Gegen Fracking in Schleswig-Holstein

Mit einem Volksbegehren für sauberes Wasser

08:51 Minuten
Vor einem Transparent mit der Aufschrift "Frackt euch selber" stehen Demonstranten vor dem Landeshaus in Kiel. Ein breites Bündnis aus Organisationen, Initiativen und Parteien startet hier das Volksbegehren zum Schutz des Wassers.
Anfang September startete ein Bündnis aus Organisationen, Initiativen und Parteien das Volksbegehren zum Schutz des Wassers in Kiel. © picture alliance / Carsten Rehder / dpa
Von Johannes Kulms |
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"Frackt euch selber" lautet der Slogan für ein Volksbegehren, mit dem ein Bündnis das Wasser in Schleswig-Holstein schützen will. Ob aber ein Verbot des Frackings zur Ölförderung auf Landesebene durchgesetzt werden kann, ist rechtlich umstritten.
Der Strand von Schwedeneck ist menschenleer an diesem Nachmittag. Dabei ist der Ort idyllisch und die Aussicht über die Eckernförder Bucht herrlich! Und das gerade mal 20 Kilometer von Kiel entfernt.
Doch das norddeutsche Schmuddelwetter lässt die Leute zu Hause bleiben. Auch Linda Maria Koldau, die ein paar hundert Meter oberhalb des Strandes an einem langen Tisch sitzt und gerade ihre Meerschweinchen in Sicherheit gebracht hat.
"Wir sehen unsere geliebte Eckernförder Bucht, wo übrigens auch Schweinswale herumschwimmen", sagt sie. "Also schützenswerte Tiere. Und wir sehen die Küste von Schwansen. Also letzten Endes die Landstriche, die so hochgehen zur dänischen Küste, und ja, eine einfach unglaublich schöne und einmalige Landschaft sind. Und eben auch für uns Menschen, die hier wohnen aber auch die Besucher, die wir hier bekommen, einen unglaublichen Erholungswert haben. Also, es ist ein ganz großer Schatz."

Ölsucher haben Eckernförder Bucht im Visier

Ein Schatz, der aber nicht nur für Erholungssuchende da ist. Sondern auch für die Ölsucher. Haben sich zumindest lange Zeit die Konzerne gesagt und jahrzehntelang Öl gefördert, mitten in der Eckernförder Bucht.
Fußgänger spazieren in Schwedeneck entlang der Steilküste am Ostseestrand
Blick von der Steilküste über den Strand von Schwedeneck in Schleswig-Holstein© picture alliance / dpa / Frank Molter
"Ja, für die Bevölkerung war das normal", erzählt Linda Maria Koldau, "weil man ja sowieso alles akzeptierte, was gemacht wurde. Es hat Unfälle gegeben, es wurden Felder verunreinigt mit Öl. Und es kam ja auch 2016 raus, dass es noch eine ganze Reihe von unbekannten Bohrschlammgruben mit giftigen Stoffen gibt. Und es wurde auch 26 Mal gefrackt. Also, alles Dinge, die wir heute einfach nicht mehr wünschen."
Als vor einigen Jahren der Mineralölkonzern DEA für weitere Bohrungen das eigentlich schon ziemlich leer gepumpte Schwedeneck wieder ins Visier nahm, waren viele Menschen hier aufgeschreckt. Linda Maria Koldau gründete zusammen mit anderen die Bürgerinitiative "Hände weg von Schwedeneck".
Wie in anderen Regionen von Schleswig-Holstein wurden auch auf der Halbinsel gelb angestrichene Stühle an den Straßenrand gestellt. Als Zeichen des Protests, die vor allem eine Botschaft transportieren sollen: Hier ist kein Platz für Fracking.

