Gekaufte Chart-Platzierung
Brasilien ist das korrupteste Land in Lateinamerika. Auch im Musikbetrieb grassiert die Bestechung. Viele Künstler des Tropenlandes werfen dem zuständigen Minister Gilberto Gil vor, in seiner vierjährigen Amtszeit entgegen seinen Versprechen weitgehend untätig geblieben zu sein.
Gemäß einer neuen internationalen Studie ist Brasilien das korrupteste Land Lateinamerikas. Bestechung ist gängige Praxis selbst im Musiksektor - und man spricht auch ganz offen darüber. Multinationale Musikkonzerne, Plattenfirmen zahlen an die verantwortlichen Redakteure und Chefs von Radio- und Fernsehstationen hohe Summen, schenken ihnen Luxusreisen, Autos und Häuser, damit bestimmte Musiktitel so lange gespielt und angepriesen werden, bis sie zum Verkaufshit avancieren. Diese Art von Korruption heißt in den USA "Payola", in Brasilien "Jabaculè". Der Besitzer eines großen brasilianischen Jugendradios sagt, für das Lancieren einer einzigen Sängerin habe er eine Million Dollar bekommen. In Hitparaden liegen jene Titel vorne, für die am meisten bezahlt wird. Der Musiker und Produzent Rodolfo Stroeter aus Sao Paulo komponierte mit Gilberto Gil und kennt Jabaculè sehr genau.
"Die Plattenfirmen kaufen unter der Hand einfach Sendezeiten – und das ist Korruption, moralisch absolut verwerflich. Von einem Tag zum anderen hört man einen Titel in fast sämtlichen Radio- und Fernsehstationen. Da wird den Leuten Musik regelrecht aufgedrängt, man kann ihr nicht entfliehen. Mit meinen CDs passiert das Gegenteil – da habe ich hier in Sao Paulo nur im Universitätsradio und in einem kleinen Kultursender eine Chance. Wegen der Jabaculè-Abmachungen in den großen Radios bin ich dort regelrecht ausgesperrt."
Das gilt auch für den oft durch Europa tourenden Avantgardisten Tom Zè, der einst mit Gilberto Gil zur künstlerischen Erneuerungsbewegung "Tropicalismo" gehörte. Tom Zè hat stets volle Konzerte, doch im Radio hört man ihn nur höchst selten.
"Wir haben viel Wegwerfmusik in Brasilien. Man muss sich nur anschauen, was das Fernsehen an Titeln aus Rio de Janeiro, Bahia oder Sao Paulo anpreist – soviel Mist und Schrott."
Beim heutigen Kulturminister Gilberto Gil lief es seit jeher anders. Seine Kompositionen wurden – und werden in den brasilianischen Radios rauf und runter gespielt:
Nach Gils Amtsantritt rückte Mitte 2003 Andre Midani, einer der mächtigsten multinationalen Musikmanager Brasiliens in den sechziger bis neunziger Jahren, ganz überraschend mit der Sprache heraus: "Ich habe damals Jabaculè bezahlt, damit Gilberto Gil in den Radios gespielt wird." Laut Midani sind nur deshalb auch andere bekannte Namen der Bossa Nova, des Tropicalismo und des brasilianischen Rock groß heraus gekommen. Als Zahlungsmittel seien in der Branche auch Rauschgift und Prostituierte üblich gewesen. Die Enthüllung schlägt in der Musikbranche entsprechend ein. Viele benachteiligte Künstler fordern Kulturminister Gil auf, wie versprochen diese Art von Korruption endlich energisch zu bekämpfen. In den USA, so die Kulturkritiker, habe der Musikkonzern Sony-BMG 2005 wegen solcher Praktiken eine Strafe von zehn Millionen Dollar zahlen müssen – warum folge man in Brasilien nicht diesem Beispiel? Nicht etwa der Minister, sondern ein Abgeordneter formulierte schließlich einen Gesetzentwurf gegen Jabaculè. Doch ob und wann darüber abgestimmt wird, ist nicht bekannt. Gilberto Gil äußert sich ausweichend, hält nichts davon, Jabaculè zur Straftat zu erklären, will noch mehr öffentliche Diskussion.
"Wir alle wissen, wie schwierig es ist, Absichten und Worte in die Realität umzusetzen. Besonders in der öffentlichen Verwaltung. Die Kulturindustrie dieses Landes braucht mehr Kapitalismus, einen regelrechten Kapitalismus-Schock, um dynamischer zu werden, ihr Potential vollauf zu nutzen und die kulturelle Diversität zu fördern."
