Gender-Talk

Hart und unfair

Moderator Frank Plasberg (stehend) mit seinen Gästen zum Thema Gender-Streit: Sybille Mattfeldt-Kloth (stv. Vorsitzende des Niedersächsischen Landesfrauenrats, l-r), Bloggerin Anne Wizorek, Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter, Schauspielerin Sophia Thomalla, FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki und Autorin Birgit Kelle
Moderator Frank Plasberg (stehend) mit seinen Gästen zum Thema Gender-Streit. © picture alliance / dpa / Jörg Carstensen
Von Catherine Newmark |
Dasselbe Thema, dieselben Darsteller: Klingt wie ein Re-Enactment einer polemischen Fernsehsendung. Doch leider offenbarte die Wiederaufführung von "Hart aber fair" zu Geschlechterfragen nur die Uninformiertheit der Plasberg-Redaktion, findet Catherine Newmark.
Eine polemische und wenig konstruktive Sendung im März zum Thema "Deutschland im Gleichheitswahn?"; daraufhin jede Menge ungehaltener Reaktionen und Proteste von Frauenverbänden und ein Sender, der sich die Kritik in etwas seltsamer Weise zu Herzen nimmt und die umstrittene Sendung aus der Mediathek löscht. Bevor er sie doch wieder reinstellt. Soweit die unrühmliche Vorgeschichte.
Richtig absurd wurde das ganze Theater um Plasbergs wenig erfreulichen Gender-Talk aber mit der Ankündigung, jetzt werde die Sendung mit den gleichen Gästen (!) wiederholt. Note ungenügend (nach halbjährigem Überlegen), Prüfung bitte wiederholen. So leid mir es tut, aber die Note bleibt auch beim zweiten Mal ein – erwartbares – "unbefriedigend".
Wie beim ersten Mal
Viel Zeit wurde zunächst WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn eingeräumt, der selbstkritisch von der wirklich etwas depperten Mediathek-Politik berichtete, sich aber vom überzogenen Zensurvorwurf derjenigen, die Protest und Kritik gleich als Mundverbieten auffassen wollen, deutlich distanzierte.
Auch der zweite Neuzugang der Sendung, die erfrischend humorvolle und gelassene Sybille Mattfeldt-Kloth vom Landesfrauenrat Niedersachsen, musste ausführlich erklären, dass ein förmlicher Protest gegen das von Frauenverbänden wahrgenommene Lächerlichmachen von wichtigen gesellschaftlichen Themen noch keine Zensur sei.
Ansonsten aber blieb es wie beim letzten Mal: auf der einen Seite Anton Hofreiter und Anne Wizorek, Politiker und Feministin, die immer wieder versuchten, einigermaßen sachliche Argumente in die Diskussion zu bringen – Hofreiter etwa musste zweimal den Unterschied von Gender Studies und Gender-Mainstreaming erklären, weil auf der Gegenseite offensichtlich niemand zuhörte, oder, was wahrscheinlicher ist: niemand interessiert war.
"Das ist doch alles lächerlich"-Rhetorik
Denn die Anti-Gender-Fraktion, bestehend aus Wolfgang Kubicki (Gender-Kompetenz: redet ab und zu mit seinen Töchtern, bei denen läuft es gut), Sophia Thomalla (Gender-Kompetenz: keine, sie war lediglich als "Betroffene", i.e. Frau, eingeladen) und Birgit Kelle (Gender-Kompetenz: beschäftigt sich immerhin mit den Themen, geht aber durchwegs mit konservativer Haltung und populistisch gegen "Feministinnen" etc. vor), fiel wieder vornehmlich durch sich gegenseitig eifrig beklatschende und bestärkende "Das ist doch alles lächerlich"-Rhetorik auf.
Vor allem aber war die redaktionelle Anlage der Sendung und auch die Haltung des Moderators nicht wirklich dazu angetan, irgendetwas an diesem unschönen selbst aufgebauten Frontenkrieg zu verändern. Der Vorwurf an die erste Sendung, man habe die falschen Gäste ausgewählt, wurde ja durch das Life-Reenactment mit gleichem Personal nicht gerade entkräftet.
Unkenntnis der politischen Geschlechterdebatten
Und auch wenn jetzt – anders als beim ersten Mal – nicht nur absolut lächerliche Beispiele für Gender-Mainstreaming (röhrende Hirsche! Unisex-Toiletten!) gezeigt wurden, sondern auch tolle Erfolgsgeschichten wie Frauen-Nachttaxis oder Schutzhelme für Frauen erwähnt wurden (!), so blieb doch der Grundimpuls der Sendung der Gleiche: aus absoluter Unkenntnis politischer Geschlechterdebatten und soziologischer Studien zum Thema heraus dem Stammtisch-Verdacht, dass diese "Gleichmacherei" bereits deutlich zu weit gegangen sei, nachzugehen.
Klar, die Polemik gegen "Genderideologie" ist gerade in Mode. Aber ich frage mich trotzdem: Sagt der mentale Ort, an dem man das Publikum abholen zu müssen meint, wirklich etwas über das Publikum aus – oder doch nicht viel mehr über die Fernsehmacher?
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