Generaldebatte im Bundestag

"Angstmacher", "Chaos" und eine zahme Koalition

Generaldebatte im Bundestag am 07.09.2016
Generaldebatte im Bundestag am 07.09.2016 © picture alliance / dpa / Michael Kappeler
Von Volker Finthammer |
Die Opposition kritisiert die Regierung in der Generaldebatte im Bundestag etwa für ihre Sicherheitspolitik. Es ist von "Angstmacherkoalition" und einer "chaotischen Regierung" die Rede. Die Koalitionäre verteidigen ihren Kurs - und vermeiden gegenseitige Angriffe.
Gleich zum Auftakt der Debatte brachte der Fraktionschef der Linken, Dietmar Bartsch, das Kernproblem der gegenwärtigen politischen Stimmungslage auf den Punkt:
"Wir haben, glaube ich, in einer Frage hier ganz großen Konsens: Jeder hier im Haus will, dass diese große Koalition möglichst bald beendet wird. Ich finde das ist ein guter Ausgangspunkt."
Die Kluft zwischen Sigmar Gabriel und Angela Merkel werde immer größer; und die Koalition sei in ihre Restlaufzeit eingetreten und verwalte nur noch anstatt zu gestalten. Mit dem Flüchtlingsabkommen mit der Türkei habe sich die Kanzlerin in die Abhängigkeit von Recep Erdogan begeben und sich damit erpressbar gemacht.
"Frau Merkel, Ihnen ist der politische Kompass abhanden gekommen. Es kann doch nicht sein, dass deutsche Außenpolitik Menschenrechte auf den Verhandlungstisch legt. Das geht nicht, meine Damen und Herren."
Bartsch sprach von einer Angstmacherkoalition, die bei der inneren Sicherheit eine Sau nach der anderen durch die Dörfer treibe, ohne ein wirkliches Konzept zu haben. Dabei sei die Polizei in den letzten Jahren Opfer der Sparpolitik und der schwarzen Null geworden. Nötig seien dagegen höhere öffentliche Investitionen in allen Bereichen und keine Steuergeschenke für die Wohlhabenden. Das aber sei nur mit einem Politikwechsel möglich, sagte Bartsch und bot Sigmar Gabriel die Linke als Koalitionspartner an.
Bundeskanzlerin Angela Merkel blickte gleich auf ihre politisch schwerste Last: das vergangene Flüchtlingsjahr und die Schwierigkeiten, die damit verbunden waren. Von der Integrations- bis zur Sicherheitspolitik, wo viel Schritte notwendig gewesen seien.
"Weil aber auch nicht jeder Flüchtling in guter Absicht kommt, werden wir weitere Maßnahmen ergreifen, um die öffentliche Sicherheit in Deutschland zu stärken. Dien Menschen dürfen von uns verlangen, dass wir das Menschenmögliche tun, um ihre Sicherhit zu gewährleisten."
Die Kritik, sie schaue über Erdogans Politik hinweg, wollte Merkel nicht auf sich sitzen lassen. Sie verteidigte das Abkommen als einen zwingend notwendigen Schritt, um in der europäischen Flüchtlingspolitik einen wirksamen Schritt weiter zu kommen.

Merkel: Es bringt nichts, die Wähler zu beschimpfen

"Wenn die Türkei Menschenrechte verletzt, dann wird das beim Namen genannt. Wenn in der Türkei ein Militärputsch scheitert, dann sagen wir, dass es gut ist, dass er scheitert, und dass es richtig war, dass die Menschen auf die Straße gegangen sind. Aber es ist, seitdem wir diese Abkomme haben, so gut wie niemand mehr in der Ägäis ertrunken, währen das in den ersten zwei Monaten noch hundert Menschen waren. Da kann man doch nicht zugucken, sondern da muss man doch mit dem anderen Land eine Regelung finden."
Zu der Wahlschlappe der demokratischen Parteien in Mecklenburg-Vorpommern und dem Zuwachs der AfD sagte Merkel: Es bringe nichts, die Wähler zu beschimpfen, und man dürfe bei der sprachlichen und inhaltlichen Entleerung der Politik nicht mitmachen.
Freiheit, Sicherheit, Gerechtigkeit und Solidarität seien ihre Leitmotive, sagte Merkel, und der Haushalt spiegele dies auch wieder - und zwar in allen Bereichen. Der Forderung nach der Rentenangleichung erteilte Merkel jedoch eine Absage, weil das ungerecht gegenüber den Arbeitnehmern im Westen sei. Damit wies sie eine inhaltliche Forderung der SPD zurück. Es blieb aber die einzige inhaltliche Kritik am Koalitionspartner, die in diesem Kontext auch stärker an die Linke als an die SPD gerichtet war.

Göring-Eckardt: Chaotischer Zustand der Bundesregierung

Die Fraktionschefin der Grünen, Katrin Göring-Eckart konterte mit dem chaotischen Zustand der Bundesregierung, die sich zusehends in Auseinandersetzungen versteckt habe, anstatt für einen klaren sachorientierten Kurs zu sorgen.
"Nicht das Volk, nicht die Menschen in unserem Land sind überfordert, meine Damen und Herren, sondern Sie mit ihrer chaotischen Regierung sind es. Das ist das Problem und darüber muss geredet werden."
Seit elf Jahren sei die Union für die innere Sicherheit zuständig und die jüngsten Ereignisse hätten allüberall das Versagen dokumentiert. Statt klarer Maßnahmen und Entscheidungen komme man wieder mit Symbolpolitik - anstatt die zu würdigen, die sich täglich im Land Mühe geben, um die Flüchtlinge zu integrieren.
Thomas Oppermann, der Fraktionsvorsitzende der SPD, stellte sich vor die Regierungskoalition und deren Verhalten etwa gegenüber der Türkei.
"Die Resolution zu Armenien, die wir hier verfasst haben, die gilt ohne Wenn und Aber. Da gibt es keine Relativierungen und schon gar nichts zurück zu nehmen."

Oppermann: Burka nichts mit innerer Sicherheit zu tun

Aber trotz der innerpolitischen Zuspitzungen in der Türkei sollte man an dem Abkommen festhalten ohne zu den Vorgängen in der Türke zu schweigen.
Oppermann vermied tiefgehende Kritik am Koalitionspartner CDU und verteidigte den weiteren Aufbau der Polizei als einen notwendigen Schritt der Gefahrenabwehr, aber die Bundewehr sei keine polizeiliche Reservearmee und sollte es auch nicht werden. Und auch ein Burka-Verbot habe nichts mit inneren Sicherheit zu tun. Aber da habe Innenminister Thomas de Maizière bereits die richtigen Worte gefunden.
"Und ich finde, wir können den Rechtspopulisten am schnellsten das Wasser abgraben, dass wir mit einem handlungsfähigen starken Staat für soziale Sicherheit sorgen und für öffentliche Sicherheit sorgen."
Die Koalitionspartner vermieden es also in dieser Debatte, sich gegenseitig anzugreifen und vorzuführen. Dafür ist es zwölf Monate vor der Wahl wohl noch zu früh.
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