Geistliche Musik

"Moderne Form der Evangelisierung"

Die singenden Mönche des Klosters Heiligenkreuz präsentieren die Platin-Auszeichnung für ihr Album "Chant".
Die singenden Mönche des Klosters Heiligenkreuz präsentieren die Platin-Auszeichnung für ihr Album "Chant". © dpa / picture alliance / epa apa Hans Klaus Techt
Von Stefan May |
Das Ziesterzinser-Kloster Heiligenkreuz bei Wien hat seinen Ort in der neuesten Musikgeschichte: Seine Mönche stürmten mit uralten Gesängen unter dem Titel "Chant" die Charts. Das ist sechs Jahre her – wie leben die Mönche heute mit dem Ruhm?
So hören sie sich live an: 18 Uhr, die schlanke gotische Stiftskirche mitten im Wienerwald ist gut besetzt, vorne im Chorgestühl stehen etwa zwei Dutzend Mönche in weiß-schwarzem Ordensgewand und singen die Vesper ... und so klingen sie auf CD.
Es war im Jahr 2008. Universal Music hatte aufgrund von Studien festgestellt, dass Choralgesang voll im Trend lag, nicht zuletzt, weil er Hintergrundmusik eines populären Computerspiels war. Also schrieb der Musikmulti den Wettbewerb "The most sacred voices" aus. Ohne sich viel dabei zu denken, schickten die Heiligenkreuzer Mönche ihren Youtube-Auftritt ein, drei Wochen später war die CD produziert.
Bald war es das meistverkaufte Album des Jahres im Segment Klassik und Jazz, in Österreich war es nach Falco und DJ Ötzi das erfolgreichste Musikprojekt überhaupt. Es folgte der Echo Classic Award – und auch die weiteren CDs verkauften sich mehr als gut. Der 30-jährige Pater Johannes Paul Schavann ist einer der etwa ein Dutzend Sänger der Schola auf diesen Aufnahmen. Er wurde erst im Frühjahr vorigen Jahres geweiht und hat eine Pfarrei der Zisterzienser übernommen:
"Eines der schönsten Erlebnisse war einmal, dass ich in ein Geschäft gegangen bin in Wien, und der Verkäufer hat mich erkannt, weil wir ja das Gewand, das Ordensgewand, immer anhaben. Und fragt mich: Sind Sie Mönch aus Heiligenkreuz? Und ich sage, ja, ich bin aus Heiligenkreuz. Sagt er, das ist schön, weil ich höre mir immer das erste Lied auf der CD an, wenn ich in die Arbeit fahre mit der Straßenbahn. Und das ist mein Morgengebet. Und ich konnte ihm sagen, dass der junge Mönch, der auf diesem ersten Lied allein singt, ich bin."
Praktisch über Nacht sind die Mönche aus Heiligenkreuz berühmt geworden:
"Wir haben Einladungen gehabt von der Mailänder Scala bis zu verschiedenen Opern, bis zu Geburtstagsfeiern von allerallerhöchster Weltprominenz, bis hin zu Blutspende-Feiern und Pfarrfeiern und Benefizveranstaltungen für Volksschulen, dass wir dort singen und auftreten. Aber da haben wir auch eine klare Regelung für uns selbst getroffen, dass wir gesagt haben, nein, das machen wir nicht, weil das hätten wir als Gemeinschaft wirklich nicht geschafft, wenn wir da eben durch die Weltbühnen getourt wären. Wir haben damit natürlich auf viel Geld verzichtet."
Reicher geworden seien sie mit den CDs nicht, beteuert Pater Johannes Paul. 54 Cent gab es pro verkaufte Einheit. Mit dem Geld ermöglichen sie Theologiestudenten aus ärmeren Ländern das Studium, denn Heiligenkreuz betreibt auch eine päpstliche Hochschule. Der Erfolg ist den Patres nicht zu Kopf gestiegen. Es gibt warnende Beispiele von Ordensleuten, die mit Musik populär wurden: vor Jahrzehnten etwa die belgische Nonne Soeur Sourire, die dann aus dem Orden austrat und später Selbstmord beging. Die Heiligenkreuzer Mönche treten in keinen Shows auf, sie laden hingegen ein: Zu ihren siebenmal am Tag gesungenen Gebeten in der Klosterkirche. Diese über Tonträger in die Welt zu bringen, könnte durchaus als neue Art der Mission verstanden werden:
"Ich sehe es absolut als moderne Form der Evangelisierung und der Verkündigung des Glaubens. Wir waren wirklich in vielen Talkshows – und 15 Minuten konnte ich Zeugnis geben für Gott. Vor einem Millionenpublikum. Das ist, glaube ich, das, was die Kirche heute tun muss."
Der kommerzielle Erfolg soll weder das Gemeinschaftsleben der Mönche beeinträchtigen, noch darf er den Gregorianischen Choral zur Show werden lassen – da ist man sich in Heiligenkreuz einig. Der unerwartet große Erfolg ihrer CD-Reihe "Chant" spiegelt laut Pater Johannes Paul auch ein gesamtgesellschaftliches Bedürfnis wider:
"In einer Zeit, wo alles so schnelllebig geworden ist, alles so hektisch geworden ist, wo es einen unglaublichen Leistungsdruck in allen Bereichen gibt, und wo auch sozusagen die Musikwelt ein Teil der Wegwerfgesellschaft geworden ist - Wenn dann sozusagen in diese Welt etwas kommt, eine Musik, die wirklich aus uralten Traditionen lebt, aus Wurzeln lebt, die Jahrtausende alt sind, Musik, die Gebet ist, vertontes Gebet ist, die Bleibendes, Wahres, Festes vermittelt, dann sieht man, dass da eine unglaubliche Sehnsucht der Menschen auch nach solchen Werten ist, und letztlich sicherlich auch nach Spiritualität und auch nach Glaube, und im Innersten, ob sie es wissen oder nicht: Eine Sehnsucht nach Gott."
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