Gegen das Vergessen der Tradition
Das Wissen um den wichtigsten jüdischen Feiertag, den Schabbat, ist nie verloren gegangen - aber wie man ihn genau begeht, fiel in weiten Teilen Europas der Schoah zum Opfer. Das Buch "Schabbat haMalka - Königin der Jontefftage" soll diese Lücke schließen.
Wenn Kantor Jalda Rebling das wohl berühmteste aller Schabbat-Lieder singt, so glaubt man, eine uralte Weise zu hören, doch wurde es in der heute meistverbreiteten Form erst 1918 vertont. Es leitet den wichtigsten aller jüdischen Feiertage ein, den wöchentlichen Ruhetag Schabbat.
Das Wissen um diesen ältesten Feiertag ist nie verloren gegangen, aber wie genau man ihn begeht, das fiel in Deutschland und weiten Teilen Europas der Schoa zum Opfer. Diese Lücke zu schließen ist das Anliegen eines kleinen Büchleins, das Nea Weissberg-Bob gemeinsam mit Jalda Rebling, der Künstlerin Anna Adam und der Soziologin Rachel Herweg liebevoll geschrieben und gestaltet hat. Und mit dem sie zugleich auch eine schmerzliche Lücke in ihren ganz persönlichen Lebenswegen schließen wollen.
"Viele haben es eben nicht zu Hause erlebt. Sondern da gibt es einen Traum von irgendwelchen Großeltern, die wir nie erlebt haben, die nie da waren.
In der Geschichte spielen die Großeltern eine Rolle, also es findet alles im Haus der Großeltern statt, die Geschichte ist ein Traum - von einer, ja, von einer jüdischen Familie, so wie wir sie eigentlich nie erlebt haben."
Der Verlust von Familienmitgliedern ging oft auch einher mit dem Verdrängen der Tradition. Was in anderen Gemeinschaften ganz natürlich von Generation zu Generation weitergegeben wurde, fangen viele Juden erst heute und als Erwachsene wieder zu lernen an, wie Jalda Rebling in unzähligen Gesprächen erfahren hat:
"Ein Mann, der mich anspricht und mir sagt, ja, seine Mutter ist aus Czernowitz gekommen und die hat immer die Lichter gebenscht Freitagabend, und jetzt ist ja seine Mama nicht mehr da, ob es ihm denn erlaubt sei, am Schabbes die Lichter zu benschen?
Und ich habe ihn gefragt, wer kann es Ihnen verbieten, die Lichter zu benschen, wenn Sie das machen wollen? Also es gibt viele Juden, die nicht wissen, wie man Schabbes macht, offensichtlich."
Den Samstag als etwas ganz Besonderes hat Jalda Rebling zwar in ihrem Elternhaus erlebt, aber explizit jüdisch habe sie dies nicht empfunden. Dieses bewusste Gefühl erlebte sie erst in den 80er-Jahren bei einem Besuch in der Familie von Rabbiner Marcel Marcus in der Schweiz:
"Es war Seuda Schlischit-Zeit, also es war am Nachmittag, und die Jana Marcus nahm ihre Hände und klopfte damit auf den Tisch und sagte, dieser Tisch hier, dieser Küchentisch, das ist mein Judentum. Und über diese Äußerung habe ich einfach verstanden, wie viel Jüdischkeit in diesem Samstag … ja, Mahl in unserem Familienleben eigentlich lag.
Das Verstehen, dieses zusammen am Tisch sitzen, zusammen essen und an diesem Tisch miteinander die Sorgen teilen und die Welt diskutieren und sich streiten und wieder vertragen und lachen und weinen und alles gehörte an diesen Tisch, also was so ein Küchentisch in der jüdischen Familie eigentlich ausmacht."
Genau in eine solche Atmosphäre entführen uns Nea Weissberg-Bob und Jalda Rebling mit ihrer Geschichte. Wir erfahren so detailliert, wie verschiedenen Speisen zubereitet werden, dass man fast schon die goldglänzende Hühnersuppe oder das frisch gebackene Brot zu riechen meint. Die geschilderte Familie pflegt den polnisch-aschkenasischen Ritus - eine der unzähligen Arten, jüdisch und glücklich zu sein:
"Und wenn es üblich war, Kabbalat Schabbat mit Lichter-Benschen und Kiddusch und allem Drum und Dran zu machen und es wird hinterher nicht gebenscht, dann sagt man traditionell natürlich, naja, aber so geht es eigentlich nicht - aber nu?
