Gemalte Sprache

Von Walter Kittel |
Ed Ruscha gilt als einer der bedeutendsten amerikanischen Künstler der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Bilder aus 50 Jahren seiner Malerei sind jetzt im Haus der Kunst in München zu sehen.
"20th Centrury Fox" nannte Ed Ruscha das gleich am Eingang der Ausstellung hängende Bild von 1962. Es zeigt nichts weiter als den Werbeschriftzug des großen Hollywoodstudios, angestrahlt von 8 Scheinwerfern, wie es im Untertitel heißt. Daneben hängt jetzt das aus der gleichen Zeit stammende Bild "BOSS". Hier versinkt Ruscha's Werk plötzlich in einer schwer auslotbaren Tiefe.

Es ist so etwas wie die andere Seite seiner Malerei: Denn neben den grellen, poppigen, schnell eingängigen Motiven und Bildern, gibt es auch die schwer oder kaum Enträtselbaren. Rückblickend auf die Anfänge seines Werks erklärt Ruscha die Entstehung des schwarzen, unscharfen Schriftzugs "BOSS" auf dunkelbraunem Grund heute so:

"Es ist eines der ersten Bilder, die ich gemalt habe. Ich glaube, ich dachte damals, ich würde Buchumschläge malen. Und dass vielleicht dieses Wort 'Boss' der Titel meines Buchs ist, von dem ich vielleicht der Autor bin. Ich hatte damals diesen Gedanken. All die Wörter, die ich gemalt habe, waren für mich wie Buchumschläge.”"

Worte oder ganze Sätze hat Ed Ruscha über Jahrzehnte immer wieder gemalt. Oft sind sie das Hauptmotiv und dominieren in ihrer Breite und Größe die Leinwand, während dahinter Sonnenuntergänge, weite Horizonte, hohe Berge oder ein tiefer, blauer Himmel fast verschwinden. Manchmal hat Ruscha nur Laute aus der Comic Sprache dargestellt, wie ein grelles, gelbes "OOF". Oder er hat Worte wie "Faith", "War" und "Scream" gemalt.

Daneben sind aber auch immer wieder ganze Sätze zu lesen: "It´s only vanishing cream" steht dann etwa da oder die Begrüßungsformel "How do you do?" – wobei hier die Worte zum Horizont hin immer kleiner werden.

""Dies ist das Bild 'How do you do?' – im Englischen ist das eine alte Begrüßungsformel. Als Kind wurde mir beigebracht, Erwachsene immer mit 'How do you do?' zu begrüßen. Irgendwann ist mir bewusst geworden, dass diese Zeit Vergangenheit ist und sich die Leute heute so nicht mehr grüßen. Es gleicht einem verlorenen Stück Sprache. Die Leute sagen heute nicht mehr 'How do you do?' Ich habe das seit Jahren nicht mehr gehört.”"

Gemalte Sprache ist das eine immer wiederkehrende Motiv in dieser Ausstellung. Manchmal sind die Worte aber auch ganz oder weitgehend aus den Bildern verschwunden - dann treten Motive wie Tankstellen oder die Umrisse von kalt, grau und abweisend wirkender Fabrikarchitektur hervor. Mitte der 60er-Jahre malte Ed Ruscha zunächst bevorzugt flache, schematisch dargestellte Tankstellen, von denen er eine brennend zeigt, mit weit in die Nacht wehenden Feuerfahnen.

""Ich bin oft durch die USA gereist und habe Tankstellen fotografiert. Etwas hat mich an diesen Gebäuden angezogen. Ich mochte ihre Architektur. Sie begannen dann meine Malerei zu beeinflussen. Dieses Bild hier ist so etwas wie das Grundmodell meiner Tankstellen Bilder.

Ich mag die Perspektive, wie sich das Gebäude von rechts unten in die obere linke Ecke streckt. Ich fing an, diese Bilder einmal im Jahr im Sommer zu malen. Ich nannte sie meine Sommer Bilder.”"

Wie Momentaufnahmen wirken viele der gezeigten Bilder: Als handle es sich um die Eindrücke aus einem über den Highway fahrenden Auto, aus dem mal Tankstellen oder die Schriftzüge von Werbung festgehalten werden. Zugleich haben viele Bilder etwas Unwirkliches und Surreales. Auch weil die Einsamkeit darin so groß ist und nie ein Mensch auftaucht.

""Ich habe nie aufgehört, mich zu fragen, weshalb ich keine Menschen gemalt habe. Dahinten ist das Bild von einem Kojoten. Immerhin ein Tier. Aber Menschen habe ich nie gemalt. Und wenn ich das getan hätte, wäre es wahrscheinlich das Bild von dem Bild eines Menschen geworden."

Der Kojote, das einzige Lebewesen in dem hier präsentierten Werk, gehört zu einer bis in die 90er-Jahre reichenden Serie von schwarz-weiß Bildern. Diese sind weit entfernt von der oft poppigen, grellfarbenen Malerei der 60er-Jahre. Gezeigt wird so etwas wie eine finstere Gegenwelt. Manche Bilder wirken wie die Abgründe des "amerikanischen Traums". "Der unsicher Weg" oder "The uncertain trail" heißt etwa das verschwommen und schemenhaft dargestellte Motiv einer Planwagen-Kolonne.

Daneben ist das Bild eines schräg im Meer liegenden Segelschiffes zu sehen. Oder eine einsam und verloren dastehende, kleine Kirche. Für Ruscha hat diese Phase einer düsteren schwarz-weiss Malerei zugleich formale Bedeutung.

"Ich mochte nicht mehr den Pinselstrich in den Bildern. Ich wollte Bilder ohne Pinselstrich und ohne die Spuren von physischer Arbeit. Sie sollten dunkel, unscharf und wie Silhouetten sein."

In der chronologisch angelegten Schau lässt sich gut verfolgen, wie Ed Ruscha Ende der 90er-Jahre langsam wieder zur Farbe zurückkehrt. Er versucht an sein früheres Werk anzuknüpfen. Er beginnt auch zu spielen, indem er statt Wörtern oder Sätzen leere weiße Flächen in die Bilder malt. Sprechblasen ohne Inhalt gewissermaßen, was aber nicht als ein Verstummen gedeutet werden soll.

""You know, the story still goes on. And the best part of it is that I don´t know, what is next.”"

Mein Werk entwickelt sich noch immer weiter. Das Beste daran ist, dass ich selber nicht weiß, was als Nächstes kommt.