Höhere GEMA-Rechnungen

Weihnachtsmärkte ohne „Last Christmas“

Der Leuchtschriftzug "Christkindlesmarkt" hängt über dem Gehweg zum Nürnberger Weihnachtsmarkt.
Die GEMA-Rechnung für den Nürnberger Christkindlesmarkt stieg von 1.500 Euro auf 29.000 Euro. © picture alliance / dpa / Daniel Karmann
Jedes Mal, wenn „Last Christmas“ auf dem Weihnachtsmarkt erklingt, fallen GEMA-Kosten an. Hielten sich diese bisher in Grenzen, sind sie zuletzt regelrecht explodiert. Einige Märkte kündigten nun Konsequenzen an.
Weihnachtsmärkte ohne besinnliche – oder auch für manche Ohren nervtötende – Musik sind kaum vorstellbar. Doch jedes Mal, wenn öffentlich Musik abgespielt oder live dargeboten wird, tritt die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) auf den Plan und fordert von den Betreibern Geld. Damit werden dann die Urheber der Lieder für ihre Werke entlohnt.
Bisher waren die Kosten für Weihnachtsmärkte, die zentral von der GEMA eingezogen werden, überschaubar. Doch in diesem Jahr gibt es erheblichen Ärger. In den Rechnungen der GEMA für 2022 sind die Kosten regelrecht explodiert.
Hatte der Nürnberger Christkindlesmarkt in den vergangenen Jahren gerade einmal 1.500 Euro für die gesamte Zeit des Weihnachtsmarktes gezahlt, also vom 1. bis zum 24. Dezember, so betrug die Rechnung für 2022 plötzlich rund 29.000 Euro. Ähnlich beim Weihnachtsmarkt in Erfurt. Zahlte man dort bisher für die Musikrechte 2.000 Euro für den gesamten Zeitraum, so weist die Rechnung für 2022 knapp 2.000 Euro pro Tag aus.
Was ist der Grund? Und wie reagieren die Betreiber der Weihnachtsmärkte?

Warum bekommen die Weihnachtsmärkte jetzt höhere Rechnungen?

Die Gebühren für die öffentliche Nutzung von Musik sind nicht gestiegen. Vielmehr handelt es sich bei den höheren Rechnungen um korrigierte Kalkulationen.
Als Berechnungsgrundlage für die Lizenzgebühren gilt laut dem für Weihnachtsmärkte gültigen GEMA-Tarif "U-ST" eigentlich die Fläche der Veranstaltung – und zwar die gesamte Grundfläche, also vom ersten bis zum letzten Stand des Weihnachtsmarktes, und nicht nur der beschallte Bereich direkt vor der Bühne.
Einige Veranstalter haben aber in der Vergangenheit nur die Quadratmeter vor der Bühne bei der GEMA gemeldet. So kamen die deutlich geringeren Gebühren bisher zustande.
Bereits 2011 hat der Bundesgerichtshof aber klargestellt, „dass die GEMA die Vergütungen für Musikaufführungen bei Freiluftveranstaltungen wie Straßenfesten oder Weihnachtsmärkten nach der Größe der gesamten Veranstaltungsfläche bemessen darf“.
Die GEMA setzt also nun ihre Berechnungsgrundlage konsequent um.
Diese unterschiedliche Auffassung von GEMA und Veranstaltern über die anzugebende Fläche eines Weihnachtsmarktes wurde erst mit den Rechnungen für 2022 deutlich. Der Grund: Die GEMA hatte sich bisher auf die Angaben der Veranstalter zur Nutzungsfläche verlassen; seit dem vergangenen Jahr prüft sie die Flächengröße unter anderem mittels Google Maps selbst. Dabei wurden zum Teil erhebliche Diskrepanzen festgestellt.

Wie können Betreiber von Weihnachtsmärkten GEMA-Kosten einsparen?

Es gibt aber auch eine Härtefallregelung. Betreiber von Weihnachtsmärkten können auf Antrag die Berechnungsgrundlage wechseln: Statt der Fläche soll dann die Zahl der Besucher ausschlaggebend sein. Das muss schriftlich beantragt werden.
In dem hier gültigen Tarif „U-ST“ werden pro Quadratmeter 1,5 Personen veranschlagt. Über die Kosten kann man dann mit der GEMA verhandeln. Mit manchen Städten hat die Verwertungsgesellschaft bereits Sonderregelungen verabredet.
Eine weitere Möglichkeit ist, Lieder von Komponisten zu spielen, die schon 70 Jahre tot sind. Bei diesen Musikstücken ist das Urheberrecht erloschen, weshalb sie für die GEMA uninteressant sind. Was man beispielsweise ohne GEMA-Gebühren öffentlich aufführen oder abspielen könnte, wäre das Adventslied „Tochter Zion, freue dich“.
Es gibt aber auch GEMA-freie aktuelle Musik. Das heißt, der Komponist hat sie nicht bei der GEMA angemeldet. Diese abzuspielen, würde also nichts kosten. Oder man stellt die Beschallung auf Weihnachtsmärkten komplett ein.

Wird der Besuch auf dem Weihnachtsmarkt in diesem Jahr teurer?

Da Weihnachtsmärkte in der Regel Jahr für Jahr eine riesige Zahl an Menschen anziehen, halten sich die Mehrkosten für die Betreiber aufgrund der höheren GEMA-Rechnungen eher in Grenzen. Den Dresdner Striezelmarkt besuchten im Jahr 2022 beispielsweise zwei Millionen Menschen. Die neu berechneten GEMA-Kosten belaufen sich auf insgesamt 50.000 Euro. Das macht pro Kopf 2,5 Cent.
Allerdings ist zu erwarten, dass aufgrund der Inflation die Preise für Glühwein, Bratwurst und Liebesapfel steigen. Es ist also davon auszugehen, dass ein Besuch des Weihnachtsmarktes insgesamt teurer wird als die Jahre zuvor. 

Wie reagieren die Weihnachtsmärkte?

Auf dem größten Potsdamer Weihnachtsmarkt wird in diesem Jahr wegen der gestiegenen GEMA-Kosten nur GEMA-freie Musik zu hören sein. Wer in den Genuss von Mariah Careys "All I Want for Christmas Is You" oder von „Last Christmas“ von Wham! kommen will, wird in diesem Jahr enttäuscht werden. Stattdessen sollen verschiedene Versionen von „Stille Nacht“, „O du Fröhliche“ oder „O Tannenbaum“ zu hören sein, heißt es von Betreiberseite.
Aber auch in Berlin wird das Musikprogramm angepasst. In Ortsteil Dahlem soll es extrem abgespeckt werden, um die GEMA-Kosten gering zu halten, und vor dem Roten Rathaus und auf dem Schlossplatz Köpenick soll ebenfalls wie in Potsdam nur GEMA-freie Musik zu hören sein.
ckr
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