Wenn das in den Familien so üblich war, wo ist das Problem? Also bewahr dir ein Stückchen Jüdischkeit - ’schamor we sachor wa jekadschehu’, also hüte, gedenke und heilige den Schabbat, mach ihn besonders."
Wie sehr der Schabbat ein Tag nicht nur der Ruhe, sondern auch der Freude ist, vermittelt das Büchlein über die Königin der Jontefftage. In einer Version für Erwachsene mit einem Glossar, in dem die religiösen Hintergründe und auch die zum Teil verwendeten jiddischen Worte erklärt werden.
Und noch einmal aus der Perspektive der kleinen Deborah, die sich vor allem an Kinder wendet und ein wenig dem Mangel an jüdischer Literatur für die jüngsten Leser abhelfen will. Und schließlich wird dem Buch dank der Stiftung "Zurückgeben” auch noch eine CD beigefügt:
"Weil wir haben hier Liedtexte abgedruckt, und da habe ich gesagt, also das ist ja absurd, also da müssen wir auch die Sachen aufnehmen, damit die Leute wissen, wie das klingt.
Und die Stiftung 'Zurückgeben' hat sich an der Produktion dieser CD beteiligt, die ist noch nicht ganz fertig, aber zur Buchpremiere am 7. Oktober im Centrum Judaicum in Berlin wird sie da sein."
Geht es nach den Autorinnen, soll "Schabbat haMalka” kein Einzelwerk bleiben, Ideen für weitere Bücher rund um jüdisches Leben liegen schon auf den Küchentischen. Denn Judentum macht auch Spaß, wie Jalda Rebling schmunzelnd versichert:
"Aber es ist auch spannend, dass wir vier Frauen sind in der Generation, deren Eltern jetzt gegangen sind oder dabei sind, zu gehen, also wir begreifen, jetzt sind wir die Eltern-Generation, was haben wir unseren Kindern hinterlassen?
Oder die wir plötzlich feststellen, das und das und das habe ich ja vergessen zu fragen, wie geht denn das eigentlich, ja? Das Kochrezept - das war immer selbstverständlich da, aber ich habe ja nie gefragt, wie ich es machen soll, wie kriege ich das jetzt hin, ohne dass ich fragen kann?
Dieses Übernehmen der Verantwortung und was haben wir unseren Kindern wirklich zu hinterlassen? Vielleicht ist das auch ein Aspekt, warum gerade jetzt dieses Buch erscheint."
Das Wissen um diesen ältesten Feiertag ist nie verloren gegangen, aber wie genau man ihn begeht, das fiel in Deutschland und weiten Teilen Europas der Schoa zum Opfer. Diese Lücke zu schließen ist das Anliegen eines kleinen Büchleins, das Nea Weissberg-Bob gemeinsam mit Jalda Rebling, der Künstlerin Anna Adam und der Soziologin Rachel Herweg liebevoll geschrieben und gestaltet hat. Und mit dem sie zugleich auch eine schmerzliche Lücke in ihren ganz persönlichen Lebenswegen schließen wollen.
"Viele haben es eben nicht zu Hause erlebt. Sondern da gibt es einen Traum von irgendwelchen Großeltern, die wir nie erlebt haben, die nie da waren.
In der Geschichte spielen die Großeltern eine Rolle, also es findet alles im Haus der Großeltern statt, die Geschichte ist ein Traum - von einer, ja, von einer jüdischen Familie, so wie wir sie eigentlich nie erlebt haben."
Der Verlust von Familienmitgliedern ging oft auch einher mit dem Verdrängen der Tradition. Was in anderen Gemeinschaften ganz natürlich von Generation zu Generation weitergegeben wurde, fangen viele Juden erst heute und als Erwachsene wieder zu lernen an, wie Jalda Rebling in unzähligen Gesprächen erfahren hat:
"Ein Mann, der mich anspricht und mir sagt, ja, seine Mutter ist aus Czernowitz gekommen und die hat immer die Lichter gebenscht Freitagabend, und jetzt ist ja seine Mama nicht mehr da, ob es ihm denn erlaubt sei, am Schabbes die Lichter zu benschen?
Und ich habe ihn gefragt, wer kann es Ihnen verbieten, die Lichter zu benschen, wenn Sie das machen wollen? Also es gibt viele Juden, die nicht wissen, wie man Schabbes macht, offensichtlich."
