Einen weiteren Beitrag zur Opernpremiere in Stuttgart von Susanne Kaufmann hören Sie hier: Audio Player
Halbe Inszenierung ohne Regisseur Kirill Serebrennikow
Die Stuttgarter Oper hat die Märchenoper "Hänsel und Gretel" inszeniert. Weil aber der Regisseur der Inszenierung, Kirill Serebrennikow, in Russland unter Hausarrest steht, führte das Haus das Stück als eine Art Fragment auf und unterstützte damit die Forderung nach einer Freilassung des Künstlers.
Mit großer Spannung hatte das Stuttgarter Opernpublikum die Premiere von Engelbert Humperdincks Märchenoper "Hänsel und Gretel" erwartet. Der Hausarrest des russischen Regisseurs Kirill Serebrennikow war um drei Monate verlängert worden. Deshalb konnte der Theatermacher seine Inszenierung nicht vollenden, sodass Intendant Jossi Wieler vor dem Dilemma stand, die unvollendete Arbeit dennoch zur Aufführung zu bringen.
Vorstellung mit Symbolkraft
"Wir haben die halbe Inszenierung zu sehen bekommen", sagte unser Kritiker Rainer Zerbst im Deutschlandfunk Kultur über die ungewöhnliche Opernpremiere. Und er fügte hinzu: "Ich halte die Entscheidung für grandios, für sehr feinfühlig und das passt natürlich zu Jossi Wieler, egal, ob der nun eine Oper inszeniert oder ob er diese Oper Stuttgart leitet", sagte Zerbst über die gefundene Lösung. "Er denkt immer sehr genau nach und alles, was er tut hat Symbolkraft." So traten die Darsteller in Alltagskleidung auf und das Opernhaus schmückten Banner mit der Forderung nach Serebrennikows Freilassung.
Verquickung mit Filmszenen
Zerbst lobte die gelungene Verzahnung von Film, Bühnengeschehen und Musik. Auf der Bühne wurden Serebrennikows in Ruanda und Stuttgart aufgenommene Filmszenen gezeigt. Sie versetzten "Hänsel und Gretel" in das Spannungsfeld zwischen afrikanischer Armut und europäischer Konsumwelt. Im Programmheft heißt es jetzt: "Ein Märchen von Hoffnung und Not, erzählt von Kirill Serebrennikow." Zerbst sagte, er glaube, dass der Regisseur sich über den Opernabend und dieses brillant gemachte Experiment freuen könne.
Plädoyer für die Freiheit der Kunst
Der Abend habe verdeutlicht, dass man vor politischer Machtausübung nicht einknicke und sei damit ein Plädoyer für die Freiheit der Kunst gewesen. "Und wenn die Kunst noch nicht ganz fertig ist, dann bringen wir sie so subtil auf die Bühne, wie es uns möglich ist." Sobald Serebrennikow frei komme, könne er die Inszenierung weiterführen. Zerbst sagte, er gehe davon aus, dass es dann noch einmal eine Premiere von "Hänsel und Gretel" geben werde.