Gegen Krieg und Gewalt
Trommeln, Keyboard und eine hebräisch singende Stimme, die die Tonlage kaum wechselt, sehr eindringlich ins Ohr geht. Von einem roten, einem gelben und einem blauen Soldaten singt die Stimme und von einer nicht fassbaren Gewalt. Zu hören war sie beim bei der Eröffnung von "Movimentos", beim Gastspiel der Kibbutz Contemporary Dance Company aus Israel.
Obwohl es "Movimentos" in Wolfsburg erst seit acht Jahren gibt, hat sich das Festival schon einen guten Namen gemacht. Das Profil ist klar: zeitgenössischer Tanz, erstklassige Compagnien.
In diesem Jahr soll eine Schauspielinszenierung dazu kommen, Urs Widmers kapitalismuskritische Satire "Top Dogs", dazu Konzerte – Klassik, Jazz, Pop – , Lesungen und Workshops. Förderung von Kindern und Jugendlichen ist ein wichtiges Anliegen von "Movimentos".
Das Festival dauert in diesem Jahr bis zum 13. Juni, es hat mit einem Gastspiel aus Israel begonnen. Die Kibbutz Contemporary Dance Company präsentierte zwei Piècen: die Uraufführung "In the Black Garden" und als deutsche Erstaufführung "60 Hz", beide choreografiert von Rami Be'er.
"In the Black Garden" ist ein Rondo - es beginnt und endet mit der gleichen Szene. Ein junger Mann, nur mit Unterhose bekleidet, setzt sich vorn an die Rampe und blickt zu Boden. Wir, die Zuschauer, erleben, was der junge Mann denkt, träumt, halluziniert.
Rami Be'er hat ein Gedicht geschrieben, das vertont und gesungen eingespielt wird - über Soldaten: "Im schwarzen Garten/Roter Soldat - beobachtet/Blauer Soldat - warnt/ Gelber Soldat schießt/ ... " - es endet damit, dass einer der Soldaten irrt.
Dieses Gedicht wird immer wieder aufgenommen und gibt den rasch wechselnden Szenen eine gewisse Struktur - aber das Chaos überwiegt. Die Bilder zeigen Wirrware, ein Durcheinander der Gedanken. Seltsame Gestalten tauchen auf.
Da tritt ein Tänzer mit einem Buckel auf, er sieht aus wie Quasimodo, der Glöckner von Notre Dame . Eine Tänzerin geht auf allen Vieren, das Gesäß hoch gereckt, die Hände auf den Boden gesetzt, dass die Finger statt nach vorn nach hinten weisen. Ein langer Zopf hängt ihr über den Rücken - ein unheimliches Tier; deformierte Gestalten.
15 Tänzerinnen und Tänzer bilden das Ensemble, sie tanzen barfuß, die Company ist in technisch blendender Verfassung, makellos, jede/r tanzt sowohl Corpsanteile wie Soli. Einmal scheint sich ein Pas de deux anzubahnen. Das Paar liegt am Boden, zärtlich aneinander geschmiegt. Dann erheben sich beide, entfernen sich, keiner kümmert sich um den anderen. Das Verhältnis der Geschlechter ist prekär.
Gewalt herrscht überall. In einer Szene treten die Herren auf und tanzen eine Art Kriegstanz mit Imponiergebärde - komisch. Doch dann fallen sie, die Damen treten auf, Witwen. Ein anderes Mal tanzen die Damen - oberflächliche dumme Puten, die den Ernst der Lage nicht zu erfassen vermögen.
Es gibt Momente, kurze Augenblicke, unterlegt mit Musik von Johann Sebastian Bach, in denen die Möglichkeit der Harmonie, der Ordnung, ja der Schönheit aufblitzt - aber schon ist der Augenblick wieder vorbei und das Chaos nimmt wieder überhand.
Rami Be'er wendet sich gegen die Gewalt, gegen den Krieg, aber er sieht keinen Ausweg. Nicht wegen der objektiven Lage, sondern weil die Menschen sich nicht mit dem gebotenen Ernst um ihre Lage kümmern. Der Soldat, dessen Bewusstsein wir auf der Bühne sehen, kann die Situation analytisch nicht durchdringen, wir erblicken den Alptraum schlusslosen Denkens.
Ein durch und durch pessimistischer Abend. Dennoch hatte er heitere Stellen, aber der Humor kam nicht über die Rampe, das Publikum lachte nicht, war wohl durch das Wirrwarr auf der Bühne verunsichert, so ratlos wie der Protagonist. Be'er neigt dazu, seine Stücke zu stark zu verrätseln.
"60 Hz" entstand früher als "In the Black Garden". Im Programmheft werden die 60 Herz in Zusammenhang gebracht mit Ampère und Volt, auf der Bühne erglühen Scheinwerfer, um sofort wieder zu erlöschen, als hätte es einen Kurzschluss gegeben. Dazu ein Knistern aus den Lautsprechern - Be'er legt nahe, dass im Nebenraum jemand gefoltert wird.
Dadurch lässt sich das Ensemble nicht in seiner guten Laune stören, genießt das Strandleben und tanzt zu Technorhythmen. Die Tänzer sind brillant und haben Spaß mit den wilden Zuckungen - zeigen aber gleichzeitig, dass hier Tanz eine Gesellschaft demaskiert: Sie beherrscht nicht die Technik, sondern wird von ihr beherrscht. Die wilden Zuckungen erweisen sich als Bewegungen der Entfremdung.
