Gelungener Goldoni-Abend

Rezensiert von Ulrike Gondorf · 01.06.2007
Eine Scheibe gebratener Kürbis bringt alles ins Rollen: den lassen sich die Frauen von Chiozza vom falschen Mann offerieren, und als ihre Angetrauten und Verlobten vom Fischfang zurückkehren, gibt es erst Gerüchte, dann Gerede und schließlich einen handfesten und abendfüllenden Krach.
Für das Theater Bonn hat Frank Günther Goldonis späte Komödie von 1762 neu übersetzt und dafür einen Kunst-Dialekt erfunden. Der nimmt Anleihen auf bei existierenden Mundarten, hängt jedem Wort ein Mehrzahl-s an und tut viel mit dem Verb "tun" umschreiben, braucht "nie nicht" den Dativ, sondern lässt ihn vom Akkusativ den Garaus machen. Das wirkt gelegentlich etwas zwanghaft, für etwaige weitere Aufführungen würde sich eine Ausdünnung empfehlen – und ein energischerer Sprachduktus, eine temporeichere und lustvollere Umsetzung durch Regie und Schauspieler, einfach mehr "italianita".

Ein Manko, dem starke Qualitäten des Abends gegenüber stehen: Vor allem kann man in David Mouchtar-Samorais Inszenierung die zwei Ebenen von Goldonis Dramaturgie gleichberechtigt und gleich gelungen erleben: der Theaterreformer überwand zwar die schematische Nummernfolge und stereotype Charakterisierung der commedia dell’arte, der italienischen Stegreifkomödie, auf der seine Stücke aufbauen. Aber er wusste sie noch genial zu bedienen, und Regisseur und Schauspieler tun es ihm nach in Bonn, mit akrobatischen Einlagen, mit komödiantisch ausgespielten "Macken".

Fulminant hier Bernd Bauer als Fortunato, der das Unglück hat, die Konsonanten nicht richtig aussprechen zu können, und das Glück, mit diesem effektvollen Defekt zum Publikumsliebling zu avancieren. Dass Goldoni schon mit dem Scharfblick des Psychologen in das Innenleben seiner Figuren hineinsah, zeigt dagegen das junge Paar Lucietta und Titta. "Sie küssten und sie schlugen sich", aber in dieser temperamentvollen Beziehung gibt es tiefes Gefühl – und erst im allerletzten Moment finden die beiden auch den Weg, es auszudrücken. Nicole Kersten und Yorck Dippe lassen die Zuschauer mitzittern um ein schwieriges Glück. Das die Aufführung mit einem leisen, poetischen Schlussbild feiert nach all dem Krach in Chiozza. Ein klug balancierter Goldoni-Abend, gute Laune im Publikum und viel Beifall für das ganze große Ensemble.

Krach in Chiozza
Von Carlo Goldoni
Inszenierung: David Mouchtar-Samorai
Theater Bonn