Gendersternchen ist "ein Feigenblatt"
Lehrer*innen oder Zuhörer*innen? Das Gendersternchen wird zunächst keine offizielle Regel. Das hat der Rat für deutsche Rechtschreibung entschieden. Er will in fünf Jahren erneut abstimmen. "Sprache zeigt, was wir leben", sagt ein Ratsmitglied.
Deutschunterricht am Adalbert-Stifter-Gymnasium in Passau. In der Klasse 10a wird diskutiert. Es geht um das sogenannte Gendersternchen. Das kann man hinter Wörter wie Schüler setzen. Durch das Sternchen sollen auch Frauen angesprochen werden und all jene, die sich nicht einem Geschlecht zugehörig fühlen. Larissa Maier und Florian Veit können sich dafür aber so gar nicht begeistern:
Larissa Maier: "Ich find Sternchen gar nicht gut, ich finde Schüler reicht auch für Mädchen. Wenn der Lehrer sagt Schüler, fühle ich mich angesprochen."
Florian Veit: "Ich finde allgemein der Wirbel, der um diese Problematik gemacht wird, ich finde das zeigt, dass solche Leute keine Probleme haben. Ich finde, die Energie könnte man in wirklich existierende Probleme stecken."
Die beiden finden, dass Rechtschreibung nicht der richtige Weg ist, um Gleichberechtigung voranzutreiben.
Rat gegen "frühzeitige Empfehlungen"
Das sieht der Rat für deutsche Rechtschreibung genauso. Er hat sich heute in Passau gegen das Gendersternchen ausgesprochen. Stattdessen will er beobachten, wie sich Sprache entwickelt. Er will in fünf Jahren erneut abstimmen und dann eine Empfehlung an staatliche Stellen aussprechen. Ratsvorsitzender Josef Lange:
"Die Situation, wie man ein drittes Geschlecht beschreibt, ist in den deutschsprachigen Ländern so unterschiedlich, dass sich keine eindeutige Tendenz entwickelt. Die Beobachtung der geschriebenen Sprache zeigt zwar einen Anstieg des Gendersterns, aber das Binnen-I ist höher in der Beobachtung, sodass sich weder in Deutschland noch in Österreich noch in der Schweiz noch in den kleineren Ländern eine Tendenz abzeichnet. Die deutsche Sprache hat für ein drittes Geschlecht oder weitere Geschlechter keine sprachlichen Ausdrucksmittel, die müssen sich entwickeln, da will der Rat nicht mit frühzeitigen Empfehlungen eingreifen. Sprache ist ein lebendiges Ding."
"Eine Diskussion über Gleichberechtigung"
Auch, wenn zum jetzigen Zeitpunkt keine Entscheidung getroffen wurde. Geschlechtergerechte Sprache ist ein wichtiges Thema, sagt Josef Lange. Denn Sprache beschreibt Wirklichkeit.
"Dass Frauen und Männer gleichberechtigt sind, sollte sich auch in der Sprache niederschlagen. Das ist ein Zeichen des Respekts vor der anderen, vor dem anderen, vor den jeweiligen Geschlechtern. Insofern ist es eine Diskussion über Gleichberechtigung."
Von Anfang an gegen das Sternchen war Christiane Papst. Sie ist Ratsmitglied und Chefredakteurin des österreichischen Wörterbuchs:
"Ein orthografisches Zeichen zeigt ja nicht den Sprachwandel, sondern ist ein Feigenblatt für etwas, was sich noch gar nicht manifestiert hat in der Sprache. Solange noch Frauen weniger gut bezahlt werden für die gleichen Jobs wie die Männer, solange konservatives Gedankengut salonfähig ist, solange in der Erziehung noch auf Bub und Mädchen erzogen wird, solange wird sich das in der Sprache nicht niederschlagen können, weil wir es nicht leben. Sprache zeigt, was wir leben."
Die Zehntklässler am Passauer Adalbert-Stifter-Gymnasium sehen es genauso. Gleichberechtigung: ja. Und bitte mehr davon. Aber erst sollte man sie leben - und nicht die Rechtschreibung verändern.
Florian Veit: "Es ist immer noch so, dass Politik hauptsächlich von Männern gemacht wird, aber man sollte keine Probleme schaffen, wo keine sind."
Larissa Maier: "Ich finde, man sollte allgemein Gerechtigkeit schaffen und sich nicht auf das Kleine versteifen, und nicht da anfangen, sondern da, wo es wirklich nötig ist."