Geheimhaltung sollte "nicht übertrieben werden"
Ein "vernünftiges Gleichgewicht" zwischen den Interessen der Demokratie und dem legitimen Geheimhaltungsinteresse der Dienste fordert Wolbert K. Smidt. Er ist der ehemalige Erste Direktor für operative Aufklärung des Bundesnachrichtendienstes.
Liane von Billerbeck: Ein Geheimdienst ist ein Geheimdienst, weil er geheim operiert, so weit, so klar. Nur, gilt das auch für Geheimdienste in Demokratien? Demokratien zeichnen sich durch Gewaltenteilung, Minderheitenschutz und parlamentarische Kontrolle aus, grenzen sich also auch durch die Kontrolle ihrer Geheimdienste ab von autoritären Systemen. Doch genau daran bleiben starke Zweifel, nicht erst, seit wir von der massenhaften Bespitzelung europäischer Bürger und Institutionen erfahren haben durch die NSA und britische Geheimdienste, und man fragt sich, ob es sie denn überhaupt geben kann, diese demokratisch kontrollierten Geheimdienste – oder ist das ein Widerspruch, Demokratie und Geheimdienst?
Darüber wollen wir jetzt sprechen mit Wolbert Smidt, bis 2001 war er Erster Direktor beim Bundesnachrichtendienst und Botschaftsrat in Paris, er hat auch bei der Neueinrichtung ostmitteleuropäischer Geheimdienste beratend geholfen und nach seiner Pensionierung zusammen mit anderen hochrangigen Geheimdienstlern und Wissenschaftlern den Gesprächskreis Nachrichtendienste in Deutschland e. V. gegründet. Herr Smidt, ich grüße Sie.
Wolbert Smidt: Ja, guten Tag.
von Billerbeck: Sie wollten im Ruhestand für Aufklärung über die Aufklärung sorgen. Ist das nicht paradox, Aufklärung über Geheimdienste?
Smidt: Nein, auf den ersten Blick vielleicht. Ein Geheimdienst passt nicht zur Demokratie, das mag man zunächst mal so verstehen, wenn man daran denkt, dass die Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland wirklich eine radikale Demokratie ist, übrigens viel radikaler als die französische Demokratie, die britische oder von vielen anderen demokratischen Ländern. Es scheint ein Widerspruch in sich selbst zu sein, wenn Dienste, Nachrichtendienste, Geheimdienste in der Demokratie beanspruchen, einen guten und einen richtigen Platz zu haben.
Aber man muss unterscheiden zwischen den Geheimdiensten in autoritären oder gar totalitären Ländern und Geheimdiensten in demokratischen Ländern, insbesondere der Bundesrepublik Deutschland. Wenn ich etwa an die Nachfolgeorganisation des KGB denke in der Sowjetunion, in der früheren Sowjetunion, im jetzigen Russland, dann wird deutlich, dass da Traditionen existieren, wo Geheimdienste sozusagen die mächtigsten Institutionen nach wie vor sind, die keinerlei wirkliche Kontrolle erfahren und allenfalls kontrolliert werden von dem ersten Machthaber, dem Präsidenten, der daran interessiert ist, sich dieser Dienste zu bedienen bei der Durchsetzung seiner Politik im Inneren und nach außen.
von Billerbeck: Das ist uns ja eigentlich klar, Herr Smidt. Aber die Frage ist ja, wie öffentlich gewordene Missstände und mangelnde Transparenz die allgemeine Akzeptanz der Geheimdienste erschweren – das haben Sie mal gesagt – und wie transparent ein Geheimdienst innerhalb der Demokratie denn sein kann.
