Gegen die Ignoranz der Berliner Landespolitik

Von Carsten Probst |
Max Liebermanns Sommeranwesen am Berliner Wannsee diente dem Maler als Refugium und stiller Ort der Inspiration. Die jetzt weitgehend abgeschlossene Restaurierung lässt dieses in einem neuen Glanz erstrahlen. Dennoch muss man sich fragen, weshalb es über siebzig Jahre seit Liebermanns Tod gedauert hat, dass das Ensemble dem Publikum als Ort der Kunst geöffnet wird.
Das Besondere am restaurierten Liebermann Haus muss man heute vermutlich weniger in der äußerlichen Wiederherstellung eines idyllischen Fleckchens am Berliner Wannsee sehen, sondern in der jahrelangen, aufreibenden Vorgeschichte, während der das Haus nur unter größten Anstrengungen wieder ins öffentliche Gedächtnis zurückgeholt wurde.

"Natürlich überwiegt die Freude, das ist ganz klar. Wir haben hier, glaube ich, was Wunderbares geschaffen, was einer Bürgerschaftsinitiative so vergleichbar bisher wohl selten gelungen ist, dass man also … bestehenden Verhältnissen etwas abgetrotzt hat, was nie jemand so für möglich gehalten hat,"

sagt die Kunsthistorikerin Anke Stemmann, die zugleich auch die Vorsitzende der Max-Liebermann-Gesellschaft ist, die sich 1995 gegründet hat. Aus Protest, wie Stemmann heute sagt, gegen die permanente Ignoranz der Berliner Landespolitik gegenüber dem Erbe des vielleicht bekanntesten Malers der Stadt. Eine Ignoranz, die sich im Grunde als ein echtes Stück Westberliner Nachkriegskultur bis in die Zeit nach dem Mauerfall fortgesetzt hat. Abgesehen davon, dass das Sommerhaus Liebermanns am Wannsee ein äußerst bemerkenswertes architektonisches Kleinod seiner Zeit ist, eignet es sich heute gerade auch als Denkmal für die systematische Enteignungspolitik der Nazis am jüdischen Großbürgertum.

Fünf Jahre nach dem Tod des Malers 1935 war seine Witwe Martha Liebermann gezwungen worden, das Haus an das Deutsche Reich zu verkaufen, wobei der ohnehin lächerliche Erlös vom Staat sofort eingezogen wurde. Die Nazis machten aus der Immobilie eine ihrer so genannten "Schulungsburgen", eine Art Landverschickung, bei der der junge Parteinachwuchs auf Linie gebracht wurde. Als Martha Liebermann 1943 ihren Deportationsbescheid nach Theresienstadt erhielt, nahm sie sich, fünfundachtzigjährig, das Leben.

Nach dem Krieg wurde der Haus- und Grundbesitz zwar an die Erben zurückgegeben, schon Ende der fünfziger Jahre jedoch wieder vom Westberliner Senat angekauft, um es dem Bezirk Wannsee als Krankenhaus zur Verfügung zu stellen. In Liebermanns Atelier wurde künftig operiert, das frühere Bad wurde zum Sterbezimmer umfunktioniert. In den siebziger Jahren folgte die inzwischen als Groteske belächelte Episode mit den Froschmännern, als der Berliner Tauch-Club einzog - ein Zustand, der sich mit dem Segen der Bezirksversammlung jedoch als überaus zählebiges Provisorium erwies.

"Der Tauchsportclub, der hier also ansässig war, sollte ja um weitere zwanzig Jahre dieses Vereinsheim … verpachtet bekommen, und dieser Pachtvertrag wurde auch tatsächlich geschlossen, mit der Klausel darin, dass also ein Ersatzgrundstück gefunden wird. Und das hat dann noch mal sieben Jahre gedauert. Sieben Jahre hat man also gerungen, bis es dann 2002 soweit war und die Liebermann-Gesellschaft hier im Herbst einziehen konnte."

Ein wenig also trügt die Blumen- und See-Idylle, die die oft älteren Besucher des nun wieder wie aus dem Ei gepellten Grundstücks in allererster Linie bewundern. Eine kleine Ausstellung mit Texttafeln und Vitrinen im Erdgeschoß enthüllt zwar die Geschichte des Hauses, doch der Rundgang über das Grundstück stellt naturgemäß Liebermanns Kunst in den Vordergrund, für die er hier ja nachweisliche Inspirationen gesammelt hat. Die sensiblen Restaurierungen unter Leitung der Berliner Architekten Nedelykov und Moreira konzentrierten sich denn auch auf die Wiederherstellung der Zusammenwirkung von Innen- und Außenräumen, der Durchsichten durch das Haus vom vorderen Garten zur großen Wiese vor dem See. Besonderer Reizpunkt ist die von Liebermann selbst ausgemalte Loggia.

"Die Loggia ist natürlich ein ganz besonderes Bonbon in dieser ganzen Geschichte, allerdings ein Bindeglied zwischen Innenraum, Außenraum. Wir sind natürlich auch stolz auf den Garten, wir haben viele Spuren im Garten entdeckt, die wir wieder hergestellt, wieder nutzbar gemacht haben, der Garten war ja nur rudimentär noch vorhanden, … und da gehört die Loggia natürlich mit dem ersten Liebermann, den wir also hier im Haus hatten, dem ersten echten Liebermann, dazu, und auch die Restaurierung dieses Wandgemäldes stimmt uns ganz besonders froh."

Der Garten wiederum, unter fachmännischer Mitwirkung von Alfred Lichtwark, dem damaligen Direktor der Hamburger Kunsthalle, geplant, ließ sich anhand der zahlreichen Liebermannschen Skizzen und Gemälde rekonstruieren, sozusagen eine Naturschöpfung aus dem Geiste der Kunst. Anke Stemmann:


"Liebermann hat wirklich, da gibt es auch Zitate von ihm, er hat also bei Förster stundenlang gesessen, bei dem Karl Förster, dem berühmten Staudenzüchter in Potsdam, und hat also ein ganz bestimmtes Blau eines Rittersporns gesucht, um dieses Blau auch malen zu können. Er hat also den Garten wirklich so komponiert, dass er ihn hinterher auch umsetzen konnte, … in einer sehr freien, natürlich interpretativen Weise … - aber wir haben sehr viele Anlässe. Und ein geübtes Auge kann natürlich auf den Bildern erkennen, um welche Pflanzen es sich handelt. Wir haben, was die Gartenanlage und die Rekonstruktion … angeht, in einigen Teilen war gar nichts mehr vorhanden, haben wir also auch bis hin zu archäologischen Untersuchungen … unternommen, um rauszufinden, wo gingen die Wege lang, … der Weg ist richtig oder da ging er doch ein bisschen anders, aber im Großen und Ganzen ist die Anlage so wiederhergestellt, wie sie doch auch mal war."

Freilich bleiben noch immer Lücken. Die so genannten Drei Gärten, die Liebermann als kleine, geormetrische Hecken- und Blumenanlagen konzipiert hatte, sind nach wie vor ein Torso, solange dieser Teil des Grundstücks noch an den benachbarten Segelclub verpachtet ist. Hier hat der Bezirk erst 2003 noch einmal zugeschlagen und den auslaufenden Pachtvertrag bis 2016 verlängert. Immerhin - ein Teilerfolg für die Kulturverhinderer.