Zusage ist rechtlich nicht bindend

"Wir haben ja das Feld Schwedeneck See", sagt Linda Maria Koldau. "Und da wurde damals, wo Jahrzehnte lang Öl gefördert wurde, alles rausgeholt, was erreichbar war. Inzwischen hat sich eben die Technologie so verändert, dass man durch Horizontalbohrungen dann unter der See inzwischen auch an den Rest dieses Feldes rankommt. Und das wollte eben die DEA ausnutzen. Und wir wissen aber, dass dieser Rest des Feldes, das ist so wenig Öl. Dafür würde es sich nicht lohnen, eine neue Ölstation aufzubauen, eine neue Förderstation mit Pipeline und allem Drum und Dran. Wir wissen auch, dass unter dieser Schicht, wo das Öl liegt, eine ölreiche Schieferschicht ist.
Und da liegt es eben nahe, dass es im Interesse eines Unternehmens wäre, dann anhand von Fracking das Öl rauszuholen. Die DEA hat natürlich gesagt, sie will nicht fracken. Aber diese Aussagen sind rechtlich nicht bindend und es kann keiner mehr einem Unternehmen reinreden, wenn es erst mal angefangen hat mit der Förderung, wie es fördert. Und das ist eben unser Wunsch auch heute des Volksbegehrens, da einen Riegel vorzuschieben, dass in Schleswig-Holstein definitiv nicht gefrackt wird."
Seit Jahren sind nicht nur Koldau und die Bürgerinitiative aus Schwedeneck an dem Thema dran. Längst hat sich eine Volksinitiative gebildet mit der Forderung, Fracking in Schleswig-Holstein per Gesetz zu verbieten. Im vergangenen Jahr wurden dafür rund 42.000 Unterschriften gesammelt und an den Landtag übergeben.

Fracking-Verbot nur auf Bundesebene möglich?

Landesregierung und Landtag haben schon länger Sympathien für die Forderung durchblicken lassen. Doch um das Vorhaben auch juristisch ganz zu verbieten, seien dem Land leider die Hände gebunden. Ein Verbot könne nur mal nur auf Bundesebene erlassen werden, so die Argumentation aus dem in Kiel regierenden Jamaika-Bündnis.
Die Initiatoren der Volksinitiative sehen das anders und wollen jetzt erst mal diese Kompetenzfrage geklärt haben. Die Verhandlungen vor dem Landesverfassungsgericht haben erst letzte Woche stattgefunden, ein Urteil wird für Anfang Dezember erwartet.
Ungeachtet davon sammelt das breite Bündnis nun wieder Unterschriften für die nächste Stufe: Ein Volksbegehren zum Schutz des Wassers vor den Gefahren der Gas- und Ölförderung.
Patrick Breyer (r), Organisator, Serpil Midyatli, SPD-Landesvorsitzende, Rötger Feldmann alias Brösel, Comiczeichner, und seine Frau Petra (l) sitzen bei einer Pressekonferenz beim Start des Volksbegehrens zum Schutz des Wassers in Kiel auf dem Podium.
Unterstützung von Comiczeichner Brösel (2.v.l.): Pressekonferenz beim Start des Volksbegehrens zum Schutz des Wassers in Kiel© picture alliance / dpa / Carsten Rehder
Zu den Mitgliedern des Bündnisses zählt neben der Bürgerinitiative "Hände weg vom Schwedeneck" die Umweltschutzorganisation BUND, die Piraten, ebenso der Südschleswigsche Wählerverband SSW, die Schleswig-Holsteinische SPD und die Schutzstation Wattenmeer. Der Startschuss fiel am 1. September vor dem Kieler Landeshaus. Wie bunt das Wasser-Bündnis ist, ließ sich nicht nur an dem alten vorgefahrenen Doppeldeckerbus, sondern auch an der Kleidung der Teilnehmer ablesen.
Wobei Reinhard Knof an diesem Tag ganz klassisch einen dunklen Anzug trägt. Knof ist Vorsitzender der Bürgerinitiative gegen CO2-Endlager und eine von zwei Vertrauenspersonen des Volksbegehrens.
"Fracking ist schon das Hauptanliegen, aber wir haben noch eine ganze Reihe weiterer Anliegen", sagt er. "Wenn man sich anschaut, was wir an Begehrlichkeiten im Moment für unseren Untergrund haben: für Speicherung von Wärme, Kälte, von Redox-Flow-Batterien, von Gasen, von Flüssigkeiten. Dann ist Fracking eben nicht die einzige Gefahr für unseren Untergrund."
Knof und seine Mitstreiter wollen die Konzerne stärker in Haftung nehmen bei möglichen Unfällen. Und sie wollen mehr Transparenz schaffen. Sie glauben daran, dass sie die geforderten 80.000 Unterschriften bis Anfang März 2020 zusammen haben, um so einen Volksentscheid zu erzwingen.
"Ich bin ein großer Freund von Volksinitiativen und Volksbegehren", sagt Burkhard Peters. Er ist rechtspolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion. "Aber sie müssen Sinn machen. Und die große Sinnfrage steht hier im Hintergrund. Und von daher wird das wahrscheinlich scheitern."

