Gegen den Krieg
Fiona Shaw hat als Filmstar die ganze Welt bezaubert, spätestens als Tante in "Harry Potter". Überdies ist die irische Aktrice eine erfahrene Bühnendarstellerin. Jetzt spielte sie die Titelrolle in Brechts "Mutter Courage und ihre Kinder" in London.
Natürlich im besten Haus am Platze, im mutmaßlich besten englischsprachigen Theater der Welt überhaupt, im RNT, dem Royal National Theatre.
Fiona Shaw zeigt, wie Mutter Courage ihre Zuversicht, ihre Kraft, ja, das meiste ihrer Courage verliert in den zehn Jahren, die das Publikum sie beobachtet. Der 30-jährige Krieg fordert seinen Tribut, Fiona Shaw zeigt es körpersprachlich: die energiegeladene Marketenderin am Anfang stark, aufrecht, dynamisch, verwandelt sich Schritt für Schritt in eine gebrochene Frau, die drei Kinder im Krieg verloren hat, ein Schatten ihrer selbst, müde, gebeugt, kaum fähig, ihren Karren zu ziehen.
Gleichzeitig spielt Fiona Shaw, ganz im Sinne Brechts, die Gestalt episch - das heißt distanziert. Mutter Courage meint, sie könne im Krieg ihren Schnitt machen, Fiona Shaw weiß es besser. Sie zeigt oft und deutlich, dass sie nicht Mutter Courage ist, sondern eine Schauspielerin die eine Rolle spielt - und die vor dem Irrtum Mutter Courages warnt. Sie vermittelt die Botschaft des Stücks: Nie wieder Krieg!
Die Lehre ist uralt und brandaktuell gleichzeitig. Deborah Warner aktualisiert in ihrer Inszenierung - beide Kriege sind gemeint, der historische, der 30-jährige Krieg - und der Irakkrieg. Mutter Courage trägt Jeans und T-Shirt, die Soldaten Uniformen von heute und Schnellfeuergewehre, gleichwohl wird vom 30-jährigen Krieg geredet. Nichts gelernt, alle Lektionen vergessen.
Bertolt Brecht, bei uns zurzeit nicht sonderlich von den Theatern geschätzt (obwohl jetzt in Krisenzeiten wieder zunehmend gespielt), wird in der Englisch sprechenden Welt als einer der bedeutendsten Dramatiker des 20. Jahrhunderts geehrt - nicht nur in England, Schottland, Wales und Irland, auch in den USA, in Kanada und Australien. Mitunter wird er mit Shakespeare in einem Atemzug genannt. Aber die Briten fühlen sich natürlich und mit gutem Recht als Sieger im Zweiten Weltkrieg. Umso schmerzlicher ist es, an eine Niederlage im Irak zu denken. Und jetzt die Warnung vor einem sich lange hinziehenden Krieg von einem deutschen Dramatiker zu hören - da mutet das RNT seinem Publikum einiges zu. Umso erstaunlicher, dass der Beifall begeistert und einhellig war.
Tony Kushner hat den Text übersetzt - dem US-Dramatiker gelang, das Lakonische zu treffen wie das Volkstümliche. Mutter Courage und ihre Bekannten sprechen kein grammatisch einwandfreies Deutsch - ähnlich klang es im Olivier, dem großen Haus des RNT - wo man sonst meistens einwandfreies Oxford-, wenn nicht Queensenglisch hört. Dadurch wird der Charakter der "Chronik aus dem 30-jährigen Krieg" als Volksstück unterstrichen - Kushner ist ein Meisterstück geglückt.
Die Inszenierung wäre Spitze gewesen, wenn nicht die Musik gepatzt hätte. Statt der Kompositionen von Paul Dessau, die in Deutschland meistens gewählt wurden, spielte Duke Special and the Band neue Pop- und Rockklänge live ein. Die Musik schmiegte sich nicht dem Text an, die Schauspieler kamen nicht mit der Band zurecht, nicht einmal Fiona Shaw. Das letzte Lied der Courage musste der Bandleader singen. Eine unübersehbare Schwäche.
Deborah Warners Inszenierung bewahrt den Kern von Brechts Antikriegsstück und bringt die didaktische Absicht des Stückeschreibers optimal über die Rampe: Nicht Mutter Courage soll lernen, sondern das Publikum. Mit diesem Lehrstück über und gegen den Krieg bezieht das Royal National Theatre Position - ein Theaterbeitrag zur Debatte auf der Insel über und gegen den Krieg im Irak auf europäischem Niveau - wäre da nicht der Patzer mit der Musik.
