Bargeldlos bezahlen bei Londons Straßenmusikern
Kein Bargeld dabei zu haben, ist in London keine Ausrede mehr: Etwa ein Dutzend Straßenmusiker wurden in einem Pilotprojekt mit Kartenlesegeräten für das bargeldlose Bezahlen ausgestattet. Songwriterin Charlotte Campbell findet das gut. Doch ihre Zuhörer haben auch Bedenken.
Charlotte Campbell steht mit ihrer Gitarre vor dem London Eye, dem Riesenrad gegenüber von Westminster. Sie sei auch auf Youtube und Instagram zu hören. Und dann sagt sie noch, wer wolle, könne ihr auch neuerdings mit seiner Kredit- oder EC-Karte unkompliziert Geld zukommen lassen.
Kein Bargeld dabei zu haben, sei keine Ausrede mehr. Rechts unten neben ihr liegt in einem Koffer ein kleines weißes Lesegerät.
Die Zuschauer registrieren es noch kaum. Charlotte Campbell hat Musik und Englisch studiert. Die Londonerin lebt unweit südlich der Themse und hat hier am Riesenrad heute einen Slot ergattert.
Nach ihrer Show erklärt Charlotte Campbell noch einmal genau, wie das mit dem Karten-Lesegerät funktioniert. Sie schaltet das Gerät und separat auf ihrem Handy die passende App noch einmal ein. Zwei Pfund Trinkgeld wurden gerade auf ihr Konto umgebucht. Die Musikerin bietet sogar an, eine Quittung auszustellen. Dafür braucht sie nur die Email-Adresse des Zuschauers.
Hier vor dem London Eye bezahlt heute aber keiner mit Karte. Die Touristen werfen wie gewohnt eine Münze in den offenen Deckel des Gitarrenkoffers. Freundlich bedankt sich Charlotte für die Münze und erklärt später, warum einerseits hier am Riesenrad eher klassisch mit Münze gespendet wird, in der U-Bahn aber, wo sie auch oft spielt, immer mehr mit Karte.
Lohnende Investition
"Hier an der Themse sind viele Touristen. Die meisten von ihnen haben Bargeld in der Tasche. Aber die Londoner, die haben immer häufiger kein Bargeld mehr bei sich. In der U-Bahn-Station bezahlen die deswegen schon eher mit Karte."
Die Organisation "Busk in London", die auch die Plätze an die Straßenmusiker vergibt, hat in einem Pilotprojekt etwa ein Dutzend Musiker mit Karten-Lesegeräten ausgestattet. Man könne das Gerät aber auch für umgerechnet gut 30 Euro kaufen. Die Investition lohne sich, sagt Campbell – und die umstehenden Zuschauer und Zuschauerinnen geben ihr Recht.
"Verrückt, ja, eine gute Idee. Niemand hat mehr Bargeld bei sich."
"Ich hab nie Bargeld bei mir. Ich würde ja was geben, aber ich habe halt kein Kleingeld dabei."
"Vielen von uns bereitet die bargeldlose Gesellschaft Sorgen. Deswegen bin ich jetzt eine der Test-Personen, die das mitmachen."
Angst vor Betrügern
Zwei Frauen aus New York, Mutter und Tochter, hören der Musikerin am Themse-Ufer zu. Die Tochter findet es gut, dass man Straßenmusiker mit der Kreditkarte bezahlen kann. Die Mutter zögert etwas.
"Ich finde das gut, sonst verlieren wir doch nur durch den Wechselkurs beim Umtausch."
"Ich finde das auch gut, aber ich mache mir Gedanken, ob man dabei nicht betrogen werden kann."
Damit meint die Amerikanerin weniger, dass die Straßenmusikerin sie mit 100 Pfund statt einem übers Ohr hauen könnte. Sondern die Karte könne doch vielleicht von Betrügern in der Nähe abgefischt werden. Aber die jüngere Generation sehe das ja relaxter.
Charlotte Campbell ist auch erst Mitte 20 und findet das Projekt rundum gut. Straßenmusik sei ihr Beruf. Dass durch die Kreditkarte jetzt das Romantische der Straßenmusik auf der Strecke bleibt, das sieht sie anders.
"Eine Münze in den Hut eines Straßenkünstlers zu werfen hat etwas Romantisches an sich. Ich kenne das alles mit dem Flower-Power. Aber wir müssen mit der Zeit gehen. Wenn keiner mehr Bargeld hat, gibt es bald keine Straßenmusiker mehr. Es ist keine große Sache, das ist eben die Zukunft."