Gemeinsam statt einsam
Die Autoren Michael Hardt und Antonio Negri wollen weder das Eigentum abschaffen noch Wachstum verhindern. Auch im Ideal des Fortschritts sehen sie keinen Fluch. Sie wollen allerdings, dass alle darüber verfügen.
Nach "Empire", der kritischen Diagnose des heutigen kapitalistischen Systems, und nach dem Folgeband "Multitude", der den tendenziell gleichgeschalteten Dienern des Systems das Ideal freier und vernetzter Individuen entgegenhielt, fassen die Autoren Antonio Negri und Michael Hardt ihr Ideal jetzt, im letzten Band dieser Trilogie, in eine weitere Form: als hochproduktives Solidarnetz. Der Titel des neuen Buches ist Programm: "Common Wealth", in der Doppelbedeutung "Gemeinwohl" und "gemeinsamer Reichtum". Welche Institutionen, so fragen sie, brauchen wir als Basis einer zugleich menschlichen und produktiven Gesellschaft? Und welche Grundwerte haben uns bislang womöglich irregeleitet?
Negri und Hardt wollen weder das Eigentum abschaffen noch Wachstum verhindern. Auch im Ideal des Fortschritts sehen sie keinen Fluch. Sie wollen allerdings, dass alle darüber verfügen. Das Neue an ihrem Ansatz: Produktion und Eigentum bedeuten nicht mehr nur materielle Güter, sondern all die gemeinsamen Ressourcen unserer Lebenswelt. Natur und Luft und Wasser ebenso wie alle kulturellen und sozialen Güter – oder, wie die Autoren sagen: Alle "materiellen, affektiven und kognitiven Mechanismen". Das heißt, auch alle "produktiven Tätigkeiten außerhalb des Lohnverhältnisses" sollten dem Gemeinwohl dienen, dem größtmögliche Glück möglichst vieler Menschen. Bloße Wirtschaftsstatistiken blenden solche Aspekte aus.
Umgekehrt ist Glück ja selbst eine Produktivkraft: Ein zufriedener, motivierter Angestellter ist produktiver als ein unproduktiver, und deshalb sei ein Gesellschaftsideal von allgemeinem Glück durchaus realistisch. Für ein "learning by doing" plädieren sie: Wahre Demokratie sei nicht nur institutionelle Politik, sie sei auch eine Umgangsform zum wechselseitigen Nutzen aller – und damit zugleich Mittel und Zweck der Politik. Im Eigeninteresse, so die These, arbeiten wir alle mit an einer gerechteren und damit glücklichen Gesellschaft. Wir alle profitieren von ihrer gewachsenen Produktivkraft.
"Das Glück instituieren" wollen Negri und Hardt. Glück sei eben kein bloß subjektives Gefühl, sondern geradezu ein Gebot der Vernunft. Es setzt Erkenntnisfähigkeiten voraus, die unser Bildungssystem den meisten noch versagt, weil es weithin nur Funktionäre des Status quo heranzieht. Bildung, ein garantiertes Grundeinkommen und verlässliche medizinische Versorgung – vor allem aber freier Zugang zu den gemeinsamen Ressourcen: Das seien die unverzichtbaren Voraussetzungen für ein würdevolles Leben. Sie würden Menschen weithin unbedrohbar machen, die Gründe für Ausbeutung und Diskriminierung versiegen lassen und die durch künstliche Verknappung verhinderte Entfaltung aller – und damit den Fortschritt fördern.
Eine Utopie? Noch: "Der Übergang hat bereits begonnen. Die kapitalistische Produktion heute eröffnet, wenn sie sich an ihren ureigenen Bedürfnissen orientiert, die Möglichkeit und schafft die Grundlagen für eine Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung, die auf dem Gemeinsamen beruht." Eben dem Common Wealth.
Besprochen von Eike Gebhardt
Michael Hardt/Antonio Negri: Common Wealth - Das Ende des Eigentums
Campus Verlag, Frankfurt 2010
437 Seiten, 34,90 Euro
Negri und Hardt wollen weder das Eigentum abschaffen noch Wachstum verhindern. Auch im Ideal des Fortschritts sehen sie keinen Fluch. Sie wollen allerdings, dass alle darüber verfügen. Das Neue an ihrem Ansatz: Produktion und Eigentum bedeuten nicht mehr nur materielle Güter, sondern all die gemeinsamen Ressourcen unserer Lebenswelt. Natur und Luft und Wasser ebenso wie alle kulturellen und sozialen Güter – oder, wie die Autoren sagen: Alle "materiellen, affektiven und kognitiven Mechanismen". Das heißt, auch alle "produktiven Tätigkeiten außerhalb des Lohnverhältnisses" sollten dem Gemeinwohl dienen, dem größtmögliche Glück möglichst vieler Menschen. Bloße Wirtschaftsstatistiken blenden solche Aspekte aus.
Umgekehrt ist Glück ja selbst eine Produktivkraft: Ein zufriedener, motivierter Angestellter ist produktiver als ein unproduktiver, und deshalb sei ein Gesellschaftsideal von allgemeinem Glück durchaus realistisch. Für ein "learning by doing" plädieren sie: Wahre Demokratie sei nicht nur institutionelle Politik, sie sei auch eine Umgangsform zum wechselseitigen Nutzen aller – und damit zugleich Mittel und Zweck der Politik. Im Eigeninteresse, so die These, arbeiten wir alle mit an einer gerechteren und damit glücklichen Gesellschaft. Wir alle profitieren von ihrer gewachsenen Produktivkraft.
"Das Glück instituieren" wollen Negri und Hardt. Glück sei eben kein bloß subjektives Gefühl, sondern geradezu ein Gebot der Vernunft. Es setzt Erkenntnisfähigkeiten voraus, die unser Bildungssystem den meisten noch versagt, weil es weithin nur Funktionäre des Status quo heranzieht. Bildung, ein garantiertes Grundeinkommen und verlässliche medizinische Versorgung – vor allem aber freier Zugang zu den gemeinsamen Ressourcen: Das seien die unverzichtbaren Voraussetzungen für ein würdevolles Leben. Sie würden Menschen weithin unbedrohbar machen, die Gründe für Ausbeutung und Diskriminierung versiegen lassen und die durch künstliche Verknappung verhinderte Entfaltung aller – und damit den Fortschritt fördern.
Eine Utopie? Noch: "Der Übergang hat bereits begonnen. Die kapitalistische Produktion heute eröffnet, wenn sie sich an ihren ureigenen Bedürfnissen orientiert, die Möglichkeit und schafft die Grundlagen für eine Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung, die auf dem Gemeinsamen beruht." Eben dem Common Wealth.
Besprochen von Eike Gebhardt
Michael Hardt/Antonio Negri: Common Wealth - Das Ende des Eigentums
Campus Verlag, Frankfurt 2010
437 Seiten, 34,90 Euro