Gemeinsames Sorgerecht für uneheliche Kinder dient nicht immer dem Kindeswohl

Von Simone Schmollack |
Noch in diesem Monat wollen Bundestag und Bundesrat ein neues Sorgerecht verabschieden. Vorgesehen ist ein automatisches gemeinsames Sorgerecht auch für uneheliche Kinder. Die Journalistin Simone Schmollack sieht das kritisch: Sie fordert nicht nur gemeinsame Rechte, sondern auch gemeinsame Pflichten für Eltern.
Viele Mütter und Väter wünschen es sich. Experten wie Familienrechtler begrüßen es. Auch die meisten Politiker sind bereit, ein gemeinsames Sorgerecht für nicht eheliche Kinder zu schaffen. Und dennoch ist der Gesetzentwurf der Bundesregierung umstritten.

Ohne Zweifel will er auf die veränderte Lebensrealität vieler Eltern eingehen. Ein Drittel aller Kinder wird inzwischen unehelich geboren. Prognosen zufolge könnte es in den kommenden Jahren sogar die Hälfte aller Kinder sein. Viele Eltern leben ohne Trauschein zusammen.

Trotzdem bekennen sie sich zur gemeinsamen Verantwortung für ihr Kind, wie eine Studie des Justizministeriums zeigt. Und 62 Prozent von ihnen beantragen kurz vor oder nach der Geburt einen Termin beim Jugendamt, um das juristisch festzuhalten.

Die Studie sagt aber auch, dass ein Drittel der Eltern das nicht will. Meistens sind es die Mütter, die das gemeinsame Sorgerecht ablehnen. Sie begründen das vielfach mit Partnerschaftsproblemen. Dazu gehört auch, dass beide Partner nichts mehr miteinander verbindet. Oder noch nie miteinander verbunden hat. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass für solche Paare das gemeinsame Sorgerecht "weniger empfehlenswert" sei.

Was heißt das für den Alltag solcher Eltern? Eltern müssten sich um jeden Preis einigen, fordern manche Politiker, Juristen und vor allem Väterverbände - des Kindes wegen. Das klingt zunächst mal gut. Warum soll der Vater sich nicht ebenso um sein Kind kümmern können?

Erfahrungen aber zeigen, dass es bei verhärteten Streitigkeiten vielfach gar nicht ums Kind geht, um die Sorge für Tochter oder Sohn, die Mutter und Vater trotz Trennung umtreibt. Sondern dass Machtspiele ausgetragen werden. Nicht selten versucht eine Seite die andere zu kontrollieren - auf dem Weg über das Kind.

Nichts empfinden Kinder als verwirrender und zerstörender, wenn Mutter und Vater sich bis aufs Messer streiten. Nichts beziehen Kinder so sehr auf sich selbst, wenn sich Eltern wegen des Nachwuchses förmlich bekriegen.

Wenn das Gesetz zum automatischen gemeinsamen Sorgerecht in Kraft tritt, werden Gerichte verstärkt mit endlosen Beziehungsdramen zu tun haben. Schon jetzt müssen sie häufig "schmutzige Wäsche" waschen. Und genau dies Gezerre ums Kind wollte der Gesetzgeber verhindern, als er zunächst der Mutter das Sorgerecht überließ.

Warum der Schwenk von einem Extrem ins Andere? Es ist gut und richtig, jenen unverheirateten Eltern und vor allem Vätern entgegen zu kommen, die sich in bestem Einvernehmen um ihre Kinder kümmern, egal ob sie nun zusammen wohnen oder nicht. Für problematische Elternkonstellationen aber bleibt ein gemeinsames Sorgerecht heute wie früher ungeeignet. Es ist eine Illusion, dass zerstrittene Mütter und Väter in ihre Pflichten von Amts wegen gezwungen werden könnten.

Darum sollte ein gemeinsames Sorgerecht auch wieder rückgängig gemacht werden können - und das nicht nur in Ausnahmefällen. Denn ein Drittel nicht verheirateter Eltern, denen erklärtermaßen der Willen fehlt, um des Kindeswohls zusammenzuwirken, ist keine unerhebliche Größe.

Ein Drittel der getrennten Väter beispielsweise zahlt keinen, zu wenig oder nur unregelmäßig Unterhalt. Jugendämter springen in solchen Fällen ein, sie gewähren Unterhaltsvorschuss, den sie sich mühsam von den Vätern zurückholen müssen. Juristisch gesehen sind Sorgerecht und Unterhalt zwar zwei paar Schuhe. Im Gerichtssaal werden sie getrennt voneinander verhandelt.

Aber das heißt ja nicht, dass das eine nicht zum Prüfstein für das andere werden könnte. Warum beispielsweise sollte, wer ohne plausiblen Grund beim Unterhalt säumig ist, weiterhin auf seinem Sorgerecht bestehen können? Vielleicht würde es helfen, wenn das Gesetz nicht nur die gemeinsame Sorge festschreibt, sondern auch die gemeinsamen Pflichten.

Simone Schmollack, geboren 1964 in Berlin, ist Redakteurin bei der "Tageszeitung" in Berlin und Autorin zahlreicher Bücher, darunter "Kuckuckskinder. Kuckuckseltern", "Deutsch-deutsche Beziehungen. Liebe zwischen Ost und West" und "Damals nach der DDR. Geschichten von Abschied und Aufbruch". Sie beschäftigt sich vor allem mit Themen an der Schnittstelle von Politik, Wirtschaft und Privatheit. Sie studierte Germanistik, Slawistik und Journalistik in Leipzig, Berlin und Smolensk.
Simone Schmollack
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