"Sie muss ihre Kompetenz immer ein Stück weglächeln"
Die SPD wird bald eine Frau an der Spitze haben, viele Ministerämter sollen durch Frauen besetzt werden. Dennoch herrsche keine Gleichheit in der Politik, sagt die Genderforscherin Barbara Holland-Cunz. Egal, ob Frauen machtbewusst aufträten oder eher zurückhaltend: Es werde so oder so negativ bewertet.
Frauen in der deutschen Politik – das ist im Moment eine recht widersprüchliche Angelegenheit. Einerseits soll nun nach der CDU auch die SPD eine weibliche Vorsitzende bekommen, und im künftigen Kabinett ist voraussichtlich knapp die Hälfte der Ministerposten mit Frauen besetzt. Andererseits ist der Frauenanteil im deutschen Bundestag deutlich geringer als zuvor – mit 30,7 Prozent prozentual so niedrig wie zuletzt 1998.
Alte, aber immer noch sehr lebendige Klischees und Rollenbilder seien daran Schuld, dass Frauen nicht im gleichen Maße in der Politik durchstarten wie Männer, sagt Barbara Holland-Cunz, Professorin für Gender Studies am Institut für Politikwissenschaft der Universität Gießen.
"Es ist nach wie vor so, dass das Bild einer Frau anders wirkt als das Bild eines Mannes, was Kompetenz angeht. Sie muss immer besonders freundlich sein – sie muss ihre Kompetenz, wenn Sie so wollen, immer auch ein Stück weglächeln."
Es gibt keine Gleichheit in der Politik
Deshalb könne man nicht davon sprechen, dass es mittlerweile eine Gleichheit in der Politik gebe. Das beste Beispiel sei der Machtbegriff – wenn Frauen entweder zu machtbewusst oder aber zu wenig machtbewusst aufträten und beides meistens negativ bewertet werde:
"Frauen sagen ja auch ganz oft, wenn man sie fragt: Ich möchte gar keine Macht, ich möchte gestalten, ich möchte bestimmte Inhalte voranbringen. Frauen sind darin deutlich verhalten, auszudrücken, dass sie politische Macht haben möchten."
Kompetenz scheint nicht zu Freundlichkeit zu passen
Denn sie wüssten sehr genau, dass das nicht in ihre Rolle, in ihre stereotype Vorstellung, wie eine Frau zu sein habe, passe. Holland-Cunz sagte weiter:
"Wir wissen auch, dass Kompetenz und Wärme und Freundlichkeit nicht gut zusammenpassen in den Bildern, die man sich von anderen Menschen macht."
Die unterschiedliche Wahrnehmung von Männern und Frauen in der Politik setzt sich offenbar im Alter fort.
"Wir haben auch keine Bilder davon, was eigentlich eine alte oder ältere erfolgreiche Frau, die vielleicht 20 Jahre in einer Spitzenposition gewesen ist, noch machen kann."
Es herrsche die Vorstellung vor:
"Ein alter Mann – das ist so eine Art Elder Statesman, der kann uns noch beraten. Denken Sie an den uralten Helmut Schmidt, der immer noch was zu sagen hatte. Ich glaube, es gibt keine entsprechenden Bilder von älteren Frauen. Das wird, glaube ich, ein Problem werden für diese Generation von Frauen, die jetzt, in den letzten Jahren, Verantwortung getragen haben."
Vielleicht werde es für die nächste Generation einfacher werden.
"Man kann das nur hoffen. Aber ich bin skeptisch."
(mkn)
(mkn)