Erst Rüstung, dann Rettung
Vor der Krise war Griechenland ein Top-Kunde der deutschen Rüstungsindustrie. Schmiergelder in Millionenhöhe gingen an griechische Amtsträger. Heute besitzt der Schuldenstaat mehr Panzer als Deutschland, Frankreich und Großbritannien zusammen.
Die Leoforos Megalou Alexandrou in Thessaloniki. Panzer rollen vorbei. Russische, amerikanische und ganz zum Schluss der Stolz des griechischen Militärs: Deutsche Panzer vom Typ Leopard. Der Asphalt vibriert. Gefeiert wird der griechische Nationalfeiertag. Früher schwenkten dabei Zuschauer fröhlich Fahnen. Heute gleicht die Szenerie einer Geisterparade. Die Polizei hat alle Straßen hermetisch abriegelt, um die Waffenshow vor Demonstranten zu schützen. Nur Offiziere, Politiker und akkreditierte Journalisten dürfen zuschauen. Seitdem bekannt wurde, dass Politiker und Offiziere bei Rüstungseinkäufen Millionen an Schmiergeldern kassiert haben, sind die Menschen enttäuscht und wütend.
"Es ist wirklich eine Schande für mich und für alle. Ich glaube, dass eine Handvoll Politiker das Land peinlich gemacht haben, weil einfach ihre Ziel durch das Bestechung das Reichtum war."
Nikos Zigras sitzt in Athen in dem Büro seines Anwalts. Der alte Mann mit dem schmalen, langen Gesicht und den wellenförmigen Falten auf der Stirn ist nur ungern unter Menschen, denn er fürchtet um sein Leben. In einem Aufsehen erregenden Prozess hat der 78-Jährige vor Gericht gestanden, Millionen an Bestechungsgeldern auf Schweizer Konten versteckt zu haben. Dafür erhielt er Morddrohungen.
Er steckte Milliarden in deutsche Waffen
Zigras hat in dem Prozess gegen seinen Cousin, Griechenlands ehemaligen Verteidigungsminister, ausgesagt. Durch sein Geständnis ist er frei, sein Cousin aber, Akis Tsochatspoulos, wurde zu 20 Jahren Haft verurteilt.
"Ich musste die Wahrheit sagen. Ich konnte nicht anders, denn das war eine Last für mich und ich werde diese ewig in meinem Leben tragen. Ich bin frei, aber ich habe keine Freude für diese Situation. Ich habe um Entschuldigung gebeten für mein Benehmen."
Den Athener Staatsanwälten und Richtern hat Nikos Zigras detailliert erzählt, wie er die Geldwäsche für seinen Cousin betrieben hat:
"Das Geld kam anfangs in Koffern, aber irgendwann wurde das schwieriger und die Unternehmen stellten lieber Schecks aus. Sie waren auf die Namen von Firmen ausgestellt, die ich auf Anweisung meines Cousins vorher gegründet hatte. Ich habe die Schecks eingelöst, dann ist das Geld über Umwege nach Griechenland gekommen und ich habe ihm das Geld übergeben."
Für den Kauf eines russischen Raketenabwehrsystems hat er 25 Millionen Dollar für seinen Cousin verschoben. Auch für den Kauf deutscher U-Boote soll er über Briefkastenfirmen in Steuerparadiesen Gelder eingestrichen haben. Die Ermittlungen dazu sind in Griechenland noch nicht abgeschlossen.
Teuer bezahlte U-Boote verrosten
Die Staatsausgaben für Rüstung lagen zur Amtszeit von Akis Tsochatsopoulos weit über dem EU-Durchschnitt. Der ehemalige Verteidigungsminister steckte Milliarden, die er gar nicht hatte, in deutsche Waffen: darunter vier U-Boote der Howaldtswerke-Deutsche Werft, 170 Leopard-Panzer und dutzende Militärfahrzeuge. Heute besitzt Griechenland mehr Panzer als Deutschland, Frankreich und Großbritannien zusammen. Zeitgleich mit den Rüstungseinkäufen wurde der Minister immer reicher.
"Er hatte eine Gier nach Geld und eine Gier nach Macht. Das war auch der Grund dafür, dass er dachte, er sei unantastbar. Der hat alles investiert in Häuser. In verrückte Sachen, in ein schönes Leben."
Für die griechischen Arbeiter, die Bausätze der U-Boote zusammengebaut haben, war das Geschäft ein Desaster. Die Angestellten warten bis heute auf Ihren Lohn. Jede Woche versammeln sie sich vor dem Parlamentsgebäude und fordern Gerechtigkeit. Unter ihnen auch der Ingenieur Vassilis Tsimpidis. Ihm schuldet der Werftbesitzer das Gehalt von 58 Monaten.
"Ich bin einfach nur wütend darüber, dass einige, die nie in ihrem Leben gearbeitet und sich angestrengt haben, reich geworden sind, tolle Häuser und Wohnungen besitzen. Ich habe 35 Jahre hart gearbeitet und habe es zu nichts gebracht. Und das Traurige ist, zum Schluss haben sie mir noch meine Arbeit weggenommen."
Die Arbeiter warten noch immer
Die Werft Skaramangas im Süden Athens wurde lange Zeit stillgelegt, drei teuer bezahlte U-Boote verrosteten auf den Trockendocks. Griechenland hatte nicht das Geld, die U-Boote fertig zu bauen. Vassillis Tsimpidis läuft über das verlassene Gelände. Er nennt seinen früheren Arbeitsplatz einen "Friedhof aus Eisen".
Vor einem Tor stellt der Ingenieur seine Kollegen vom Wachdienst vor. Sie kommen freiwillig hierher, um die U-Boote zu bewachen:
Erste Person: "Wir können doch nicht einfach abhauen und das alles hier unbewacht liegen lassen."
Zweite Person: "Auch wenn wir immer noch auf unser Geld warten"
Dritte Person: "Jetzt schon neun Monate."
Inzwischen wurden mit Geldern der EU und des IWF die Schulden bei der deutschen Werft beglichen. Die Arbeit wieder aufgenommen. Die U-Boote sollen fertig gebaut werden. Auf ihr Geld aber warten die Arbeiter noch immer.