Smidt: Ja, das ist ist der große Unterschied zwischen uns und den Diensten, die ich eben erwähnt habe. Unser Dienst – also der BND, aber ich spreche genau so für den Verfassungsschutz –, unser Dienst wird kontrolliert durch das Parlament, das ist ein ganz wichtiger Aspekt. Es gibt ein Gesetz über die Kontrolle der Dienste in der Bundesrepublik, wo im Einzelnen ausgeführt wird, was Gegenstand der Kontrolle durch die Parlamentsabgeordneten ist, und dem kann sich kein Dienst in der Bundesrepublik Deutschland entziehen.
von Billerbeck: Aber das tut er doch immer wieder gern, wenn ich Ihnen da mal ins Wort fallen darf, denn wir erinnern uns an den NSU-Untersuchungsausschuss und Parlamentarier, die sich des Öfteren beschwert haben, dass ihnen viele Informationen erst nach heftiger Nachfrage gegeben wurden. Also das Gesetz mag es geben, die Realität ist dann aber doch nicht so.
Smidt: Die Realität ist schwierig, aber sie ist nicht so, dass die deutschen Dienste systematisch den Parlamentariern Informationen vorenthalten. Natürlich auch gegenüber Parlamentariern gilt unter Umständen das Gesetz der Geheimhaltung, wenn es darum geht, ganz entscheidende Sicherheitsinteressen, gerade auch bezogen auf ausländische Agenten, zu wahren.
von Billerbeck: Aber dann passiert doch genau das, dass der Geheimdienst selbst darüber entscheidet, was ganz entscheidende Sicherheitsinteressen sind. Dann bleibt das Parlament doch außen vor.
Darüber wollen wir jetzt sprechen mit Wolbert Smidt, bis 2001 war er Erster Direktor beim Bundesnachrichtendienst und Botschaftsrat in Paris, er hat auch bei der Neueinrichtung ostmitteleuropäischer Geheimdienste beratend geholfen und nach seiner Pensionierung zusammen mit anderen hochrangigen Geheimdienstlern und Wissenschaftlern den Gesprächskreis Nachrichtendienste in Deutschland e. V. gegründet. Herr Smidt, ich grüße Sie.
Wolbert Smidt: Ja, guten Tag.
von Billerbeck: Sie wollten im Ruhestand für Aufklärung über die Aufklärung sorgen. Ist das nicht paradox, Aufklärung über Geheimdienste?
Smidt: Nein, auf den ersten Blick vielleicht. Ein Geheimdienst passt nicht zur Demokratie, das mag man zunächst mal so verstehen, wenn man daran denkt, dass die Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland wirklich eine radikale Demokratie ist, übrigens viel radikaler als die französische Demokratie, die britische oder von vielen anderen demokratischen Ländern. Es scheint ein Widerspruch in sich selbst zu sein, wenn Dienste, Nachrichtendienste, Geheimdienste in der Demokratie beanspruchen, einen guten und einen richtigen Platz zu haben.
Aber man muss unterscheiden zwischen den Geheimdiensten in autoritären oder gar totalitären Ländern und Geheimdiensten in demokratischen Ländern, insbesondere der Bundesrepublik Deutschland. Wenn ich etwa an die Nachfolgeorganisation des KGB denke in der Sowjetunion, in der früheren Sowjetunion, im jetzigen Russland, dann wird deutlich, dass da Traditionen existieren, wo Geheimdienste sozusagen die mächtigsten Institutionen nach wie vor sind, die keinerlei wirkliche Kontrolle erfahren und allenfalls kontrolliert werden von dem ersten Machthaber, dem Präsidenten, der daran interessiert ist, sich dieser Dienste zu bedienen bei der Durchsetzung seiner Politik im Inneren und nach außen.
von Billerbeck: Das ist uns ja eigentlich klar, Herr Smidt. Aber die Frage ist ja, wie öffentlich gewordene Missstände und mangelnde Transparenz die allgemeine Akzeptanz der Geheimdienste erschweren – das haben Sie mal gesagt – und wie transparent ein Geheimdienst innerhalb der Demokratie denn sein kann.
