Gemalte Blondinenwitze
Nackte Frauen, nichts als nackte Frauen: Angesichts der schamlosen Vulgarität seiner Sujets galt der kalifornische Maler Mel Ramos immer als ein Pop-Artist der zweiten Reihe. Zu seinem 75. Geburtstag zeigt die Tübinger Kunsthalle die größte Schau, die ihm je gewidmet wurde.
Sie schlüpfen aus Öldosen, Bananenschalen oder Schokoriegeln, sie umarmen Zündkerzen, Zahnpastatuben und Ketchup-Flaschen oder lehnen sich kokett aus Zigarettenschachteln. Manche lagern als verlockende Garnierung auf Käseecken und Fruchtsalaten, andere kuscheln sich an wilde Tiere oder imitieren die Posen von berühmten Damen aus der Kunstgeschichte. Blonde Haare, üppige Brüste und perfekt gedrechselte Popos sind die Merkmale der Pin-up-Mädchen, die der amerikanische Maler Mel Ramos seit Jahrzehnten auf Leinwand und Papier in Stellung bringt.
Im katholischen Köln, vor mehr als vier Jahrzehnten, waren die sauberen Mädels noch ein Fall für den Staatsanwalt; in Krefeld blockierten prüde Kommissionsmitglieder einst den Ankauf eines Ramos-Bildes fürs Museum. Die Kunsthalle im schwäbischen Tübingen, wo die poppige Fleischbeschau jetzt in fast 100 Exponaten zu besichtigen ist, wird wohl eher Mühe haben, das Publikum damit zu animieren.
Die seriöse Kunstkritik hat den im kalifornischen Sacramento geborenen Ramos angesichts der respektlosen Vulgarität seiner Sujets immer etwas ins Abseits gestellt. Denn was da auf den ersten Blick ganz ungeniert im Stil von billiger Plakatmalerei daherkommt, ist – na, wie soll man sagen – eine Art gemalter Blondinenwitz. "Entweder versteht man, was damit gemeint ist, oder eben nicht", orakelt der 75-jährige Maler und pocht dabei ganz streng auf den Humor.
"Ich mag das Wort Ironie überhaupt nicht, aber wenn ich ehrlich bin, muss ich sagen, dass mein Werk viel davon enthält. Das hat mit meiner Art von Humor über Kunst und Leben zu tun. Ich nehme das alles nicht so ernst."
Wenig Spaß verstand vor etlichen Jahren Claudia Schiffer, die sich selbst auf einem der Bilder zu erkennen glaubte, als Hot-Dog-Belag nackt auf einem Würstchen. Sie klagte erfolgreich auf Unterlassung. Andere Stars wie Jennifer Aniston oder Nicole Kidman haben offensichtlich kein Problem damit, dem Maler als Modell zu dienen für seine grotesken Symbiosen von Sex und Kitsch.
Angefangen hatte das alles im Jahr 1961, zunächst mit männlichen Comic-Helden wie Hawkman oder Captain Midnight, dann folgten weibliche Gegenstücke wie die leichtgeschürzte "Nilkönigin", und als das Personal der Groschenheftchen nichts mehr hergab, versteifte sich der Sohn eines Rennfahrers auf die blonden Busenwunder. Seitdem turnen die makellos gemalten Kunstgeschöpfe mit ihrem pasteurisierten Sex-Appeal durch die Welt der Werbung und verdinglichen den Körper zum stilllebenhaften Konsumartikel.
"Mein Interesse gilt dem, was von der visuellen Explosion der Reklame übrig blieb und dem, wie dieser Bodensatz unser Denken beeinflusst", entschuldigt Ramos die Existenz seiner Animiermädchen. Doch es kann dem Maler in fast 50 Jahren nicht entgangen sein, dass seine Gemälde – Ironie hin oder her – ein Frauenbild fixieren, das ihn immer wieder in die Defensive treibt.
"Wenn ich diese Frauen male, hat das nichts zu tun mit sexuellen Anspielungen. Das ist nur ein Spiegel dessen, was in den Medien abgeht. Die Nacktheit hat nichts mit Sexualität zu tun. Es geht um ein bestimmtes Image, nicht um Sex. Viele Leute denken, dass ich Frauen zu Objekten mache und sie ausbeute. Frauen regen sich über meine Arbeit furchtbar auf. Dazu kann ich nur sagen: wenn sie das so empfinden, dann haben sie keinen Humor."
