Feinster Horror aus Bergisch Gladbach
Seit 45 Jahren ist Geisterjäger John Sinclair im Dämonendauerdienst: Den für paranormale Phänomene zuständigen Oberinspektor von Scotland Yard hat sich Helmut Rellergerd ausgedacht. Über 2000 Heftromane hat er geschrieben, ein Ende ist nicht in Sicht.
"Die Leute wollten mich lesen. Die wollten das einfach lesen. Und ich hab' da selbst doch nicht mit gerechnet. Ich denke: Schreibst du mal ein paar Gruselromane, und dann gehst du wieder zurück zum Krimi. Nein, es lief weiter. Es lief weiter, ja."
Helmut Rellergerd, ein freundlicher älterer Herr mit schlohweißem Haar und verschmitztem Lachen, sitzt in seinem Wohnzimmer in Bergisch Gladbach auf dem Sofa und erinnert sich an die Anfänge von "Geisterjäger John Sinclair", der erfolgreichsten Heftromanserie Deutschlands.
Dämonen, Zombies und Vampire
Er hatte bereits ein paar Krimis und Western für den Bastei-Verlag geschrieben, als man ihn 1973 um eine Horrorserie bat. Also erfand er John Sinclair, Oberinspektor in der Spezialabteilung für besondere Fälle bei Scotland Yard. Mit seinem magischen Silberkreuz bringt der Dämonen, Zombies und Vampire zur Strecke.
Die mehr als 2000 bisher erschienenen Heftromane über Sinclairs Abenteuer hat Helmut Rellergerd allesamt im Keller seines Einfamilienhauses archiviert. Hinzu kommen mehr als 300 Taschenbücher sowie aufwendig produzierte Hörspiele.
Am Anfang steht immer ein Bild
"Ich habe dann bis ein Uhr geschrieben, dann was gegessen und dann noch weiter bis drei Uhr. Da hatte ich 30, 35 Seiten. Das war viel, das schaffe ich heute nicht mehr. Ich wundere mich, wenn ich heute zehn Seiten schaffe in zweieinhalb Stunden!"
Ursprung jeder Geschichte ist ein Bild: Der Verlag schickt Rellergerd regelmäßig per Post eine Auswahl möglicher Cover für die kommenden "John Sinclair"-Hefte. Er sucht dann ein, zwei aus, zu denen ihm etwas Schmissiges einfällt, setzt sich an seine alte Schreibmaschine und erfindet die passende Handlung zu den Titelbildern.
"Ich habe jetzt heute einen Roman angefangen. Ist ein Bild: ein Spiegel, und darin ist das Gesicht eines Monsters. Und ich fing den an: Eine Frau, eine Antiquitätensammlerin, die auf Spiegel spezialisiert ist, geht zu einem Händler hin, sieht den Spiegel, guckt rein und sieht plötzlich darin ein Monster."
Jonathan Meese brachte einen Stoffhai vorbei
Der Geisterjäger genießt längst Kultstatus und mit ihm auch sein Schöpfer. Im Oktober 2018 war der Künstler Jonathan Meese bei Helmut Rellergerd zu Besuch. Er brachte ein Filmteam und einen großen Stoffhai mit, handbemalt mit den Namen "John Sinclair" und "Jason Dark".
Der Stoffhai liegt jetzt ganz unprätentiös in Helmut Rellergerds Arbeitszimmer herum. Dort stehen auch Ordner mit Leserzuschriften. Im Laufe der Zeit hat Jason Dark von seinem Publikum um die 150.000 Briefe bekommen – und jeden einzelnen gelesen. Trotzdem will er nichts davon wissen, ein Star zu sein.
"Ach, ich sage mir immer: Ich bin Märchenerzähler. Ich erzähle den Leuten was, andere sind viel schlauer, ich habe noch nicht mal den Führerschein. Und derjenige, der mein Auto repariert, der hat mehr Verantwortung als ich mit meinem Kram, den ich schreibe."
Vielleicht hat Rellergerds Bescheidenheit auch mit seiner Herkunft zu tun: Er ist in Dortmund aufgewachsen, seine Eltern hatten nicht viel Geld. Gern wäre er Sportreporter geworden, hat dann aber Chemotechniker gelernt und in seiner Freizeit geschrieben.
Bis John Sinclair in sein Leben trat. Hätte er noch mal die Wahl, sagt er, würde er die Serie im Ruhrgebiet und im Kölner Raum ansiedeln, nicht in London. Dort war er übrigens in all den Jahren selbst noch nie, auch wenn er und seine Frau gern verreisen.
"Fahren jedes Jahr nach Sylt, eine Woche, seit 30 Jahren, aber dann, wenn die ganzen Arschgeigen weg sind. November. Wenn man da richtig die Insel hat für sich. Nicht die blöde Prominenz, sondern die Insel selbst mit dem Wind und Wetter, ja."
"Drei Schritte laufen, offener Gulli, rein, weg, peng"
Sollte er mal anfangen, sich zu wiederholen, sagt Helmut Rellergerd, will er aufhören mit dem Schreiben. Die Abenteuer des Geisterjägers würden damit nicht enden – in den vergangenen Jahrzehnten ist der um gerade einmal fünf Jahre gealtert. John Sinclair ist also noch weit entfernt von der Pensionsgrenze:
"Wenn ich nicht mehr bin, werden andere weiterschreiben, das ist wie bei 'Jerry Cotton'. Aber ich hab mal gesagt: Wenn ich den Sinclair sterben lassen würde, dann würde ich ihn besoffen aus der Kneipe kommen lassen, drei Schritte laufen, offener Gulli, rein, weg, peng."