"Dieses Verhältnis bekommt Risse"
Der Repräsentant der amerikanischen Nachrichtendienste in Berlin soll Deutschland verlassen − die Bundesregierung hat genug von dessen fehlender Zusammenarbeit. Man stelle viele Fragen und bekomme niemals "irgendeine Antwort", klagt ein Parlamentarier.
"Mit gesundem Menschenverstand betrachtet" sei das Ausspionieren von Verbündeten eine "Vergeudung von Kraft", sagte Kanzlerin Angela Merkel am Donnerstag in Berlin. Sie warf den US-Geheimdiensten vor, nicht im 21. Jahrhundert angekommen zu sein – damals sei es vielleicht richtig gewesen, wenn alle allen misstrauten. Mehr als deutliche Worte der Kanzlerin, zuletzt äußerte sie sich mit einem vergleichbaren Vorwurf der Rückwärtsgewandtheit gegenüber Russland.
Doch die eigentliche Nachricht des Tages kam dann überraschend im Bundestag:
"Die Bundesregierung hat den Repräsentanten der amerikanischen Nachrichtendienste hier in Deutschland aufgefordert, das Land zu verlassen, als Reaktion auf die jetzt seit längerer Zeit nicht erfolgte Zusammenarbeit im Bemühen um die Aufklärung dieser verschiedenen Vorwürfe, beginnend bei NSA bis jetzt zu den aktuellen Gegebenheiten."
... erklärte der Vorsitzende Clemens Binninger nach der Sondersitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Nachrichtendienste am Nachmittag. Dies bestätigte wenig später auch der Regierungssprecher Steffen Seibert in einer Mitteilung. Darin heißt es: "Diese Vorgänge nimmt die Bundesregierung sehr ernst." Auch wenn die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten unerlässlich sei − dazu seien gegenseitiges Vertrauen und Offenheit notwendig.
Diese Reaktion der Bundesregierung, die Ausweisung des Nachrichtendienste-Mitarbeiters in der Berliner Botschaft, wurde von Abgeordneten aller Fraktionen für richtig befunden. Der SPD-Politiker Burkhard Lischka sagte:
"Ich halte das für eine richtige Reaktion vor dem Hintergrund, dass wir inzwischen seit über einem Jahr an die Amerikaner viele, viele Fragen stellen, ohne irgendeine Antwort zu bekommen, und diese Reaktion zeigt deutlich, dass dieses Verhältnis Risse bekommt, wenn sich nicht alle Seiten darum bemühen, diese Affäre aufzuklären."
Der Opposition geht die Ausweisung nicht weit genug. Der Linken-Politiker André Hahn sagte:
"Die jetzt erfolgte Ausweisung des Gesandten in der US-amerikanischen Botschaft ist ein erster richtiger Schritt. Das begrüßen auch wir. Dennoch bleibt es bei unserer Forderung: Es muss mehr Druck gemacht werden auf die Amerikaner hinsichtlich der Einstellung der Spionageaktivitäten hier in Deutschland, und da ist aus unserer Sicht die Aussetzung des Freihandelsabkommens mit den Vereinigten Staaten ein notwendiger Schritt, der jetzt gegangen werden muss."
Doch damit ist vorerst wohl kaum zu rechnen. Die US-Botschaft teilte in einer Stellungnahme mit, dass sie die Berichte kenne, sich jedoch grundsätzlich nicht zu Geheimdienstangelegenheiten äußere. Die Sicherheitspartnerschaft mit Deutschland habe jedoch nach wie vor einen hohen Stellenwert, die enge Zusammenarbeit werde fortgesetzt.