Zum Glück hat sich Ramos in all den Jahren auch malerisch ein bisschen fortentwickelt. Seine neueren Werke beschäftigen sich auf durchaus geistreiche Weise mit dem Thema "Maler und Modell" oder mit stilistischen Parodien, zum Beispiel, indem er die Fiktion des Fotorealismus ausspielt gegen den locker-expressiven Gestus seines amerikanischen Kollegen de Kooning, oder indem er ein perfekt gebautes Blondchen ins Bett von Manets "Olympia" legt.
"Für mich war immer klar, dass die Inspirationsquelle für Kunst, zumindest für das, was mich daran interessiert, in der Kunst selbst liegt. Ich bin nicht sicher, ob das so in der Bibel steht, aber Kunst zeugt Kunst. Als ich beschloss, Maler zu werden, lag das hauptsächlich am Einfluss von Salvador Dalí. Als kleiner Junge sah ich sein Werk und sagte: So etwas möchte ich tun. Dieses Interesse am Surrealismus brachte mich dazu, Kunst zu studieren. Ich habe mich immer als eine Art Surrealist verstanden, wegen der Art der visuellen Bezüge und Verknüpfungen, die ich benutze, um Dinge zusammenzubringen, die absurd sind. Wenn das einer in den späten 60er-Jahren machte, dann nannte man das Pop Art, und in den 20er-Jahren hieß das Surrealismus."
Doch egal, was er inhaltlich anpackt – es gibt auch ein paar Plastiken –, der Maler erweist sich immer als ein mit allen Wassern gewaschener Techniker, der die Farbe so aalglatt und sahnig auf die Leinwand streicht, dass man sich fast die Lippen danach leckt. Die handwerklichen Finessen hat er schon früh seinem Lehrer, dem als "Kohlehydrat-Morandi" bespöttelten Torten- und Würstchenmaler Wayne Thiebaud, abgeschaut.
Ramos bietet eine saftige, im besten Sinne oberflächliche Westküstenmalerei, meilenweit entfernt vom intellektuell entlarvenden Zynismus seiner Pop-Kollegen von der Ostküste. Und wenn er ein Motiv parodiert wie Marcel Duchamps legendären Akt, der eine Treppe herabsteigt, dann führt der Unverbesserliche Pop-Veteran das prominente Vorbild ziemlich platt auf die nackten Tatsachen zurück.
Was das dann zu bedeuten hat? Nun, meint Mel Ramos und lacht: "Ich liebe eben Frauen."
""What does it mean? Well, what could I say: I mean I love women.”"
Bis zum 25. April 2010 in der Kunsthalle Tübingen, danach in der Villa Stuck in München und in der Albertina Wien.
www.kunsthalle-tuebingen.de
Im katholischen Köln, vor mehr als vier Jahrzehnten, waren die sauberen Mädels noch ein Fall für den Staatsanwalt; in Krefeld blockierten prüde Kommissionsmitglieder einst den Ankauf eines Ramos-Bildes fürs Museum. Die Kunsthalle im schwäbischen Tübingen, wo die poppige Fleischbeschau jetzt in fast 100 Exponaten zu besichtigen ist, wird wohl eher Mühe haben, das Publikum damit zu animieren.
Die seriöse Kunstkritik hat den im kalifornischen Sacramento geborenen Ramos angesichts der respektlosen Vulgarität seiner Sujets immer etwas ins Abseits gestellt. Denn was da auf den ersten Blick ganz ungeniert im Stil von billiger Plakatmalerei daherkommt, ist – na, wie soll man sagen – eine Art gemalter Blondinenwitz. "Entweder versteht man, was damit gemeint ist, oder eben nicht", orakelt der 75-jährige Maler und pocht dabei ganz streng auf den Humor.
"Ich mag das Wort Ironie überhaupt nicht, aber wenn ich ehrlich bin, muss ich sagen, dass mein Werk viel davon enthält. Das hat mit meiner Art von Humor über Kunst und Leben zu tun. Ich nehme das alles nicht so ernst."
Wenig Spaß verstand vor etlichen Jahren Claudia Schiffer, die sich selbst auf einem der Bilder zu erkennen glaubte, als Hot-Dog-Belag nackt auf einem Würstchen. Sie klagte erfolgreich auf Unterlassung. Andere Stars wie Jennifer Aniston oder Nicole Kidman haben offensichtlich kein Problem damit, dem Maler als Modell zu dienen für seine grotesken Symbiosen von Sex und Kitsch.
