Gemälde und Plastiken

Von Barbara Wiegand |
Erstmals ist in Deutschland eine Retrospektive des israelischen Bildhauers Dani Karavan zu sehen. Anlässlich des 60. Jahrestages der Gründung des Staates Israel zeigt der Berliner Martin-Gropius-Bau unter anderem Gemälde und Kleinplastiken des Künstlers. Eine andere Ausstellung dreht sich um die Beziehungen von Preußen und Russland.
Ein dunkel gebeiztes Stück Holzwand versperrt die Treppe hinauf zum Eingang des Martin-Gropius-Baus. So einfach wie prägnant erinnert das einerseits an die Berliner Mauer, die genau dort vor dem Hauptportal des Austellungsgebäudes verlief – und zeigt andererseits, dass es sich hier nicht um eine gewöhnliche Retrospektive handelt.

Zwar werden Werke aus allen Schaffensphasen des 1930 in Tel Aviv geborenen Künstlers gezeigt: Dani Karavans frühe, noch sehr akademische Malerei aus den Fünfzigerjahren und Repliken seiner ersten, ornamental bis abstrakten Wandbilder. Auch die großen, oft großartigen Außenskulpturen sind Teil einer geschickten Inszenierung von originalen Gemälden und Kleinplastiken, von Fotos, Modellen und über Wände und Flachbildschirme flimmernden Filmen. Aber mit dieser Inszenierung und Dani Karavans neu für die Schau in Berlin geschaffenem Mauerstück wird eben auch klar, dass die Frage wo eine zentrale Rolle im Werk des Bildhauers spielt. Wo entsteht seine Kunst und wofür?

"Ich versuche, die Umgebung eines Kunstwerkes einzubeziehen. Das kommt vor allem aus der Zeit, in der ich in Florenz die Freskenmalerei studiert habe. Die Fresken waren immer für einen Ort bestimmt. Das gilt auch für griechische Skulpturen oder Werke von Michelangelo. Sie verlieren an Wirkung, wenn man sie woanders zeigt. In einem anderen Licht, in anderen Zusammenhängen. Also habe ich mich hier auch auf den Ausstellungsort eingelassen. Denn jeder Ort trägt seine Geschichte in sich und wenn man sich ihm annähert, dann entdeckt man seine Wurzeln, die Spuren der Erinnerung."

Ein Beispiel für den Ortsbezug ist auch das in den Sechzigerjahren geschaffene Negev Monument im israelischen Be’er Sheva. Ein Gebilde aus aneinander gebauten, ja fast aneinandergestückelt wirkenden geometrischen Formen, das sich sichtlich mühsam aber standhaft in der einst so umkämpften Wüstenlandschaft behauptet. Oder die 19 mit Artikeln aus dem Deutschen Grundgesetz beschrifteten Glasscheiben, die Karavan als durchsichtige Wand im Berliner Regierungsviertel errichtete. Unterschiedliche und doch offensichtlich von einer Hand geschaffene Werke.

Denn immer wieder tauchen ähnliche Symbole auf: von Linien zerschnittene Formen als Teil eines Ganzen, Treppen, die wie bei der Documenta 6 in Kassel ins Nichts und vielleicht doch gen Himmel führen, Eisenbahnschienen als Sinnbild der Deportation und des Holocaust. Zeichen der Erinnerung, die auch politisch zu verstehen sind, was zum Selbstverständnis Dani Karavans passt. Aufgewachsen in Tel Aviv, wo er bis heute neben Paris und Florenz lebt, ist er geprägt von den Krisen der Region - hadert mit den Fehlern und Versäumnissen auf beiden Seiten und hofft doch auf ein Ende der Gewalt. Ein Optimismus, an dem er manchmal zu verzweifeln scheint. Denn gegen Ende des Ausstellungsrundgangs sind alle Formengebilde zersprengt, liegen als Brocken in einer Ruinen-Installation am Boden.

"Ja, das ist schon eine pessimistische Arbeit. Aber es ist eben nicht das Ende. Am Ende der Ausstellung steht meine Hommage an Walter Benjamin. In gewissem Sinne ist die zwar auch pessimistisch, aber nicht nur."

In Portbou, an der spanisch-französischen Grenze, wo sich Walter Benjamin einst auf der Flucht vor den Nazis das Leben nahm, hat Dani Karavan diese Hommage an den deutsch-jüdischen Philosophen errichtet. In einem schmalen, schräg in die Felsen gehauenen Korridor führt eine Treppe hinunter ins ausweglose Nichts. Und doch auch zu einem atemberaubenden Blick auf das Gischt sprühende Meer und seine endlos ewige Weite.

"Mit der Erinnerung an Walter Benjamin bleibt auch die Erinnerung an seine Ideen. Er wurde in den Tod getrieben, aber seine Ideen, die kann niemand töten, sie haben überlebt. Das ist die große Hoffnung, dass die Kultur am Ende triumphiert."

Ebenfalls im Martin Gropius Bau eröffnet bereits heute die Schau "Macht und Freundschaft. Berlin - St. Petersburg 1800-1860." Dem Titel gemäß geht es in der von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten gemeinsam mit der Eremitage und dem Staatlichen Museumsreservat Peterhof konzipierten Ausstellung um die deutsch-russischen Beziehungen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Basierend auch auf der "Heiligen Allianz" zwischen Russland, Preußen und Österreich – einem restaurativem Bündnis gegen aufkommende liberale und nationale Strömungen.

Viel imponierend Repräsentatives ist zu sehen, etwa die Berliner Pendants der Petersburger Rossebändiger. Meterhohe und tonnenschwere Bronzen, die einst vor dem Stadtschloss und jetzt im Lichthof des Martin Gropius Baus stehen. Außerdem werden Gemälde von Städten und Palästen gezeigt. Von den im Zeichen enger Verbundenheit hier entstandenen russischen Dörfern und dort gebauten Sanssouci-Varianten. Und Portraits der mächtigen Protagonisten, wie Alexander I, Friedrich Wilhelm III und Königin Luise. Doch sozial-geschichtliche Aspekte wie der zunehmende Freiheitswille des Bürgertums, manifestiert in den Aufständen von 1848, sie bleiben weitgehend außen vor.

Kurator Jürgen Luh: "Wir zeigen natürlich, wenn man so will, die Pracht der Macht. Was daran liegt, dass wir nur bestimmte Sammlungen zur Verfügung haben. Die Sammlung eben der Hohenzollern und der Romanows. Die Sozialgeschichte lässt sich damit natürlich nur schwerlich darstellen. Wir haben deshalb Interventionsräume geschaffen. Mit Friedrich Wilhelm dem IV. Einem repräsentativem Staatsportrait, dem gegenüber steht, leider nicht im Original, eine Reproduktion von Menzels Aufbahrung der März-Gefallenen. Das war der Versuch die Spannung der Zeit, den Vormärz, die Revolution und die Haltung der Krone nach der Revolution in zwei Gemälden zum Ausdruck zu bringen."

Insgesamt liefert die Schau zu wenig derartige Interventionen, und es bleibt dem Betrachter nur, durch die großzügigen Räume zu flanieren, um sich ein am Ende doch recht oberflächliches Bild zu machen. Und zu bemerken, dass eine Vase in Scherben das bemerkenswerteste Stück ist. Ein monumentaler Porzellan-Pokal als Geschenk des russischen Zaren für den deutschen Herrscher, der sichtlich die Spuren späterer kriegerischer Zerstörung trägt und zeigt, wie zerbrechlich Macht und Freundschaft sind…