"Ein plebejischer Aufstand"
Die Gelbwesten erinnern Präsident Macron nachdrücklich an die soziale Ungleichheit in Frankreich, sagt Raul Zelik. Nur auf den parlamentarischen Weg zu setzen, findet der Schriftsteller naiv - und begrüßt die neue "Wucht und Vehemenz" der Straßenproteste.
Was derzeit auf Frankreichs Straßen passiert, ist für den Schriftsteller und Politologen Raul Zelik ein "plebejischer Aufstand". Der teils gewalttätige Protest der Gelbwesten gegen die Regierung Macron erinnert Zelik an die Revolution von 1848.
"Solche Aufstände bringen es mit sich, dass sie widersprüchlich sind. Es ist vieles drin, das nach vorne weist. Aber es gibt natürlich auch Dinge, die nach hinten weisen, die reaktionär sind", sagte Zelik mit Blick auf rechtsextreme und rassistische Strömungen bei den "gilets jaunes", deren Radikalisierung andere Intellektuelle wie die Schriftstellerin Gila Lustiger beunruhigen.
"Die Proteste haben sich sehr verändert"
Der Rechtsruck in der Bewegung habe auch ihn auf- und abgeschreckt, räumte Zelik ein. "Aber man muss auch sagen, dass sich diese Proteste sehr verändert haben in den letzten Wochen. Sie fingen an mit einem Gestus, den ich konservativ oder sogar reaktionär fand. Dann sind aber die sozialen Forderungen immer stärker in den Mittelpunkt gerückt."
Die direkte Konfrontation zwischen Gelbwesten-Bewegung und Staatsmacht begrüßte der Schriftsteller. "Dadurch, dass es ein plebejischer Aufstand ist, setzt er Fragen wieder auf die Tagesordnung, die der Elite-Präsident – das ist er tatsächlich, er kommt ja von einer Elite-Uni, Macron ist ein Zögling der oberen Klassen Frankreichs – nicht auf dem Schirm gehabt hat."
Nur auf dem parlamentarischen Weg ändert sich nichts
Zelik sagte, Gesellschaften veränderten sich nur dann, "wenn tatsächlich auch mit einer gewissen Wucht und Vehemenz Forderungen unvermittelt auf die Straße getragen werden". Nur auf den "parlamentarischen Apparat" zu setzen sei naiv.
Zelik hatte vor wenigen Tagen am Kongress des sozialistischen Studierendenverbands der Partei "Die Linke" teilgenommen - wie auch prominente französische Intellektuelle wie Didier Eribon oder Éduard Louis. Was er dort gesehen und gehört habe, stimme ihn optimistisch, sagte Zelik: Eribon, Louis und andere hätten sich klar positioniert. Und: Es gebe sehr viele kritische junge Leute – es sei eine Generation herangewachsen, "die wieder grundsätzliche Fragen stellt".
(mkn)