Angefangen hatte das alles im Jahr 1961, zunächst mit männlichen Comic-Helden wie Hawkman oder Captain Midnight, dann folgten weibliche Gegenstücke wie die leichtgeschürzte "Nilkönigin", und als das Personal der Groschenheftchen nichts mehr hergab, versteifte sich der Sohn eines Rennfahrers auf die blonden Busenwunder. Seitdem turnen die makellos gemalten Kunstgeschöpfe mit ihrem pasteurisierten Sex-Appeal durch die Welt der Werbung und verdinglichen den Körper zum stilllebenhaften Konsumartikel.
"Mein Interesse gilt dem, was von der visuellen Explosion der Reklame übrig blieb und dem, wie dieser Bodensatz unser Denken beeinflusst", entschuldigt Ramos die Existenz seiner Animiermädchen. Doch es kann dem Maler in fast 50 Jahren nicht entgangen sein, dass seine Gemälde – Ironie hin oder her – ein Frauenbild fixieren, das ihn immer wieder in die Defensive treibt.
"Wenn ich diese Frauen male, hat das nichts zu tun mit sexuellen Anspielungen. Das ist nur ein Spiegel dessen, was in den Medien abgeht. Die Nacktheit hat nichts mit Sexualität zu tun. Es geht um ein bestimmtes Image, nicht um Sex. Viele Leute denken, dass ich Frauen zu Objekten mache und sie ausbeute. Frauen regen sich über meine Arbeit furchtbar auf. Dazu kann ich nur sagen: wenn sie das so empfinden, dann haben sie keinen Humor."
Zum Glück hat sich Ramos in all den Jahren auch malerisch ein bisschen fortentwickelt. Seine neueren Werke beschäftigen sich auf durchaus geistreiche Weise mit dem Thema "Maler und Modell" oder mit stilistischen Parodien, zum Beispiel, indem er die Fiktion des Fotorealismus ausspielt gegen den locker-expressiven Gestus seines amerikanischen Kollegen de Kooning, oder indem er ein perfekt gebautes Blondchen ins Bett von Manets "Olympia" legt.
"Für mich war immer klar, dass die Inspirationsquelle für Kunst, zumindest für das, was mich daran interessiert, in der Kunst selbst liegt. Ich bin nicht sicher, ob das so in der Bibel steht, aber Kunst zeugt Kunst. Als ich beschloss, Maler zu werden, lag das hauptsächlich am Einfluss von Salvador Dalí. Als kleiner Junge sah ich sein Werk und sagte: So etwas möchte ich tun. Dieses Interesse am Surrealismus brachte mich dazu, Kunst zu studieren. Ich habe mich immer als eine Art Surrealist verstanden, wegen der Art der visuellen Bezüge und Verknüpfungen, die ich benutze, um Dinge zusammenzubringen, die absurd sind. Wenn das einer in den späten 60er-Jahren machte, dann nannte man das Pop Art, und in den 20er-Jahren hieß das Surrealismus."
Doch egal, was er inhaltlich anpackt – es gibt auch ein paar Plastiken –, der Maler erweist sich immer als ein mit allen Wassern gewaschener Techniker, der die Farbe so aalglatt und sahnig auf die Leinwand streicht, dass man sich fast die Lippen danach leckt. Die handwerklichen Finessen hat er schon früh seinem Lehrer, dem als "Kohlehydrat-Morandi" bespöttelten Torten- und Würstchenmaler Wayne Thiebaud, abgeschaut.
Ramos bietet eine saftige, im besten Sinne oberflächliche Westküstenmalerei, meilenweit entfernt vom intellektuell entlarvenden Zynismus seiner Pop-Kollegen von der Ostküste. Und wenn er ein Motiv parodiert wie Marcel Duchamps legendären Akt, der eine Treppe herabsteigt, dann führt der Unverbesserliche Pop-Veteran das prominente Vorbild ziemlich platt auf die nackten Tatsachen zurück.
Was das dann zu bedeuten hat? Nun, meint Mel Ramos und lacht: "Ich liebe eben Frauen."
""What does it mean? Well, what could I say: I mean I love women.”"
Bis zum 25. April 2010 in der Kunsthalle Tübingen, danach in der Villa Stuck in München und in der Albertina Wien.
www.kunsthalle-tuebingen.de