Den Samstag als etwas ganz Besonderes hat Jalda Rebling zwar in ihrem Elternhaus erlebt, aber explizit jüdisch habe sie dies nicht empfunden. Dieses bewusste Gefühl erlebte sie erst in den 80er-Jahren bei einem Besuch in der Familie von Rabbiner Marcel Marcus in der Schweiz:
"Es war Seuda Schlischit-Zeit, also es war am Nachmittag, und die Jana Marcus nahm ihre Hände und klopfte damit auf den Tisch und sagte, dieser Tisch hier, dieser Küchentisch, das ist mein Judentum. Und über diese Äußerung habe ich einfach verstanden, wie viel Jüdischkeit in diesem Samstag … ja, Mahl in unserem Familienleben eigentlich lag.
Das Verstehen, dieses zusammen am Tisch sitzen, zusammen essen und an diesem Tisch miteinander die Sorgen teilen und die Welt diskutieren und sich streiten und wieder vertragen und lachen und weinen und alles gehörte an diesen Tisch, also was so ein Küchentisch in der jüdischen Familie eigentlich ausmacht."
Genau in eine solche Atmosphäre entführen uns Nea Weissberg-Bob und Jalda Rebling mit ihrer Geschichte. Wir erfahren so detailliert, wie verschiedenen Speisen zubereitet werden, dass man fast schon die goldglänzende Hühnersuppe oder das frisch gebackene Brot zu riechen meint. Die geschilderte Familie pflegt den polnisch-aschkenasischen Ritus - eine der unzähligen Arten, jüdisch und glücklich zu sein:
"Und wenn es üblich war, Kabbalat Schabbat mit Lichter-Benschen und Kiddusch und allem Drum und Dran zu machen und es wird hinterher nicht gebenscht, dann sagt man traditionell natürlich, naja, aber so geht es eigentlich nicht - aber nu?
Wenn das in den Familien so üblich war, wo ist das Problem? Also bewahr dir ein Stückchen Jüdischkeit - ’schamor we sachor wa jekadschehu’, also hüte, gedenke und heilige den Schabbat, mach ihn besonders."
Wie sehr der Schabbat ein Tag nicht nur der Ruhe, sondern auch der Freude ist, vermittelt das Büchlein über die Königin der Jontefftage. In einer Version für Erwachsene mit einem Glossar, in dem die religiösen Hintergründe und auch die zum Teil verwendeten jiddischen Worte erklärt werden.
Und noch einmal aus der Perspektive der kleinen Deborah, die sich vor allem an Kinder wendet und ein wenig dem Mangel an jüdischer Literatur für die jüngsten Leser abhelfen will. Und schließlich wird dem Buch dank der Stiftung "Zurückgeben” auch noch eine CD beigefügt:
"Weil wir haben hier Liedtexte abgedruckt, und da habe ich gesagt, also das ist ja absurd, also da müssen wir auch die Sachen aufnehmen, damit die Leute wissen, wie das klingt.
Und die Stiftung 'Zurückgeben' hat sich an der Produktion dieser CD beteiligt, die ist noch nicht ganz fertig, aber zur Buchpremiere am 7. Oktober im Centrum Judaicum in Berlin wird sie da sein."
Geht es nach den Autorinnen, soll "Schabbat haMalka” kein Einzelwerk bleiben, Ideen für weitere Bücher rund um jüdisches Leben liegen schon auf den Küchentischen. Denn Judentum macht auch Spaß, wie Jalda Rebling schmunzelnd versichert:
"Aber es ist auch spannend, dass wir vier Frauen sind in der Generation, deren Eltern jetzt gegangen sind oder dabei sind, zu gehen, also wir begreifen, jetzt sind wir die Eltern-Generation, was haben wir unseren Kindern hinterlassen?
Oder die wir plötzlich feststellen, das und das und das habe ich ja vergessen zu fragen, wie geht denn das eigentlich, ja? Das Kochrezept - das war immer selbstverständlich da, aber ich habe ja nie gefragt, wie ich es machen soll, wie kriege ich das jetzt hin, ohne dass ich fragen kann?
Dieses Übernehmen der Verantwortung und was haben wir unseren Kindern wirklich zu hinterlassen? Vielleicht ist das auch ein Aspekt, warum gerade jetzt dieses Buch erscheint."