Gemischtes Angebot

Von Michael Laages · 12.03.2010
Das ist schon eine Überraschung – auch das Theatertreffen der neuen Dramatik, das "Stücke”-Festival in Mülheim an der Ruhr, erliegt in diesem Jahrgang der Versuchung, zumindest die Hälfte der Einladungen zum Wettbewerb um den mit 15.000 Euro dotierten Mülheimer Dramatikerpreis an die üblichen Verdächtigen zu vergeben.
Elfriede Jelinek etwa geht mit "Die Kontrakte des Kaufmanns” schon wieder ins Rennen, in der Uraufführung aus Hamburg und Köln. Die Autorin erhielt den Preis gerade im vorigen Jahr, und zwar schon zum dritten Mal. Mit der Berliner Uraufführung von "Diebe” kommt auch Dea Loher zum wiederholten Mal nach Mülheim. Sie siegte immerhin schon zweimal.

Auch Roland Schimmelpfennigs Stücke sind Stammgäste – jetzt wird "Der Goldene Drache” eingeladen, ebenfalls in der Uraufführung aus Wien. Aber immerhin: Dirk Laucke ist mit "Für alle reicht es nicht” (in der Uraufführung aus Dresden) erst zum zweiten Mal dabei. Und auch Kathrin Röggla ("Die Beteiligten” in der Düsseldorfer Uraufführung) wirkt zumindest noch halbwegs neu im Mülheimer Angebot.

Richtig frisch sind daneben der Österreicher Ewald Palmetshofer (mit der Wiener Fassung von "Faust hat Hunger und verschluckt sich an einer Grete”) und Nis-Momme Stockmann – er startete im Vorjahr erst auf dem "Stückemarkt” in Heidelberg und im Rahmen der Nachwuchssichtung beim Berliner "Theatertreffen”.

Hoffentlich wird aus diesem letztlich ja ganz ordentlich durchmischten Angebot nicht wieder (wie in der Endauswahl des Vorjahres) Jelineks Wirtschaftskomödie einfach und diskussionslos durchgewinkt, weil sie halt von Jelinek ist. Das Festival im kleinen Städtchen an der Ruhr, 1976 gegründet, um abseits der Hitparade "bester Inszenierungen” (wie in Berlin üblich) vor allem die neuen Texte fürs Theater in den Mittelpunkt des Interesses zu stellen, wird auch in diesem Jahr genug Innovation zu bieten haben, allerdings nur gerade so eben.

Neu ist der Mülheimer Theaterpreis für Kinderstücke, dotiert mit 10.000 Euro – das parallele Festival geht schon ins vierte Jahr, war aber bislang ohne Preis geblieben. Auf diesem Terrain zählt weniger der existenziell neue Ton eines frischen Textes: Ulrich Hub etwa und Franziska Steiof, neben Katrin Lange, Kathrin Leuenberger und Petra Wüllenweber im Wettbewerb, sind bekannte Namen auf dem Markt der Junge-Leute-Stücke.

Darüber hinaus aber ist bei diesem Festival vor allem die Stärkung eines Trends wichtig, der inzwischen eine große Zahl der Stadt- und Staatstheater erfasst hat – wickelten die nach den kindertheaterbewegten 70er-Jahren die eigenen Kinder- und Jugend-Ensembles fast durchweg ab, so gründen sie derzeit fast überall neue. Hannover, Düsseldorf (zweimal im Mülheimer Festival) und Dresden liegen da weit vorn. In Stuttgart gründete sich gar das "Junge Ensemble Stuttgart” (JES), das in der vorigen Ausgabe den deutschen Theaterpreis "Faust” erhielt, überraschenderweise aber in Mülheim nicht dabei ist. In jedem Fall ist da eine Bewegung in Gang gekommen, die dem Theater an sich mittelfristig nur nützen kann.

Das Kinderstücke-Festival dauert vom 17. bis 22. Mai, das "erwachsene” Festival "Stücke 2010” beginnt am 14. Mai und dauert bis zum 5. Juni. Die Schlussdiskussion wird wieder live im Internet übertragen. Und neben der Schluss-Jury vergibt auch das Mülheimer Publikum wieder den Extrapreis fürs populärste neue Stück.

Homepagte "Stücke 2010"