Finanzmarkt ist "sehr viel stabiler geworden"
Das Risikomanagement der Banken sei seit der Krise "deutlich verbessert", findet der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken, Michael Kemmer. Er räumte ein, dass noch eine Menge an Problemkrediten "wie Blei" in den Bilanzen liegen werde. Derzeit findet in Berlin der 20. Deutsche Bankentag statt.
Marietta Schwarz: "Die Eurozone braucht ein stabiles Bankensystem und die Banken benötigen eine stabile Eurozone: Was sich wie eine einfache Gleichung liest, hat in der Realität den Charakter einer Daueraufgabe angenommen", so kündigt der deutsche Bankenverband den 20. Bankentag an, der gestern Abend in Berlin begonnen hat. Doch wo Banken und Politiker zu einem solchen Treffen zusammenkommen, glaubt man nicht wirklich daran, dass wichtige Fragen des Finanzsystems geklärt werden. Das hätte man ja auch schon in den vergangenen Jahren erledigen können, und das geschah weder bei Bankentagen noch bei den großen Gipfeln weltweit. Stattdessen warnen viele Experten vor der nächsten großen Finanz- und Bankenkrise, und ganz nebenbei haben Dutzende Banken den Fiskus auch noch um Millionen mit dubiosen Aktiendeals geprellt. Am Telefon ist Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken. Guten Morgen, Herr Kemmer!
Michael Kemmer: Guten Morgen, Frau Schwarz!
Schwarz: Wie begegnen sich eigentlich Politiker und Banker bei einer solchen Veranstaltung wie dem Deutschen Bankentag? Freunde dürften sie ja eigentlich nicht sein.
"Ein gutes Verhältnis zur Politik"
Kemmer: Wir begegnen uns auf einer guten, sachlichen Ebene, wir kennen einander und Kontakt zur Politik ist ja gerade für einen Verband sehr wichtig. Die Politik schätzt uns, weil sie weiß, dass wir fachkundig sind, dass wir die Themen zu durchdringen versuchen. Sie weiß natürlich auch, dass wir Lobbyisten sind, Interessenvertreter. Aber wir versuchen schon, uns zunächst eine objektive Meinung zu bilden und auch zu trennen von dem, was wir dann im eigenen Interesse tun. Wir haben ein gutes Verhältnis zur Politik und die Politik hat ein gutes Verhältnis zu uns.
Schwarz: Fangen wir, Herr Kemmer, doch mal mit den Aktiendeals an, das jüngste Thema aus den Medien: Banken haben sich die einmal gezahlte Kapitalertragssteuer mehrmals erstatten lassen. Was ist das, Betrug oder geschicktes Ausnutzen von Gesetzeslücken?
Kemmer: Also ich will mir hier kein Urteil anmaßen, das Ganze ist ja auch höchst richterlich noch nicht geklärt. Da gibt es Verfahren vor dem Bundesfinanzhof, da muss man abwarten, was dabei rauskommt. Ich kenne die Details auch nicht, ich weiß nur, dass es hier eine Gesetzeslücke gegeben hat im Steuerrecht seinerzeit, und ganz offensichtlich – aber ich kenne das, wie gesagt, auch nur aus der Zeitung – ist diese Gesetzeslücke ausgenutzt worden. Ich vermag das nicht zu beurteilen, wie das zu werten ist, da müssen einfach die zuständigen Behörden ihre Arbeit machen.
Schwarz: Und wenn es eine Gesetzeslücke ist, ist es dann okay, das zu tun?
Kemmer: Wie gesagt, ich vermag das nicht zu beurteilen. Ich glaube, man muss mit moralischen Urteilen und moralischen Verurteilungen schwierig sein, gerade wenn es um so ein kompliziertes Thema wie das Steuerrecht geht, und wir haben ja durchaus auch schon Fälle erlebt – das soll bitte keine Rechtfertigung sein, sondern nur eine sachliche Feststellung –, wo Steuer zwei Mal erhoben wird, weil eine Gesetzeslücke besteht, in die andere Richtung, zulasten des Steuerpflichtigen. Und so lange die Gesetzeslücke in dieser Form besteht, musste dann der Steuerpflichtige auch zwei Mal Steuern zahlen, ohne dass das sachlich gerechtfertigt war. Auch solche Fälle gab es. Ich will da nur darauf hinweisen, dass das Steuerrecht eben eine sehr komplizierte Sache ist und das muss sehr sorgfältig ausgearbeitet werden.
Schwarz: Herr Kemmer, der EU-Abgeordnete Markus Ferber sagt, die Banken sind am innovativsten von allen darin, Lücken im Gesetz zu finden. Insider sagen, die Banken sind heute sogar ein größeres Risiko als vor der Krise. Wie sicher sind wir denn vor einer weiteren Finanzkrise?
