheater" nenn), hatte ja bereits bei seiner Antritts-Pressekonferenz im Frühjahr für Aufhorchen gesorgt, als er erklärte: zunehmend interessiere ihn die Psychologie von Figuren. Das war insofern überraschend, als man den 50-jährigen Kärnter bisher eher als Mann mit kräftiger Regiepranke kannte.
Mit seiner Münchner Antrittsinszenierung versuchte er sich nun an einer Synthese bewährter Mittel und neuer Neigungen. Herausgekommen ist dabei ein Kammerspiel vor symbolschwerer Kulisse, das nicht den komplett radikalen Bruch zur Linie seiner Vorgängers Dieter Dorn darstellte, den manche sich erhofft hatten.
Neben dem Gefühlsdschungel gibt es unter anderem noch eine Felssteilwand zu sehen, die zwei gefährlich flirtende Menschen erklimmen, sowie ein Geröllfeld – Trümmerfeld einer abgestürzten Liebe, in dem sich ein von Frau und Familie getrennter Mann tummelt wie ein einsamer Wolf. August Zirner spielt diesen Doktor von Aigner als zigarrepaffenden Herren von elder-statesman-hafter Abgeklärtheit.
Von Aigner und seine Frau haben den Schritt vollzogen, den der Glühbirnenfabrikant Friedrich Hofreiter und seine Frau Genia noch scheuen. Die Liebe zueinander ist ihnen längst abhanden gekommen, dennoch wahren sie mühsam den äußeren Anschein, obwohl Hofreiter so fleißig flirtet und Liebschaften auslebet, wie er Leuchtmittel produziert; und obwohl Genia sich beinah auf eine verhängnisvolle Affäre eingelassen hätte, die zum Freitod eines jungen Pianisten führt.
In den Hauptrollen hat Martin Kusej ein fulminantes Schauspielerpaar aufzubieten. Vor allem Tobias Moretti als Hofreiter ist grandios – berechnend anderen gegenüber, unberechenbar in den eigene Handlungen; scheinbar souverän, mit Sarkasmus gegen alle Anfechtungen von außen gewappnet, doch dahinter ist ein große Leere spürbar. Ihm gegenüber Juliane Köhler als seine Frau Genia: herb bis zur Verhärmtheit.
Da auch der Rest des Ensembles gut aufgestellt ist, wäre eigentlich alles angerichtet für großes Schauspielertheater. Die Hoffnung löst sich jedoch nur zum Teil ein. Martin Kusej hat seine Darsteller zu einem psychologisch fein nuancierten Spiel geführt. Der intime Ton aber, den sie perfekt treffen, trägt nicht immer bis ins Publikum.
Zuweilen scheinen die Figuren so unter sich zu agieren, dass es als Zuschauer schwer fällt, emotionalen Zugang zu ihren Nöten zu finden.
Trotz geschickter Verkleinerung der Bühne: der Zuschauerraum des Residenztheater ist groß wie eh und je, und es gilt, auch die Menschen in den hintersten Reihen zu erreichen. Vielleicht fehlt dem neuen Intendanten noch etwas das Gespür für den Raum und seine Notwendigkeiten.
Dennoch: Der Jubel nach dieser sehr ansehnlichen Eröffnungspremiere war groß, kurz vor der Euphorie. München hat Martin Kusej sehr herzlich empfangen.