Umweltsünde Spargel?
Der massenhafte Anbau von Spargel unter Folie in Brandenburg stößt auf Widerstand bei Umweltschützern. Sie sehen eine industriemäßig betriebene Versiegelung der Landschaft, die gestoppt werden müsse, weil die Tierwelt und die Landschaft darunter leiden.
Werner Christ wohnt in einer Idylle, eigentlich. Aus dem Wohnzimmer seines alten Bauernhauses blickt er auf den Oberen Beetzsee und die Möveninsel Buhnenwerder. Graugänse und Nordische Gänse rasten dort auf ihrem Zug Richtung Süden. Von der Haustür aus sieht er das Storchennest des Dorfes, aber darin wächst Unkraut:
"Wir haben das erste Mal seit Menschengedenken keinen Storch in unserem Dorf. Das Dorf hat immer gewartet dadrauf, dass hier der Storch kommt, aber nun ist er das erste Mal nicht da sowie weitere 21 Brutvögel, die aus einem Vogelschutzgebiet verschwunden sind."
Christ ist sauer, so sauer, dass er die Bürgerinitiative „Landschaft ohne Folie“ mitgegründet hat, denn die Plastikfolie, die im Frühjahr zum Teil kilometerlang über die Spargelbeete gezogen wird, ist aus seiner Sicht schuld daran, dass die Zahl der Tiere in seiner Umgebung abgenommen hat. Er fragt: Wohin sollen Wildtiere, Vögel, Schmetterlinge, Käfer und Bienen denn ausweichen? Und er spricht von einer Plastinierung des Ackerbodens:
"Also in jedem Jahr müssen wir erkennen, dass der Spargel immer früher verkauft werden soll, deswegen die Folie. Aber wenn sie so eine große Fläche wie hier haben, auf diesem kleinen Raum hat das Auswirkungen, die auch der Laie versteht: unsere Freunde, die Imker, die sagen mir, aus Plastikfolie können die Bienen keinen Honig herstellen."
Brandenburg ist Spargelland: In den letzten Jahren ist der Anbau massiv angestiegen. 17.000 Tonnen Spargel konnten in diesem Jahr geerntet werden. Hauptanbaugebiet ist die Region um Beelitz, im Ortsteil Schlunkendorf gibt es sogar ein Spargelmuseum. Zu DDR-Zeiten kam die bis dahin schon über100jährige Tradition fast zum Erliegen, das aristokratische Gemüse galt nichts im Arbeiter- und Bauernstaat.
Manfred Schmidt, Vorsitzender vom ‚Verein Beelitzer Spargel’:
"Wir hatten 1990 10 Hektar Spargel hier rund um Beelitz, da war eigentlich gar nichts mehr und jetzt haben wir 1.500 Hektar. Saisonstart hatten wir Anfang der Neunzigerjahre in der ersten Maiwoche, jetzt haben wir es fast in der ersten Aprilwoche; Folie heißt auch extreme Verfrühung."
Die Folie wirkt wie ein Mini-Treibhaus - die Saison kann verlängert werden
Denn die Folie wirkt bei Spargel wie ein Mini-Treibhaus und sorgt dafür, dass er schneller wächst. Dadurch kann die Saison des begehrten Stangengemüses verlängert werden.
Immer früher sind die ersten Spargel auf dem Markt, bis zum 24. Juni, dem Johannistag wird geerntet. Jetzt im Herbst schießt der Spargel ins Kraut, die Pflanzen sehen aus wie kleine Tannenbäumchen.
Das Argument, die Folie versiegele die Landschaft, will Manfred Schmidt nicht gelten lassen.
Sie sei ja nur zeitweise - von März bis Juni - aufgespannt, und zwischen den Bahnen sei der Boden frei, damit Arbeiter und Maschinen über diese Laufwege an den Spargel kommen.
"Ab Juli sind die Spargelfelder grün. Dann tummeln sich die Hasen, die kleinen Rehe drin, oder die Rebhühner. Und wenn der Sommer richtig trocken wird: die Wiesen sind braun, die Spargelfelder grün."
Nach dem ersten Frost wird das Kraut dann braun, abgemäht, bleibt aber auf den Feldern liegen und düngt den Boden. Aus Sicht des Brandenburger Umweltministeriums besteht kein Anlass zur Sorge.
Bislang seien keine großen Beeinträchtigungen für Flora und Fauna durch Folien-Spargel festgestellt worden, heißt es auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen-Fraktion im Landtag.
Auch größere negative Folgen für Brutvögel seien bislang nicht belegt.
Allerdings heißt es in der Drucksache 5/6027 aus dem Jahr 2012 noch wörtlich: "Großflächiger Spargelanbau unter Folie hat negative Auswirkungen auf die Tierwelt, da die direkt unter Folie verpackten Flächen praktisch keine Lebensraumfunktion haben."
Werner Christ verweist außerdem auf ein Gutachten, das das Landesumweltamt, dem Umweltministerium unterstellt, in Auftrag gegeben hat: "Zur Erfassung der Brutvögel auf Anbauflächen mit Folienspargel". Darin ist von Habitatzerstörung, Niedergang der Artenvielfalt auf Äckern und Verlusten an Biodiversität die Rede.
"Dieses Gutachten in seinem Fazit sagt ganz klar, diese großflächige Unter-Folie-Legung ist die Ursache für bestimmte Sachen, die hier eigentlich passieren, dass ein Zusammenhang zwischen großflächiger Plastinierung des Ackerbodens und Rückgang von Tieren, hier Brutvögeln erwiesen ist."
Als Spargelgegner will sich der Mann mit dem charakteristischen weißen Schnauz- und Backenbart aber nicht bezeichnen lassen. Dazu isst er ihn zu gern:
"Natürlich. Aber mein Spargel kommt aus Briest, von einem unserer Mitglieder, der das sehr wohl versteht ohne Folie auszukommen. Und ich kann Ihnen sagen, was Schöneres, was Besseres gibt es nicht!"