Genbank auf Spitzbergen

Schatz der Menschheit im Permafrost

Eingang zur Saatgutdatenbank auf Spitzbergen
Eingang zur Saatgutdatenbank auf Spitzbergen © picture alliance / dpa / Photopqr / La Provence / Launette Florian
Von Christiane Habermalz |
Ist das eigene Land durch Atomunfälle oder Umweltkatastrophen zerstört, lagert hier die Reserve für den Neuaufbau: Die Genbank auf Spitzbergen besitzt mehr als 800.000 Samen von Nutzpflanzen aus der ganzen Welt. Gentechnikfrei.
Der Eingang ragt wie eine Kunstinstallation unvermittelt aus dem tief verschneiten Berg. Schwere Stahltüren, dahinter führt ein Schacht 120 Meter in den Berg. Tief im Permafrost liegt in zwei gesicherten Tresorräumen der vielleicht größte Schatz der Menschheit: 860.000 Samenproben von Nutzpflanzen aus der ganzen Welt. Eingelagert im Svalbard Global Seed Vault, zu Deutsch: Internationale Saatgut-Bank von Spitzbergen.
Bjerke: "My job is to see if everything is right."
Schlüsselgewalt hat hier Robert Bjerke. Der norwegische Elektriker kommt einmal am Tag vorbei, um nach dem Rechten zu sehen. Er überprüft, ob die dieselbetriebene Kühlanlage einwandfrei funktioniert, die das Innere der Tresorräume auf minus 18 Grad herunterkühlt.
Bjerke: "18,34 Grad minus."
Reihen mit Regalen in der grünen Genbank auf Spitzbergen
Reihen mit Regalen in der grünen Genbank auf Spitzbergen© Deutschlandradio / Christiane Habermalz
Das ist die ideale Lagertemperatur für Saatgut, haben die Wissenschaftler berechnet. Doch selbst wenn hier alle Technik ausfallen würde, garantiert die natürliche Kälte des arktischen Berges noch eine wochenlange Konservierung.
Genproben aus aller Welt
10.000 Jahre Kulturgeschichte der Menschheit liegen hier im Permafrost: Ein Sicherheits-Back-Up für schlechte Zeiten. Seit der Sesshaftwerdung haben Landwirte Nutzpflanzen gezüchtet und immer wieder optimiert. Die entstandene Vielfalt ist Grundlage unserer Ernährung. Grüne Genbanken aus der ganzen Welt haben hier eine Zweitprobe eingelagert – für den Fall, dass ihre eigenen Bestände zerstört werden, durch Umweltkatastrophen, Kriege, Atomunfälle.
Ekeblad:"Es ist interessant zu sehen, was zur Zeit ankommt: Container aus Aleppo in Syrien, oder aus der Ukraine, also aus Ländern, in denen Krieg herrscht. Daran sieht man, wie wichtig für die Welt ein sicherer Aufbewahrungsort wie dieser ist."
Anna Lena Ekeblad arbeitet eigentlich im Svalbard Museum in Longyearbyen, dem 2000 Seelen zählenden “Hauptort” von Spitzbergen. Heute führt sie ausnahmsweise durch die Saatgutbank. Drinnen herrscht Drei-Sterne-Gefrierfachtemperatur. Dicht an dicht stehen Boxen oder auch nur schlichte Kartons in den Regalen: Allein 40.000 Sorten Bohnen lagern hier, 140.000 verschiedene Weizensorten. Aber auch Kokosnüsse aus der Südsee, Mango aus Kolumbien oder Mais aus den USA. Und deutsche Kartoffeln: Die größte deutsche Kulturpflanzen-Genbank in Gatersleben hat bereits Zweitproben von einem Viertel ihrer Bestände nach Spitzbergen geschickt.
Schutz vor Terroranschlägen
Dass Longyearbyen so klein sei, sagt Ekeblad, sei ein zusätzlicher Schutz für das Saatgut – etwa vor Terroranschlägen.
Ekeblad: "Es ist hier sehr sicher. Wenn jemand herkommen und versuchen würde, hineinzukommen, würden die Menschen in Longyearbyen das sofort bemerken und Alarm schlagen. Aber die Wände hier sind auch abgerundet, um im Fall von Explosionen den Druck abzufangen."
Siedlung Longyearbyen auf Spitzbergen
Siedlung Longyearbyen auf Spitzbergen© Deutschlandradio / Kerstin Hildebrandt
Vor sieben Jahren hat die norwegische Regierung die Anlage offiziell eingeweiht. Sie hat auch den Bau bezahlt – die Betriebskosten werden vom Global Crop Diversity Trust übernommen, einer Stiftung mit Sitz in Rom, die von Staaten, privaten Unternehmen und anderen Stiftungen finanziert wird. Die Einlagerung kostet die Staaten nichts. Doch darf nur ein Muster pro Sorte geschickt werden. Und die Entsende-Länder sind selber dafür verantwortlich, die Keimfähigkeit ihrer Proben zu erhalten. Dafür muss das Saatgut regelmäßig ausgetauscht werden.
Und für die Samenproben gelten strenge Auflagen: Gentechnisch verändertes Saatgut muss draußen bleiben.
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