Knifflige Lage für die Grünen im Land

Tatsächlich sind die Grünen bei dem Thema in einer kniffligen Lage. Denn Umweltschutz und Skepsis vor fossilen Brennstoffen gehören bekanntlich zur Gründungs-DNA der Partei. Doch schon Schleswig-Holsteins früher Umweltminister Robert Habeck ist aus Sicht der Wasser-Initiative viel zu nett zu den Erdölkonzernen gewesen. Und auch jetzt würden die Grünen auf die Bremse treten, so der Vorwurf.
Peters Parteikollegin Marlis Fritzen, die sich in der Landtagsfraktion mit Umweltschutz beschäftigt, widerspricht. "Wir haben immer unterstützt, dass Fracking in Schleswig-Holstein nicht erlaubt sein sollte", sagt sie. "Deshalb haben wir auch die Volksinitiative unterstützt, auch als grüne Partei. Beim Volksbegehren glauben wir nicht, dass es nötig ist, noch einmal diese Unterstützung zu geben. Weil wir in der Zwischenzeit landesrechtlich einige Möglichkeiten genutzt haben, Fracking dann rechtlich auch noch stärker strittig zu stellen."
Zweifel von Seiten des Volksbegehrens, dass die Texte am Ende doch nicht wie im Landtag besprochen verabschiedet werden, weist Burkhard Peters als unbegründet zurück.
"Gesetze brauchen ihre Zeit", sagt er. "Man kann sich darüber sehr gut informieren, indem man das Landtagsinformationssystem aufschlägt und da kann man erkennen, dass wir – das heißt Jamaika – die Punkte, die wir auf Landesebene im Interesse der Volksinitiative regeln können – inzwischen als Änderungsantrag für das neue Landeswassergesetz eingebracht haben. Das wird kommen und das kommt und das ist so sicher wie das Amen in der Kirche."

Warten auf Urteil des Landesverfassungsgerichts

Die einzige wirklich spannende Frage, die noch übrig ist, ist die nach der Kompetenz: Ist das Land oder der Bund für ein Fracking-Verbot zuständig?
Aber diese Klärung liege nun eben in Schleswig beim Verfassungsgericht, sagt Peters: "Wenn das Verfassungsgericht sagt, wir haben eine Gesetzgebungskompetenz für diesen Bereich, dann werden wir das umsetzen. Dann sind wir froh, dann können sagen, dann haben wir auch auf landesrechtlicher Ebene Fracking in Schleswig-Holstein rechtssicher unterbunden. Aber das soll das Landesverfassungsgericht jetzt entscheiden."
"Ich glaube", sagt Marlis Fritzen, "so wichtig Volksinitiativen und Volksbegehren als Instrumente sind, um Politik zum Handeln zu bewegen, so sehr muss man auch sagen, dass dieses Misstrauen der Menschen, die dieses Volksbegehren jetzt auf den Weg bringen, nicht begründet ist."
Auf vielen Straßen in Kiel hängen an den Laternenmasten inzwischen Plakate mit dem Werner-Konterfei und dem Schriftzug "Frackt euch selber!" Tatsächlich ist auch Brösel alias Rötger Feldmann einer der Unterstützer des Volksbegehrens. In einem seiner kürzlich erschienen Werner-Comics gibt es auch eine Geschichte über das Fracking. In dem sei das Bier seines Helden bedroht, sagt der Zeichner, um dann klarzustellen: "Wenn Werners Bier bedroht ist, dann ist hier Achterbahn, aber richtig!"
Ob die Leute Brösel und den anderen Unterstützern des Volksbegehrens das abkaufen, wird sich in den nächsten Monaten zeigen.
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