Vielzahl neuer Regelungen
Kemmer: Der Bankenmarkt, der Finanzmarkt insgesamt ist mit Sicherheit sehr viel stabiler geworden seit dieser großen Finanzkrise. Es hat sich hier sehr viel getan, auch wenn es einige Leute gar nicht wahrhaben wollen, aber wenn Sie sich die Vielzahl der Regelungen anschauen, die neu erlassen worden sind, insbesondere im Bereich des Eigenkapitals, dann sehen Sie, dass die Banken hier gut weitergekommen sind.
Schwarz: Aber wir können es doch regelmäßig in den Medien lesen: Es wird wieder mit hohem Risiko gezockt, Rekordzahlen bei den Schrottanleihen, hochriskante Kredite werden wieder gehandelt, als wäre nichts gewesen. Woran liegt das?
Kemmer: Also man kann das in den Medien lesen, aber ich würde mal sagen, die ernsthafteren Medien, die auch dazu bereit sind, sich mit dieser komplexen Materie intensiv auseinanderzusetzen, erkennen durchaus an, dass es hier Fortschritte gegeben hat. Die Banken haben ihr Risikomanagement deutlich verbessert. Allein in Deutschland sind seit der Finanzkrise mehr als 100 Milliarden Euro zusätzliches Eigenkapital aufgenommen worden, was die Banken natürlich auch stabiler macht. Dass sie ihre Altlasten abarbeiten müssen, dass sie Bestände an schwierigen Aktiva abarbeiten müssen, verkaufen müssen, versuchen müssen, in den Markt zu bringen, das ist verständlich, das ist ein Effekt aus der Krise, der muss noch aufgearbeitet werden. Dass Bankgeschäft auch nie risikolos sein wird, das ist normal, das ist im Bankgeschäft inhärent. Auch das kann man nicht ändern, das darf man auch gar nicht ändern. Aber die Risikobeherrschung ist deutlich besser geworden, die Regeln sind deutlich strenger geworden. Es ist noch ein Stück Weg zurückzulegen, aber wir sind schon ein gutes Stück vorangekommen und ich finde es schade, dass das an der einen oder anderen Stelle auch gar nicht respektiert wird. Da tut man auch der Politik ein bisschen unrecht in dieser Sache.
Schwarz: Der Politik oder den Banken, die Frage ist ja, wie viel Risiko man eingeht. Also es sind Problemkredite in Höhe von 900 Milliarden im Umlauf. Das Institut der deutschen Wirtschaft warnt bereits, dass wieder der Steuerzahler im Falle eines Falles einspringen muss, weil die Banken nicht ausreichend Kapital vorhalten. Da wäre jetzt auch zum Beispiel mal die Frage, ob eine Verschuldungsquote von drei Prozent ausreichend ist, die ja noch nicht durch ist?
Kemmer: Man muss hier differenzieren, was die Frage der Problemkredite betrifft. Banken, ein Bankensektor ist natürlich auch immer ein Spiegel der nationalen Volkswirtschaft. Wir haben in den schwierigen Peripheriestaaten in Südeuropa insbesondere natürlich eine große Menge an Problemkrediten, die sicherlich auch noch einige Zeit wie Blei in den Bilanzen der Banken liegen werden. Das ist aber der ökonomischen Situation dieser Länder geschuldet, und wir hoffen, dass durch die Bankenaufsicht, die Europäische Bankenaufsicht, durch die Europäische Zentralbank die Dinge verbessert werden. Es gibt jetzt doch eine umfassende Bilanzprüfung für diese Banken, die unter die EZB-Aufsicht kommen, sodass wir glauben, dass hier auch noch ein zusätzliches Sicherheitsnetz für diese Problemkredite eingezogen werden wird.
Schwarz: Also alles kein Problem?
"Wir sind noch nicht am Ende mit unseren Bemühungen"
Kemmer: Nein, das habe ich nicht gesagt, aber so, wenn Sie mir die Bemerkung gestatten, einseitig, wie Sie es im Moment gerade geschildert haben, ist die Welt auch nicht. Es ist nach wie vor schwierig, aber wichtig ist, dass wir anerkennen müssen und anerkennen wollen, dass es schon deutliche Fortschritte gegeben hat in den letzten Jahren. Wie gesagt, wir sind noch nicht am Ende mit unseren Bemühungen, auch der Gesetzgeber ist noch nicht am Ende, aber einen Großteil der Wegstrecke hat er schon zurückgelegt.
Schwarz: Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken. Danke Ihnen für das Gespräch!
Kemmer: Gerne, Frau Schwarz!
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