Hier werden Be'er und seine Company geradezu satirisch und machen sich lustig über uns, ihre Zeitgenossen, die sich amüsieren, während die Gewalt und das Unrecht überhand nehmen. Der gedankenlose Hedonismus, die fortwährende Party stehen am Pranger. Aber auch hier kommt der Humor nicht über die Rampe.
Trotzdem: ein gelungener Auftakt von "Movimentos" in Wolfsburg.
In diesem Jahr soll eine Schauspielinszenierung dazu kommen, Urs Widmers kapitalismuskritische Satire "Top Dogs", dazu Konzerte – Klassik, Jazz, Pop – , Lesungen und Workshops. Förderung von Kindern und Jugendlichen ist ein wichtiges Anliegen von "Movimentos".
Das Festival dauert in diesem Jahr bis zum 13. Juni, es hat mit einem Gastspiel aus Israel begonnen. Die Kibbutz Contemporary Dance Company präsentierte zwei Piècen: die Uraufführung "In the Black Garden" und als deutsche Erstaufführung "60 Hz", beide choreografiert von Rami Be'er.
"In the Black Garden" ist ein Rondo - es beginnt und endet mit der gleichen Szene. Ein junger Mann, nur mit Unterhose bekleidet, setzt sich vorn an die Rampe und blickt zu Boden. Wir, die Zuschauer, erleben, was der junge Mann denkt, träumt, halluziniert.
Rami Be'er hat ein Gedicht geschrieben, das vertont und gesungen eingespielt wird - über Soldaten: "Im schwarzen Garten/Roter Soldat - beobachtet/Blauer Soldat - warnt/ Gelber Soldat schießt/ ... " - es endet damit, dass einer der Soldaten irrt.
Dieses Gedicht wird immer wieder aufgenommen und gibt den rasch wechselnden Szenen eine gewisse Struktur - aber das Chaos überwiegt. Die Bilder zeigen Wirrware, ein Durcheinander der Gedanken. Seltsame Gestalten tauchen auf.
Da tritt ein Tänzer mit einem Buckel auf, er sieht aus wie Quasimodo, der Glöckner von Notre Dame . Eine Tänzerin geht auf allen Vieren, das Gesäß hoch gereckt, die Hände auf den Boden gesetzt, dass die Finger statt nach vorn nach hinten weisen. Ein langer Zopf hängt ihr über den Rücken - ein unheimliches Tier; deformierte Gestalten.
15 Tänzerinnen und Tänzer bilden das Ensemble, sie tanzen barfuß, die Company ist in technisch blendender Verfassung, makellos, jede/r tanzt sowohl Corpsanteile wie Soli. Einmal scheint sich ein Pas de deux anzubahnen. Das Paar liegt am Boden, zärtlich aneinander geschmiegt. Dann erheben sich beide, entfernen sich, keiner kümmert sich um den anderen. Das Verhältnis der Geschlechter ist prekär.
Gewalt herrscht überall. In einer Szene treten die Herren auf und tanzen eine Art Kriegstanz mit Imponiergebärde - komisch. Doch dann fallen sie, die Damen treten auf, Witwen. Ein anderes Mal tanzen die Damen - oberflächliche dumme Puten, die den Ernst der Lage nicht zu erfassen vermögen.
Es gibt Momente, kurze Augenblicke, unterlegt mit Musik von Johann Sebastian Bach, in denen die Möglichkeit der Harmonie, der Ordnung, ja der Schönheit aufblitzt - aber schon ist der Augenblick wieder vorbei und das Chaos nimmt wieder überhand.
Rami Be'er wendet sich gegen die Gewalt, gegen den Krieg, aber er sieht keinen Ausweg. Nicht wegen der objektiven Lage, sondern weil die Menschen sich nicht mit dem gebotenen Ernst um ihre Lage kümmern. Der Soldat, dessen Bewusstsein wir auf der Bühne sehen, kann die Situation analytisch nicht durchdringen, wir erblicken den Alptraum schlusslosen Denkens.
Ein durch und durch pessimistischer Abend. Dennoch hatte er heitere Stellen, aber der Humor kam nicht über die Rampe, das Publikum lachte nicht, war wohl durch das Wirrwarr auf der Bühne verunsichert, so ratlos wie der Protagonist. Be'er neigt dazu, seine Stücke zu stark zu verrätseln.
"60 Hz" entstand früher als "In the Black Garden". Im Programmheft werden die 60 Herz in Zusammenhang gebracht mit Ampère und Volt, auf der Bühne erglühen Scheinwerfer, um sofort wieder zu erlöschen, als hätte es einen Kurzschluss gegeben. Dazu ein Knistern aus den Lautsprechern - Be'er legt nahe, dass im Nebenraum jemand gefoltert wird.
Dadurch lässt sich das Ensemble nicht in seiner guten Laune stören, genießt das Strandleben und tanzt zu Technorhythmen. Die Tänzer sind brillant und haben Spaß mit den wilden Zuckungen - zeigen aber gleichzeitig, dass hier Tanz eine Gesellschaft demaskiert: Sie beherrscht nicht die Technik, sondern wird von ihr beherrscht. Die wilden Zuckungen erweisen sich als Bewegungen der Entfremdung.
Hier werden Be'er und seine Company geradezu satirisch und machen sich lustig über uns, ihre Zeitgenossen, die sich amüsieren, während die Gewalt und das Unrecht überhand nehmen. Der gedankenlose Hedonismus, die fortwährende Party stehen am Pranger. Aber auch hier kommt der Humor nicht über die Rampe.
Trotzdem: ein gelungener Auftakt von "Movimentos" in Wolfsburg.