Gehetztes Roadmovie
Ein farbloser Mittvierziger und im Alltag abgestumpfter Abteilungsleiter will in "Das Buch der Liebe" seine Familie vom Flughafen abholen. Da kreuzt eine junge Japanerin seinen Weg. Als sich beide ineinander verlieben, folgt er ihr quer durch Deutschland – denn das Mädchen ist Mitglied einer japanischen Punkband.
Das "Buch der Liebe" ist kein Liebesroman. Auch wenn es verführerisch romantisch beginnt, und jeder männliche Leser Mitte 40 in verzücktem Wiedererkennen schwelgt: Der Ich-Erzähler, ein farbloser Mittvierziger und im Alltag abgestumpfter Abteilungsleiter, von dem wir nur den Nachnamen Kramer kennen, will seine Familie vom Flughafen abholen. Aber da kreuzt zuvor Kimmi, eine schöne Japanerin Anfang 20, seinen Weg. Er begleitet sie zum Hotel, und es passiert, was er schon lange entbehren musste: Er wird begehrt. Das Mädchen verliebt sich in ihn. Von da an scheint er willenlos. Er folgt ihr quer durch Deutschland, ist bereit, erst ihre Freunde zu treffen, dann Musikinstrumente abzuholen, dann Konzertorte anzufahren – denn das Mädchen ist Mitglied einer japanischen Punkband.
Doch die Liebe zwischen beiden ist nur die Folie für eine immer skurrilere Ausmaße annehmende Handlung. Nach einem Konzert der Gruppe in Berlin-Kreuzberg wird sie von Elvis-Presley-Imitatoren niedergeschlagen.
Der Romanheld auf ungewohntem neuem Lebensweg bleibt aber seiner neuen Liebe treu, chauffiert die Gruppe nach Bayern zum nächsten Auftritt. Die Verfolger bleiben ihnen auf der Spur, greifen sie wieder an, erstechen eines der Bandmitglieder. Spätestens hier wird die Handlung vor den Augen des Lesers zum gehetzten Roadmovie. Die anfangs köstlich realistische Schilderung des sexuell ausgetrockneten Mannes in der Mitte des Lebens nimmt surreale Züge eines traumhaften Geschehens an.
Da sitzen sie beim fränkischen Bier, über das der japanische Gitarrist Aki dank eines offenbar unschlagbaren Deutschland-Führers exakt Bescheid weiß, dann finden sie sich auf einem jüdischen Friedhof in Bamberg, wo die Vorfahren des Jeans-Erfinders Levi Strauss begraben liegen und tauschen die Levis-Etiketten ihrer Hosen gegen Elvis-Etiketten.
Langsam zieht Autor Schröter eine pseudoreligiöse Ebene in das Geschehen ein, die im Zentrum eine simple Feststellung birgt: "Elvis lebt", samt erstaunlichen Parallelen, die zwischen ihm und Jesus gezogen werden. Wer sind nun die Begleiter des Erzählers wirklich? Sektenmitglieder, Schutzengel? Oder ist seine junge Geliebte tatsächlich eine nächtliche Dämonin, die ihre Opfer aussaugt? Und sind alle Entscheidungen im Leben bereits vorherbestimmt?
Endpunkt der verworrenen Reise, die immer wieder von Liedtexten Don McLeans und anderen Rock´n´Rollern unterbrochen und in Wechselbeziehung zur Handlung gebracht werden, ist Hochstadt, Heimat der Vorfahren von Elvis Presley. Dort soll ein mysteriöser Konvent stattfinden, der Endpunkt und Auflösung des immer realitätsferneren Geschehens werden muss, wie es auch eine sparsam im Buch eingestreute Parallelhandlung vermuten lässt.
Die philosophisch-religiöse Deutung zum Schluss kann aber nicht recht überzeugen, was schade ist, zumal auch der Text mit zunehmender Drehung ins Phantastische seine fröhliche Bodenhaftung verliert und sich obskure, aber mitunter platte Bilder häufen. Letztlich ist auch die Beziehung zu Kimmi, was der Held des Buches von Anfang an ohnedies ängstlich vermutet hat: Nicht realistisch. Aber, so tröstet der Autor zum Schluss nicht nur die nun enttäuschten Mittvierziger: "Es gibt so viel zu lieben."
Rezensiert von Stefan May
Lorenz Schröter: "Das Buch der Liebe", Roman,
Verlag Antje Kunstmann, München 2007, 192 Seiten, 16,90 €
Doch die Liebe zwischen beiden ist nur die Folie für eine immer skurrilere Ausmaße annehmende Handlung. Nach einem Konzert der Gruppe in Berlin-Kreuzberg wird sie von Elvis-Presley-Imitatoren niedergeschlagen.
Der Romanheld auf ungewohntem neuem Lebensweg bleibt aber seiner neuen Liebe treu, chauffiert die Gruppe nach Bayern zum nächsten Auftritt. Die Verfolger bleiben ihnen auf der Spur, greifen sie wieder an, erstechen eines der Bandmitglieder. Spätestens hier wird die Handlung vor den Augen des Lesers zum gehetzten Roadmovie. Die anfangs köstlich realistische Schilderung des sexuell ausgetrockneten Mannes in der Mitte des Lebens nimmt surreale Züge eines traumhaften Geschehens an.
Da sitzen sie beim fränkischen Bier, über das der japanische Gitarrist Aki dank eines offenbar unschlagbaren Deutschland-Führers exakt Bescheid weiß, dann finden sie sich auf einem jüdischen Friedhof in Bamberg, wo die Vorfahren des Jeans-Erfinders Levi Strauss begraben liegen und tauschen die Levis-Etiketten ihrer Hosen gegen Elvis-Etiketten.
Langsam zieht Autor Schröter eine pseudoreligiöse Ebene in das Geschehen ein, die im Zentrum eine simple Feststellung birgt: "Elvis lebt", samt erstaunlichen Parallelen, die zwischen ihm und Jesus gezogen werden. Wer sind nun die Begleiter des Erzählers wirklich? Sektenmitglieder, Schutzengel? Oder ist seine junge Geliebte tatsächlich eine nächtliche Dämonin, die ihre Opfer aussaugt? Und sind alle Entscheidungen im Leben bereits vorherbestimmt?
Endpunkt der verworrenen Reise, die immer wieder von Liedtexten Don McLeans und anderen Rock´n´Rollern unterbrochen und in Wechselbeziehung zur Handlung gebracht werden, ist Hochstadt, Heimat der Vorfahren von Elvis Presley. Dort soll ein mysteriöser Konvent stattfinden, der Endpunkt und Auflösung des immer realitätsferneren Geschehens werden muss, wie es auch eine sparsam im Buch eingestreute Parallelhandlung vermuten lässt.
Die philosophisch-religiöse Deutung zum Schluss kann aber nicht recht überzeugen, was schade ist, zumal auch der Text mit zunehmender Drehung ins Phantastische seine fröhliche Bodenhaftung verliert und sich obskure, aber mitunter platte Bilder häufen. Letztlich ist auch die Beziehung zu Kimmi, was der Held des Buches von Anfang an ohnedies ängstlich vermutet hat: Nicht realistisch. Aber, so tröstet der Autor zum Schluss nicht nur die nun enttäuschten Mittvierziger: "Es gibt so viel zu lieben."
Rezensiert von Stefan May
Lorenz Schröter: "Das Buch der Liebe", Roman,
Verlag Antje Kunstmann, München 2007, 192 Seiten, 16,90 €