Smidt: Ja, das ist ist der große Unterschied zwischen uns und den Diensten, die ich eben erwähnt habe. Unser Dienst – also der BND, aber ich spreche genau so für den Verfassungsschutz –, unser Dienst wird kontrolliert durch das Parlament, das ist ein ganz wichtiger Aspekt. Es gibt ein Gesetz über die Kontrolle der Dienste in der Bundesrepublik, wo im Einzelnen ausgeführt wird, was Gegenstand der Kontrolle durch die Parlamentsabgeordneten ist, und dem kann sich kein Dienst in der Bundesrepublik Deutschland entziehen.
von Billerbeck: Aber das tut er doch immer wieder gern, wenn ich Ihnen da mal ins Wort fallen darf, denn wir erinnern uns an den NSU-Untersuchungsausschuss und Parlamentarier, die sich des Öfteren beschwert haben, dass ihnen viele Informationen erst nach heftiger Nachfrage gegeben wurden. Also das Gesetz mag es geben, die Realität ist dann aber doch nicht so.
Smidt: Die Realität ist schwierig, aber sie ist nicht so, dass die deutschen Dienste systematisch den Parlamentariern Informationen vorenthalten. Natürlich auch gegenüber Parlamentariern gilt unter Umständen das Gesetz der Geheimhaltung, wenn es darum geht, ganz entscheidende Sicherheitsinteressen, gerade auch bezogen auf ausländische Agenten, zu wahren.
von Billerbeck: Aber dann passiert doch genau das, dass der Geheimdienst selbst darüber entscheidet, was ganz entscheidende Sicherheitsinteressen sind. Dann bleibt das Parlament doch außen vor.
"Seitens des Kanzleramtes wird sehr intensiv kontrolliert"
Smidt: Ich darf noch in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass es auch andere Instanzen gibt in Deutschland. Es gibt zusätzlich noch die exekutive Kontrolle – man kann ja nun nicht sagen, dass das Innenministerium im Bezug auf Verfassungsschutz oder das Bundeskanzleramt im Bezug auf den BND immer … dass die alle unter einer Decke stecken und immer die gleichen Interessen verfolgen. Nein, auch seitens des Kanzleramtes wird sehr intensiv kontrolliert gegenüber dem BND.
Aber darüber hinaus will ich überhaupt nicht verhehlen, dass zu dem gesamten Kontrollmechanismus letzten Endes auch die Medien gehören. Das ist ein wesentlicher Bestandteil, auch das Zusammenspiel zwischen Medien einerseits und parlamentarischer Kontrolle andererseits ist ja eine bekannte Tatsache, häufig kann die parlamentarische Kontrolle nur eingreifen, wenn sie etwas erfährt aus der Presse.
Das sind dann übrigens Dinge gelegentlich – Versager und auch Versehen und Fehlhandlungen –, die selbst dem Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes nicht bekannt sind, die sich im unteren Bereich eines Nachrichtendienstes abspielen, wo der Zugang durch die jeweilige Leitung nicht so ohne Weiteres möglich ist. In solchen Fällen kommt es vor, dass dann die Presse etwas erfährt, und ich kann nur aus meiner Sicht sagen, auch als ehemaliger Angehöriger des BND, dass das eine gute, beruhigende Sache ist, zu wissen, dass auch die Medien aufmerksam die Handlungen und auch die Fehlhandlungen von Nachrichtendiensten verfolgen.
von Billerbeck: Sie haben es ja gerade erwähnt, das ist ja ein System von Checks and Balances, wie man das in den USA nennt, dass die Demokratie auch immer wieder sich dadurch Ausgleich zu verschaffen sucht, dass Informationen eben über Fehlhandlungen oder Missbrauch an die Öffentlichkeit gelangen. Müsste man demzufolge nicht in den USA in diesem Sinne geradezu froh sein, wenn ein Edward Snowden der Öffentlichkeit zeigt, was Geheimdienste wie die NSA so tun?
