Mentale Kraft für eine Karriere
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In kurzen Hosen spielte Yehudi Menuhin seine ersten Konzerte. Die Weltkarriere als Geiger schien bruchlos, doch auch er hatte Selbstzweifel. Die überwand er mit einer Art eigenen Religion, die mit seiner jüdischen Herkunft nichts zu tun hatte.
Yehudi Menuhin, aus einer jüdischen Familie stammend, wurde einer der wichtigsten Geiger des 20. Jahrhunderts. Angeblich soll er eine Blech-Geige, die ihm geschenkt wurde, wütend zur Seite geschmissen haben. Seine Mutter erbat danach bei Verwandten Geld, um ihm ein echtes Instrument zu besorgen.
Mit einer gründlichen Ausbildung, die Familie zog seinem Lehrer sogar nach New York hinterher, entwickelte sich Menuhin zum berühmtesten Wunderkind.
Ende der 1960er-Jahre wurde Yehudi Menuhin in einem Interview befragt, was er selbst für den Grund seines großen Erfolgs halte. Und er antwortete: "Ich würde sagen: erstens ein sehr tiefes Empfinden von allem, was Freude und Leid ist." Und Zweitens: "Ich wollte eine Aufrichtigkeit im Gefühl und im Denken. Als Kind war das absolut spontan. Ich war unglücklich, als ich entdeckt habe: man kann nicht immer alles sagen, was man denkt."
Ende der Leichtigkeit
Mit dem Erwachsenenalter geriet Menuhin ab Ende der 1930er-Jahre nicht nur in eine menschliche, sondern auch geigerische Krise. Nichts schien mehr selbstverständlich. Nun begann er, von Grund auf sein Instrument neu zu studieren.
Sein langjähriger Schüler Daniel Hope darüber: "Ich glaube, jeder Mensch bekommt irgendeine Art Krise im Leben. Und oft ist es so, dass Geiger sehr früh anfangen, das Instrument zu spielen. Und das ist irgendwie gang und gäbe, vielleicht, weil auch diese Motorik zu der Zeit irgendwie schneller geht, allein geht, ohne dass man darüber nachdenkt. Und bei mir war es ebenfalls so, als ich ungefähr 16 war, dass ich die Frage stellte: 'Was mache ich hier? Wie komme ich dazu?'"
Für viele Menschen könne diese Krise zum Ende einer Karriere führen. "Weil man nicht an dieses frühere, leichte Musizieren zurückkommen kann, sondern es wird schwieriger, es wird viel durchdachter und man verliert etwas davon."
Reinheit und Hingabe
Daniel Hope erinnert sich an Menuhins Motto: straight to the heart. Die Musik sollte direkt ins Herz treffen. Seine Mozartaufnahmen seien ein Zeugnis davon.
Die sind, so Hope, herrlich, "weil sie eine Reinheit haben und eine Hingabe zu Mozart. Die ist sensationell. Und obwohl er zum Beispiel die Bewegung der historischen Aufführungspraxis nicht unbedingt mitgemacht hat, waren seine Interpretationen, gerade von Mozart, doch sehr zurückhaltend, weil er das auch über alles liebte."
Meisterkurs im Kopfstand
Der Geiger Geoffrey Wharton war über viele Jahre Konzertmeister im Gürzenich-Orchester und lernte als junger Stipendiat Yehudi Menuhin Anfang der 1970er-Jahre an der "Guildhall School" in London kennen, wo Menuhin zweimal im Jahr regelmäßig Meisterkurse gab.
Er erinnert sich an einen kleinen Mann mit feinen Manieren und sehr leiser Stimme. Über Grundsätzliches wie Bogentechnik oder Fingersätze habe er nie gesprochen, er sei eher an der Beziehung Mensch-Musik interessiert gewesen. Und so berichtete er viel über seine Beziehung zur Musik, und dass sie praktisch eine Verbindung zum Himmel oder zum Außerirdischen sei.