Gender Euphorie

Wenn trans sein sich richtig anfühlt

09:29 Minuten
Verschiedene Menschen fliegen aus einem Käfig heraus.
Gender Euphorie, ein Gefühl, das überwältigend sein kann. © imago / Ikon Images / Phil Marden
Von Shahrzad Golab · 18.06.2022
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Es gibt ein Glück, das nicht alle Menschen kennen: Eine Person, die trans oder non-binär ist, kann in bestimmten Momenten Gender Euphorie empfinden. Zum Beispiel dann, wenn sie von außen eine Bestätigung ihrer Geschlechtsidentität erfährt.
Euphorie ist ein kurzer Zustand überschwänglichen Glücks. Der stellt sich auch ein, wenn eine Person, die trans oder non-binär ist, ein Erlebnis hat, in dem sie von außen eine Bestätigung ihrer Geschlechtsidentität erfährt. Dann spricht man von Gender Euphorie.

„Ich komme meinem Ziel näher“

Die 34-jährige Jenny, die seit drei Jahren in Berlin lebt, hat dieses intensive Gefühl etwa, wenn sie zur Bartepilation zu ihrem Arzt in der Friedrichstraße geht – dieser ist übrigens der einzige in der Stadt, bei dem die Kasse die Kosten übernimmt.

Ich bin jetzt seit sieben Monaten hier in der Praxis, und jedes Mal, wenn ich rauskomme, ist das ein neues Gefühl von Euphorie, weil ich merke: Ich komme meinem Ziel näher.

Jenny

An ihren ersten gender euphorischen Moment kann sich Jenny noch gut erinnern. Da war sie im Alter von zwölf Jahren einkaufen und probierte Frauenkleidung an: "Beim Umziehen habe ich gemerkt: Okay, es fühlt sich richtig an – und war total glücklich."
Ein erhebender Moment, der freilich auch von vielen unschönen Erfahrungen in der Familie oder an der Uni begleitet wird. In diesen erlebt Jenny dann Gender Dysphorie.

„Der Fokus auf Leid war immer sehr stark“

Leo Yannick Wild kennt solche weniger glücklichen Geschichten. Er arbeitet bei der Inter*Trans*Beratung der Berliner Schwulenberatung, einer Anlaufstelle, die es seit acht Jahren gibt.
Der Journalist und Politikwissenschaftler erzählt, dass das negative Erleben auch viel mit der medialen Wahrnehmung zu tun hat: Die erwarte von Transpersonen Leidensgeschichten in der Transition, dem Weg zur Geschlechtsangleichung.

Dieser Fokus auf Leid und Dysphorie war immer sehr stark. Die Struktur bis zu einem neuen Vornamen zum Beispiel ist total hochschwellig, teuer, langwierig. Man muss sich quasi mit Worten vor Gutachtern ausziehen. Wenn die Rede von Dysphorie ist, ist das schon sehr berechtigt.

Leo Yannick Wild

So sorgt auch die Politik für das Gegenteil von Euphorie, weil das westdeutsche Transsexuellengesetz von 1981 entwürdigende Begutachtungsverfahren vorsieht. Die Ampelregierung hat sich vorgenommen, das zu ändern – an dessen Stelle soll ein Selbstbestimmungsgesetz treten.
Damit allein wird es aber nicht getan sein. Jenny meint: "Ich finde, wir müssen auch gucken, dass wir eigene Geschichte zählen - und eben auch positive Geschichten von Momenten des Glücks."
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