Smidt: Also es mag durchaus sein, dass da manche Medien in den USA darüber froh sind. Es ist ja auch einiges berichtet worden von der "New York Times" oder von anderen Presseorganen der USA, die sich regelrecht stürzen auf solches Material …
von Billerbeck: Ich meine nicht die Medien, ich meine die Gesellschaft und die gesamte Demokratie eigentlich.
Smidt: Sehen Sie, da gibt es unterschiedliche Traditionen in den einzelnen Ländern. Ich habe ganz bewusst davon gesprochen, dass in der Bundesrepublik Deutschland eine Art radikale Demokratie existiert, was sich vor dem Hintergrund auch unserer Geschichte erklärt auch, vor dem Hintergrund unserer Traditionen. In Frankreich ist das zum Beispiel völlig anders. Da ist die parlamentarische Kontrolle praktisch nicht ausgebildet, ist nur ein kleiner Wurmfortsatz der Exekutive. Darüber hinaus ist die Kontrolle also kaum existent.
Aber darüber hinaus will ich überhaupt nicht verhehlen, dass zu dem gesamten Kontrollmechanismus letzten Endes auch die Medien gehören. Das ist ein wesentlicher Bestandteil, auch das Zusammenspiel zwischen Medien einerseits und parlamentarischer Kontrolle andererseits ist ja eine bekannte Tatsache, häufig kann die parlamentarische Kontrolle nur eingreifen, wenn sie etwas erfährt aus der Presse.
Das sind dann übrigens Dinge gelegentlich – Versager und auch Versehen und Fehlhandlungen –, die selbst dem Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes nicht bekannt sind, die sich im unteren Bereich eines Nachrichtendienstes abspielen, wo der Zugang durch die jeweilige Leitung nicht so ohne Weiteres möglich ist. In solchen Fällen kommt es vor, dass dann die Presse etwas erfährt, und ich kann nur aus meiner Sicht sagen, auch als ehemaliger Angehöriger des BND, dass das eine gute, beruhigende Sache ist, zu wissen, dass auch die Medien aufmerksam die Handlungen und auch die Fehlhandlungen von Nachrichtendiensten verfolgen.
von Billerbeck: Sie haben es ja gerade erwähnt, das ist ja ein System von Checks and Balances, wie man das in den USA nennt, dass die Demokratie auch immer wieder sich dadurch Ausgleich zu verschaffen sucht, dass Informationen eben über Fehlhandlungen oder Missbrauch an die Öffentlichkeit gelangen. Müsste man demzufolge nicht in den USA in diesem Sinne geradezu froh sein, wenn ein Edward Snowden der Öffentlichkeit zeigt, was Geheimdienste wie die NSA so tun?
Smidt: Also es mag durchaus sein, dass da manche Medien in den USA darüber froh sind. Es ist ja auch einiges berichtet worden von der "New York Times" oder von anderen Presseorganen der USA, die sich regelrecht stürzen auf solches Material …
von Billerbeck: Ich meine nicht die Medien, ich meine die Gesellschaft und die gesamte Demokratie eigentlich.
Smidt: Sehen Sie, da gibt es unterschiedliche Traditionen in den einzelnen Ländern. Ich habe ganz bewusst davon gesprochen, dass in der Bundesrepublik Deutschland eine Art radikale Demokratie existiert, was sich vor dem Hintergrund auch unserer Geschichte erklärt auch, vor dem Hintergrund unserer Traditionen. In Frankreich ist das zum Beispiel völlig anders. Da ist die parlamentarische Kontrolle praktisch nicht ausgebildet, ist nur ein kleiner Wurmfortsatz der Exekutive. Darüber hinaus ist die Kontrolle also kaum existent.