Der Minister erklärt sich vor den Präsidentschaftswahlen gegenüber der brasilianischen Presse ausdrücklich "zufrieden" mit der Regierung, die immerhin gleich von mehreren Korruptionsskandalen heimgesucht worden ist. Er glaube nicht, dass Jabaculè zu stoppen sei. Daher gründen zahlreiche Künstler eine Bewegung gegen Bestechung im Musikbetrieb, den "Movimento Jabasta". Und werfen Gilberto Gil öffentlich vor, den Ministerposten zur persönlichen Bereicherung zu nutzen. Seine Konzertgagen hätten sich verdreifacht. Der brasilianische Raubtierkapitalismus, die Musikmultis und Jabaculè sorgten andererseits dafür, dass Hunderte oder gar Tausende von talentierten Musikern keinerlei Chance hätten. Im Gegensatz zum gelernten Betriebswirt Gilberto Gil.
"Die Plattenfirmen kaufen unter der Hand einfach Sendezeiten – und das ist Korruption, moralisch absolut verwerflich. Von einem Tag zum anderen hört man einen Titel in fast sämtlichen Radio- und Fernsehstationen. Da wird den Leuten Musik regelrecht aufgedrängt, man kann ihr nicht entfliehen. Mit meinen CDs passiert das Gegenteil – da habe ich hier in Sao Paulo nur im Universitätsradio und in einem kleinen Kultursender eine Chance. Wegen der Jabaculè-Abmachungen in den großen Radios bin ich dort regelrecht ausgesperrt."
Das gilt auch für den oft durch Europa tourenden Avantgardisten Tom Zè, der einst mit Gilberto Gil zur künstlerischen Erneuerungsbewegung "Tropicalismo" gehörte. Tom Zè hat stets volle Konzerte, doch im Radio hört man ihn nur höchst selten.
"Wir haben viel Wegwerfmusik in Brasilien. Man muss sich nur anschauen, was das Fernsehen an Titeln aus Rio de Janeiro, Bahia oder Sao Paulo anpreist – soviel Mist und Schrott."
Beim heutigen Kulturminister Gilberto Gil lief es seit jeher anders. Seine Kompositionen wurden – und werden in den brasilianischen Radios rauf und runter gespielt:
Nach Gils Amtsantritt rückte Mitte 2003 Andre Midani, einer der mächtigsten multinationalen Musikmanager Brasiliens in den sechziger bis neunziger Jahren, ganz überraschend mit der Sprache heraus: "Ich habe damals Jabaculè bezahlt, damit Gilberto Gil in den Radios gespielt wird." Laut Midani sind nur deshalb auch andere bekannte Namen der Bossa Nova, des Tropicalismo und des brasilianischen Rock groß heraus gekommen. Als Zahlungsmittel seien in der Branche auch Rauschgift und Prostituierte üblich gewesen. Die Enthüllung schlägt in der Musikbranche entsprechend ein. Viele benachteiligte Künstler fordern Kulturminister Gil auf, wie versprochen diese Art von Korruption endlich energisch zu bekämpfen. In den USA, so die Kulturkritiker, habe der Musikkonzern Sony-BMG 2005 wegen solcher Praktiken eine Strafe von zehn Millionen Dollar zahlen müssen – warum folge man in Brasilien nicht diesem Beispiel? Nicht etwa der Minister, sondern ein Abgeordneter formulierte schließlich einen Gesetzentwurf gegen Jabaculè. Doch ob und wann darüber abgestimmt wird, ist nicht bekannt. Gilberto Gil äußert sich ausweichend, hält nichts davon, Jabaculè zur Straftat zu erklären, will noch mehr öffentliche Diskussion.
"Wir alle wissen, wie schwierig es ist, Absichten und Worte in die Realität umzusetzen. Besonders in der öffentlichen Verwaltung. Die Kulturindustrie dieses Landes braucht mehr Kapitalismus, einen regelrechten Kapitalismus-Schock, um dynamischer zu werden, ihr Potential vollauf zu nutzen und die kulturelle Diversität zu fördern."
Der Minister erklärt sich vor den Präsidentschaftswahlen gegenüber der brasilianischen Presse ausdrücklich "zufrieden" mit der Regierung, die immerhin gleich von mehreren Korruptionsskandalen heimgesucht worden ist. Er glaube nicht, dass Jabaculè zu stoppen sei. Daher gründen zahlreiche Künstler eine Bewegung gegen Bestechung im Musikbetrieb, den "Movimento Jabasta". Und werfen Gilberto Gil öffentlich vor, den Ministerposten zur persönlichen Bereicherung zu nutzen. Seine Konzertgagen hätten sich verdreifacht. Der brasilianische Raubtierkapitalismus, die Musikmultis und Jabaculè sorgten andererseits dafür, dass Hunderte oder gar Tausende von talentierten Musikern keinerlei Chance hätten. Im Gegensatz zum gelernten Betriebswirt Gilberto Gil.