Gemalte Urängste und Sehnsüchte

Von Claudia Cosmo |
Der Maler Martin Eder zählt zu den erfolgreichsten deutschen Künstlern seiner Generation. Seine Ölbilder werden auf der einen Seite von Kätzchen, Hunden und anderen Tieren bevölkert. Auf der anderen Seite hat der Maler eine Vorliebe für nackte Frauenkörper in provokanten Posen. Der gerade erst 40-jährige Künstler wird nun in Dresden mit einer großen Einzelschau bedacht.
Eder: "Das große Problem meiner Bilder ist, dass sie leider sehr laut und eklig sind! Also, ich selber habe große Probleme damit, meine Bilder anzuschauen! Also, am aller ekligsten an meinen Bildern, an meiner Arbeit, ist das Thema. Und das Thema ist der Mensch!"

Martin Eder bietet mit seiner retrospektiv angelegten Schau in der Dresdner Galerie Neue Meister 32 Leinwandvariationen zu diesem Thema. Beim Betreten der 1800 qm großen Halle im sogenannten Lipsiusbau, einem imposanten Bau aus dem 19. Jahrhunderts, wird der Betrachter in eine sphärische Rauminszenierung geführt.

Die Wände des Baus hat Martin Eder mit grauer und fast schwarzer Farbe gestaltet. "Der dunkle Grund", so heißt der Titel der Ausstellung, die einen Überblick über die letzten sechs Jahre von Eders Schaffen bietet.

Bildmotive wie die leicht bekleideten oder nackten Frauenkörper, die Hunde, Vögel, Katzen und Chimären scheinen aus der Tiefe des Raums herauszuplatzen. Das intensive Rot überdimensional großer Käfer, das Gold von Gewändern und das flackernde Braun-Orange eines Katzenfells stechen einem ins Auge.

Doch Martin Eders Leinwandmotive sind nicht das, was sie vorgeben. Sie sind mehr Schein als Sein wie ein angeblich vor Kraft strotzender Perserkater. Der maunzt eigentlich um Hilfe. Doch dies offenbart nur der Titel der gleichnamigen Leinwand.

"Meine Figuren, meine Situationen sind natürlich Platzhalter! Ich male keine Katzen. Ich male auch keine Frauen oder mich selber, ich male eher Protagonisten oder benutze sogar schamlos die Symbole, die sie vor sich herschieben."

Die Symbole können ein abwesender Mädchenblick, ein Kirschkorb, sexuelle Attribute oder eine beschützende Geste mit der Hand sein. Martin Eder inszeniert Gefühle, Urängste und Sehnsüchte. Dabei ist sein Malstil klar, präzise, mal impressionistisch, mal naturalistisch. Einige Motive erinnern auch an die Kunst der alten Meister. So könnte das Bild "Am Abend" auf Caravaggios "David mit dem Haupte Goliaths" anspielen. In Eders Version hält eine nackte Dame das Haupt eines Mannes, der wie Eder selbst aussieht. Die Bildhintergründe hält der 40-jährige Künstler bewusst dunkel und mysteriös. Da fühlt man sich an den Romantiker Caspar David Friedrich erinnert, dessen Arbeiten in der beständigen Schau der Galerie Neue Meister zu sehen sind. Also ist Meister Eder in Dresden in guter Gesellschaft und kehrt mit seiner Ausstellung den Ort zurück, an dem er in den 90er-Jahren Kunst studierte. Und er ist ein Könner. Sein Ziel: Mit Malerei zu verführen.

"Ein schönes Bild ist immer eine große Enttäuschung. Denn nur die größten Enttäuschungen blieben auch in Erinnerung. Deswegen versuche ich auch ein großes Maß an Enttäuschung in die Bilder reinzumalen. Das mag inhaltlich so sein, aber auch in der Art, wie sie gemacht sind. Sie funktionieren eigentlich nur auf die Weite. Sobald man vor dem Bild steht, merkt man natürlich, dass die Bilder nicht von einem Roboter gemacht sind, sondern von mir. Und ich in meinem ganzen Scheitern und Fehlern, in diesen Zeitkonten, in den additiven Prozessen der Malerei, stecke ich persönlich ganz tief drin."

Deshalb sieht man auf Martin Eders Leinwänden immer wieder Ölsprengsel, die sich auf nackten Mädchen-Popos verteilen. An den Bildrändern ist die Farbe so flüchtig und fieberhaft aufgetragen, dass man meinen könnte, an diesen Stellen brenne die Leinwand wie Zelluloid.

Bei der Gestaltung seiner eigenen Schau hat Martin Eder gut daran getan, die beiden Stockwerke nicht zu voll zu hängen. Er lässt bewusst Wände frei und gibt auch Kleinformaten eine ganze Wand zur Entfaltung. Die Schau ist weder chronologischen noch inhaltlichen Kriterien unterworfen. Eder geht es um das rein formal-ästhetische Zusammenspiel der Leinwände, was ihm gelungen ist.

Für Martin Eder ist der Betrachter immer Opfer und Gewinner zugleich. Denn der Künstler gewährt auch Einblicke in sein Seelenleben.

"Ich bin ja der nackteste von allen hier drin! Ich habe zwar Nackte an den Wänden, aber richtig ausgezogen und nackt bin ich selber. Und ich glaube, indem ich das hier so offenbare, mache ich mich am meisten nackt."

Martin Eders Grund ist nicht nur dunkel, sondern auch tief. Der Betrachter muss acht geben, nicht in den Abgrund zu stürzen. Denn der Maler spiegelt auch viel von uns in diesen Leinwandgeschichten, die eine verführerische Sogwirkung haben.

Service:
Martin Eder. Der dunkle Grund
Galerie Neue Meister Dresden
Die Ausstellung ist vom 1. Februar bis zum 26. April 2009 in der Dresdner Galerie Neue Meister im Lipsiusbau zu sehen.