"Dienste bespitzeln nicht sämtliche Amerikaner"
In den USA ist die Kontrolle wieder sehr stark, aber andererseits gibt es dort ein sehr ausgeprägtes nationales Bewusstsein, ein sehr ausgeprägtes Bewusstsein, was die Interessen der USA als Großmacht, als Weltmacht sind, die in der Welt im Interesse der Demokratie letzten Endes durchgesetzt werden sollen. Und vor diesem Hintergrund haben die Dienste in den USA ein besonderes Gewicht. Sie haben nicht das Gewicht wie zum Beispiel in Russland. Sie beherrschen nicht das Land, sie bespitzeln nicht sämtliche Amerikaner. Aber sie versehen den Präsidenten der Vereinigten Staaten mit Material, das ihm dazu dient, die Interessen seines großen, mächtigen Landes wirksam nach außen zu vertreten. Das ist bei uns in Deutschland nicht so stark ausgeprägt.
von Billerbeck: Aber wenn man jetzt erlebt, wie also Bradley Manning oder Edward Snowden, diese Whistleblower, die diese Informationen an die Öffentlichkeit gebracht haben, verfolgt werden, da spürt man manchmal Hass und Rachsucht geradezu, möchte ich mal formulieren. Müssen nicht in einer Demokratie wie der US-amerikanischen, statt die Übermittler der schlechten Nachrichten über die Verhältnisse zu verfolgen, eher die Verhältnisse in den Geheimdiensten geändert werden?
Smidt: Das mag durchaus sein. Es gab viele Reformen innerhalb der amerikanischen Geheimdienste, von denen man möglicherweise nicht allzu viel hört, die aber den Nachrichtendienstlern, zum Beispiel den deutschen Nachrichtendienstlern, die mit den Amerikanern auf dem nachrichtendienstlichen Gebiet eng zusammenarbeiten, nicht verborgen bleiben. Also da gibt es zum Beispiel im Bereich der Kontrolle erhebliche Intensivierungen in den letzten Jahrzehnten, da gibt es innere Auseinandersetzungen zwischen dem Präsidialamt, also dem Weißen Haus und den Diensten. Auch zu Zeiten von George W. Bush, dem Vorgänger von Obama, gab es heftige Konflikte, wo übrigens die Dienste viel eher noch die Interessen der Demokratie wahrnahmen und auch der Ehrlichkeit der Informationsbeschaffung, als das der Präsident tat.
von Billerbeck: Aber es gab auch über die Jahre und Jahrzehnte, die es Geheimdienste gab, immer wieder Missbräuche der eigenen Mittel. Ich hatte hier Tim Weiner, der ein fast tausendseitiges Buch über die CIA geschrieben hat. Sie haben jahrelang für den BND, jahrzehntelang für den BND gearbeitet und den Dienst ja auch immer wieder kritisiert, nach Ihrer Tätigkeit. Fazit unseres Gespräches, Herr Smidt, lassen sich Geheimdienste in der Demokratie tatsächlich kontrollieren, oder bleibt das ein unauflösbarer Widerspruch?
Smidt: Ich möchte nicht von einem unauflösbaren Widerspruch sprechen, aber ich spreche davon, dass es schwierig ist, in einer Demokratie wie der unseren die Nachrichtendienste und die Geheimdienste zu kontrollieren. Das ist ein schwieriges Unterfangen. Übrigens, in dem Zusammenhang gibt es ja auch ständig Diskussionen über die Frage, ob nicht die parlamentarische Kontrolle intensiviert werden sollte – ich bin sehr dafür übrigens. Ich bin dafür, dass die Abgeordneten nicht erst aus der Presse wesentliche Informationen bekommen, sondern unmittelbar von den Diensten, soweit das möglich ist.
Also ich bin dafür, dass die Geheimhaltungsinteressen nicht zu stark forciert und übertrieben werden, sondern hier muss einfach ein vernünftiges Gleichgewicht zwischen dem Interesse der Demokratie einerseits und dem sehr legitimen Interesse der Geheimhaltung seitens der Dienste gefunden werden. Und das ist eine schwierige Aufgabe, die wir auch in Zukunft noch vor uns haben.
von Billerbeck: Das sagt Wolbert Smidt, Erster Direktor beim Bundesnachrichtendienst a. D. und Gründer des "Gesprächskreises Nachrichtendienste in Deutschland e. V." Danke Ihnen für das Gespräch.