Aufführungen vom 21. - 27. Sept., 2. - 11. Okt.
Kartentelefon: 0044 20 7452 3000 - Internet: www.nationaltheatre.org.uk
Fiona Shaw zeigt, wie Mutter Courage ihre Zuversicht, ihre Kraft, ja, das meiste ihrer Courage verliert in den zehn Jahren, die das Publikum sie beobachtet. Der 30-jährige Krieg fordert seinen Tribut, Fiona Shaw zeigt es körpersprachlich: die energiegeladene Marketenderin am Anfang stark, aufrecht, dynamisch, verwandelt sich Schritt für Schritt in eine gebrochene Frau, die drei Kinder im Krieg verloren hat, ein Schatten ihrer selbst, müde, gebeugt, kaum fähig, ihren Karren zu ziehen.
Gleichzeitig spielt Fiona Shaw, ganz im Sinne Brechts, die Gestalt episch - das heißt distanziert. Mutter Courage meint, sie könne im Krieg ihren Schnitt machen, Fiona Shaw weiß es besser. Sie zeigt oft und deutlich, dass sie nicht Mutter Courage ist, sondern eine Schauspielerin die eine Rolle spielt - und die vor dem Irrtum Mutter Courages warnt. Sie vermittelt die Botschaft des Stücks: Nie wieder Krieg!
Die Lehre ist uralt und brandaktuell gleichzeitig. Deborah Warner aktualisiert in ihrer Inszenierung - beide Kriege sind gemeint, der historische, der 30-jährige Krieg - und der Irakkrieg. Mutter Courage trägt Jeans und T-Shirt, die Soldaten Uniformen von heute und Schnellfeuergewehre, gleichwohl wird vom 30-jährigen Krieg geredet. Nichts gelernt, alle Lektionen vergessen.
Bertolt Brecht, bei uns zurzeit nicht sonderlich von den Theatern geschätzt (obwohl jetzt in Krisenzeiten wieder zunehmend gespielt), wird in der Englisch sprechenden Welt als einer der bedeutendsten Dramatiker des 20. Jahrhunderts geehrt - nicht nur in England, Schottland, Wales und Irland, auch in den USA, in Kanada und Australien. Mitunter wird er mit Shakespeare in einem Atemzug genannt. Aber die Briten fühlen sich natürlich und mit gutem Recht als Sieger im Zweiten Weltkrieg. Umso schmerzlicher ist es, an eine Niederlage im Irak zu denken. Und jetzt die Warnung vor einem sich lange hinziehenden Krieg von einem deutschen Dramatiker zu hören - da mutet das RNT seinem Publikum einiges zu. Umso erstaunlicher, dass der Beifall begeistert und einhellig war.
Tony Kushner hat den Text übersetzt - dem US-Dramatiker gelang, das Lakonische zu treffen wie das Volkstümliche. Mutter Courage und ihre Bekannten sprechen kein grammatisch einwandfreies Deutsch - ähnlich klang es im Olivier, dem großen Haus des RNT - wo man sonst meistens einwandfreies Oxford-, wenn nicht Queensenglisch hört. Dadurch wird der Charakter der "Chronik aus dem 30-jährigen Krieg" als Volksstück unterstrichen - Kushner ist ein Meisterstück geglückt.
Die Inszenierung wäre Spitze gewesen, wenn nicht die Musik gepatzt hätte. Statt der Kompositionen von Paul Dessau, die in Deutschland meistens gewählt wurden, spielte Duke Special and the Band neue Pop- und Rockklänge live ein. Die Musik schmiegte sich nicht dem Text an, die Schauspieler kamen nicht mit der Band zurecht, nicht einmal Fiona Shaw. Das letzte Lied der Courage musste der Bandleader singen. Eine unübersehbare Schwäche.
Deborah Warners Inszenierung bewahrt den Kern von Brechts Antikriegsstück und bringt die didaktische Absicht des Stückeschreibers optimal über die Rampe: Nicht Mutter Courage soll lernen, sondern das Publikum. Mit diesem Lehrstück über und gegen den Krieg bezieht das Royal National Theatre Position - ein Theaterbeitrag zur Debatte auf der Insel über und gegen den Krieg im Irak auf europäischem Niveau - wäre da nicht der Patzer mit der Musik.
Aufführungen vom 21. - 27. Sept., 2. - 11. Okt.
Kartentelefon: 0044 20 7452 3000 - Internet: www.nationaltheatre.org.uk