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Von Simone Schmollack |
Im August meldete die Bundesagentur für Arbeit 2.945.000 Arbeitlose. Das waren 238.000 weniger als im Sommer zuvor. Solche Zahlen verkündet Hans-Jürgen Weise, der Chef der bundesweiten Arbeitsagentur, immer gern. Besonders gut sieht in dieser Statistik die Arbeitslosenrate der Akademiker aus: Die hat sich seit Jahren nämlich bei kargen 2,5 Prozent eingepegelt.
In der Regel gehören joblose Akademiker auch nicht zu den Langzeitarbeitslosen. Die meisten von ihnen haben schon nach wenigen Monaten eine neue Stelle. Hans-Jürgen Weise könnte sich da auf die Schulter klopfen: Läuft doch alles ganz prima mit den gut ausgebildeten Fachkräften.

Aber so ist es nicht. Wer als Lehrer, Ärztin oder Chemikerin schon mal auf dem Arbeitsamt saß, weiß ein Lied davon singen, wie die Arbeitslosen und die sogenannten Arbeitsvermittler aneinander vorbei reden können. Das Anforderungsprofil einer Sozialwissenschaftlerin ist eben etwas komplizierter als das eines Gärtners.

Aber viele Arbeitsvermittler haben grundsätzlich wenig Ahnung von akademischen Berufen. So hatte eine arbeitslose Journalistin in Berlin ihren Arbeitsvermittler gefragt, worin er denn den Unterschied sehe zwischen Journalist und Redakteur. Beides war auf der Internetseite der Arbeitsagentur ausgewiesen. "Weiß ich nicht", hatte der Beamte geantwortet: "Ich habe mir das ja nicht ausgedacht."

Ein entlassener Wissenschaftler in Niedersachsen hatte in den Fragebogen in die Zeile Fortbildungswunsch die Wörter "Profiler" und "Kriminalpsychologe" geschrieben. Für den Arbeitsvermittler waren das offenbar große Rätsel. "Was soll das denn sein", hatte der gefragt. "Habe ich ja noch nie gehört!" Stattdessen werden die vielfach sogar promovierten Akademiker zu monatelangen Kursen verpflichtet, in denen sie lernen sollen, eine Bewerbung zu schreiben und ein Internet-Formular auszufüllen. Lehnen sie das ab, droht man ihnen damit, das Arbeitslosengeld zu kürzen.

Manche Akademiker werden zu Ein-Euro-Jobs verdonnert. Um nicht falsch verstanden zu werden: Es ist nicht anrüchig, Parks zu säubern, Geschirr zu spülen oder Schülerlotse für Erstklässler zu sein. Aber die Zeit, die die gut ausgebildeten Fachkräfte damit zubringen, könnten sie besser nutzen: mit dem Schreiben von Bewerbungen zum Beispiel.

Anderen Betroffenen wird irgendeine Stelle angeboten, unabhängig davon, ob die überhaupt zum Berufsbild oder zu den Lebensumständen passt. Wenn eine Alleinerziehende aus Hamburg zu einem Job in Ingolstadt verpflichtet wird, ist das nicht nur unanständig, sondern schlichtweg dreist.

In großen Städten wie Berlin ist es nicht unüblich, dass die Angestellten in den Jobcentern immer mal die Abteilung wechseln. Für die arbeitslosen Akademikerinnen und Akademiker ist das mitunter fatal: Ihre Akte wird von einer Hand zur nächsten weiter gereicht und der neue Sachbearbeiter beginnt mit den "Vermittlungsgesprächen" immer wieder von vorn.

Da wundert es nicht, dass viele Betroffene darüber klagen, jedes Mal umsonst aufs Amt bestellt worden zu sein. Ohnehin wird den meisten Akademikern dazu geraten, sich selbstständig zu machen. Die künftigen Kleinunternehmerinnen und -unternehmer werden mit dem sogenannten Übergangsgeld in die Selbstständigkeit gelockt. Verschwiegen wird ihnen aber meist, dass sie in Kürze Probleme mit der Krankenkasse oder mit der Künstlersozialkasse bekommen könnten.

Und was passiert, wenn die Idee des akademischen Einzelkämpfers nicht aufgeht? Dann beginnt alles wieder von vorn.

Akademiker, die nach einer Arbeitslosenphase wieder in Lohn und Brot stehen, haben ihren neuen Job meist allein und ohne Hilfe des Jobcenters gefunden. Nun könnte man sagen: Ist schon okay, die sind ja schließlich schlau genug und genau diese Eigeninitiative erwarten wir von ihnen. Ja, so kann man das sehen. Aber ist das gerecht? Ist das sinnvoll? Und ist das effektiv? Nein. Vor allem aber kostet die Verwaltung der arbeitslosen Akademiker viel Geld. Geld, das man besser in eine echte Vermittlung stecken könnte.

Simone Schmollack, Journalistin, geboren 1964 in Berlin, ist Redakteurin bei der "Tageszeitung" in Berlin und Autorin zahlreicher Bücher, darunter "Kuckuckskinder. Kuckuckseltern", "Deutsch-deutsche Beziehungen. Liebe zwischen Ost und West" und "Damals nach der DDR. Geschichten von Abschied und Aufbruch". Sie beschäftigt sich vor allem mit Themen an der Schnittstelle von Politik, Wirtschaft und Privatheit. Sie studierte Germanistik, Slawistik und Journalistik in Leipzig, Berlin und Smolensk.
Simone Schmollack
Simone Schmollack© Dietl
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