Smidt: Bitte sehr.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
von Billerbeck: Aber wenn man jetzt erlebt, wie also Bradley Manning oder Edward Snowden, diese Whistleblower, die diese Informationen an die Öffentlichkeit gebracht haben, verfolgt werden, da spürt man manchmal Hass und Rachsucht geradezu, möchte ich mal formulieren. Müssen nicht in einer Demokratie wie der US-amerikanischen, statt die Übermittler der schlechten Nachrichten über die Verhältnisse zu verfolgen, eher die Verhältnisse in den Geheimdiensten geändert werden?
Smidt: Das mag durchaus sein. Es gab viele Reformen innerhalb der amerikanischen Geheimdienste, von denen man möglicherweise nicht allzu viel hört, die aber den Nachrichtendienstlern, zum Beispiel den deutschen Nachrichtendienstlern, die mit den Amerikanern auf dem nachrichtendienstlichen Gebiet eng zusammenarbeiten, nicht verborgen bleiben. Also da gibt es zum Beispiel im Bereich der Kontrolle erhebliche Intensivierungen in den letzten Jahrzehnten, da gibt es innere Auseinandersetzungen zwischen dem Präsidialamt, also dem Weißen Haus und den Diensten. Auch zu Zeiten von George W. Bush, dem Vorgänger von Obama, gab es heftige Konflikte, wo übrigens die Dienste viel eher noch die Interessen der Demokratie wahrnahmen und auch der Ehrlichkeit der Informationsbeschaffung, als das der Präsident tat.
von Billerbeck: Aber es gab auch über die Jahre und Jahrzehnte, die es Geheimdienste gab, immer wieder Missbräuche der eigenen Mittel. Ich hatte hier Tim Weiner, der ein fast tausendseitiges Buch über die CIA geschrieben hat. Sie haben jahrelang für den BND, jahrzehntelang für den BND gearbeitet und den Dienst ja auch immer wieder kritisiert, nach Ihrer Tätigkeit. Fazit unseres Gespräches, Herr Smidt, lassen sich Geheimdienste in der Demokratie tatsächlich kontrollieren, oder bleibt das ein unauflösbarer Widerspruch?
Smidt: Ich möchte nicht von einem unauflösbaren Widerspruch sprechen, aber ich spreche davon, dass es schwierig ist, in einer Demokratie wie der unseren die Nachrichtendienste und die Geheimdienste zu kontrollieren. Das ist ein schwieriges Unterfangen. Übrigens, in dem Zusammenhang gibt es ja auch ständig Diskussionen über die Frage, ob nicht die parlamentarische Kontrolle intensiviert werden sollte – ich bin sehr dafür übrigens. Ich bin dafür, dass die Abgeordneten nicht erst aus der Presse wesentliche Informationen bekommen, sondern unmittelbar von den Diensten, soweit das möglich ist.
Also ich bin dafür, dass die Geheimhaltungsinteressen nicht zu stark forciert und übertrieben werden, sondern hier muss einfach ein vernünftiges Gleichgewicht zwischen dem Interesse der Demokratie einerseits und dem sehr legitimen Interesse der Geheimhaltung seitens der Dienste gefunden werden. Und das ist eine schwierige Aufgabe, die wir auch in Zukunft noch vor uns haben.
von Billerbeck: Das sagt Wolbert Smidt, Erster Direktor beim Bundesnachrichtendienst a. D. und Gründer des "Gesprächskreises Nachrichtendienste in Deutschland e. V." Danke Ihnen für das Gespräch.
Smidt: Bitte sehr.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.