Generation iCool

Von Jürgen Bräunlein |
Generation Golf, Generation Ally, Generation Praktikum und nun auch noch Generation "iCool". Der 21-jährige Berliner Ric Graf, ehemaliger Assistent von Christoph Schlingensief, hat ein Buch über sich und seine Generation geschrieben. Untertitel: Wir sind so jung, so falsch, so umgetrieben. Das Buch ist ernüchternd, der Autor dahinter aber alles andere als cool.
"Es gibt die Bilder, die man im Kopf hat aus den Magazinen, die Schönheitsideale und die Marken, die man haben will und das, was gerade in ist, oder der iPod... Im Prinzip ist es sehr uniform und nur scheinbar individuell Es gibt dann doch wenig Individualisten, die auf all das scheißen..."

Da sitzt er im Berliner Tiergarten, gestikuliert mit seiner rechten Hand, an der eine Zigarette steckt, und liest sich selbst die Leviten. Schließlich kann Ric Graf auch nicht aus seiner Haut. Seine Hose ist schick, die Tasche hip, und er hat - wie er zugibt - eine Schwäche für Taxifahrten. Dabei kann er sich das eigentlich gar nicht leisten, hat er doch derzeit kein festes Einkommen und seine Wohnung in Charlottenburg, wo er alleine lebt, ist auch klein. Trotzdem: So viel Konsum war nie? Ja, das glaubt der 21-Jährige: seine Generation sei die letzte, die im Gefühl ewigen Wohlstands aufgewachsen ist und deshalb Probleme hat zu verzichten.

"Wir sind die erste Generation, die auf einen gigantischen Musikfundus zurückgreifen kann. Man hört die Libertines oder Arctics Monkeys, wo viele Ältere sagen, das erinnert mich doch an die Kinks! Na ja, die Kinks, klar mein Vater hat die Zuhause, kenne ich schon seit zehn, fünfzehn Jahren, habe ich die Musik im Kopf."

Ende der 70er Jahre flohen Ric Grafs Eltern aus der DDR und ließen sich in Berlin-Kreuzberg nieder. Der Vater arbeitete als Lichtdesigner am Theater, so wurde die Familie schnell Teil der Bohème und der linksalternativen Szene. Als Ric fünf war, brach die Ehe der Eltern auseinander. Ganz typisch für seine Generation, wie er heute findet:

"Es ist einfach so, dass natürlich unsere Eltern ja sich auch von den großen Familiensituationen entkoppelt haben und auch Freiräume erkämpft haben und auch damit nix mehr damit zu tun haben wollen oder auch wollten. Dann sich selbst verwirklichen wollten und nicht mehr bereit waren, Kompromisse einzugehen, wenn eine Beziehung am Ende war, hat man sich halt getrennt. Das hat uns schon sehr geprägt. In der Form, dass uns die Familie als Halt fehlt, wir sind wirkliche die erste Generation, die keine klassische Familiensituation hat...."

Zwei Jahre nach der Trennung der Eltern starb Ric Grafs Mutter an Krebs. Der 7-Jährige zog zum Vater und dessen Freundin.

"Es gibt ein Fehlen, irgendetwas ist nicht da. Und das sehr früh. Und da kommt man schon immer wieder zurück. Aber es ist noch etwas anderes: Mit Sieben ist es eine fremde Person. Es gibt natürlich ein intensives Mutter-Kind-Verhältnis. Aber man weiß mit Sieben über einen Menschen nicht viel. Man kennt diesen Menschen ja nicht..."

Der erwachsene Mann tut sich schwer, den Schmerz zu erklären und den Verlust der Mutter irgendwie einzuordnen. Auch in seinem Buch bleibt er vage. Im Vorwort aber führt er die Eltern nochmals zusammen: "iCool" ist sowohl der verstorbenen Mutter als auch dem Vater gewidmet. Das Buch schrieb er, weil es ihn genervt hat, dass immer nur "Soziologen-Opas" über seine Generation urteilen. Wo aber bleibt die Stimme der Generation selbst? Hier ist sie.

Coolness, Oberflächlichkeit, Markenfixierung - so lautet Ric Grafs Diagnose der Generation iPod. Das Freizeitprogramm: Fitness im angesagten Studio, Körperpflege nur mit hochwertiger Naturkosmetik, Small Talk beim Latte Macciato - vor allem aber: Shoppen.

"Also, ich kenne so Mädchen, die sind so 15, 16; die geben ihr ganzes Geld für Klamotten aus, gehen drei bis vier mal die Woche einkaufen, haben aber kein Geld mehr, abends wegzugehen. Und dann hab ich mal eine gefragt: Wozu brauchst du die Klamotten? Um mich gut zu fühlen, sagte sie."

Und Abstürze in Klubs und auf Feten:

"..dass dann die größten Partyleute und die größten Alternativen, denen irgendwie jede Konvention auch egal ist, dann plötzlich sagen, aber bei mir im Zimmer wird nicht geraucht, nur im Flur und in der Küche. Das ist schon interessant."

Ric Graf wirkt wie der nette Kumpel von nebenan: eher klein, etwas schüchtern, unauffällig. Dabei hat er schon einiges auf die Beine gestellt. Er assistierte bei Theaterrebell Christoph Schlingensief und schreibt seit Jahren für Hochglanzzeitschriften wie Quest. Ein Studium steht nun an oder auch nicht. Ric Graf kann sich aber nicht entscheiden.

"Man kann es sich nicht leisten, zu sagen, ich fange mal mit Sozialwissenschaften an und nach zwei Semestern merkt man, dass ist es doch nicht und ich probiere jetzt Theaterwissenschaften. Wenn die Studiengebühren kommen, dann muss man, auch wenn man sich dann für ein Studium entschieden hat, muss man es konsequent durchziehen."
Vor allem mit echten Gefühlen habe seine Generation Probleme, meint der Jungautor. Wenn in einer Telenovela im Fernsehen jemand weint, ist man schwer gerührt, doch selber zu weinen wäre eine unverzeihliche Schwäche. Auch Ric Graf geht mit seinen Gefühlen nicht hausieren, spricht von "man", auch dann, wenn er sich selbst meint:

"Es gibt eine große Egozentrik bei einem selbst und bei vielen Leuten und es ist schwer, da eine Nähe hinzubekommen, die über bestimmte Momente, bestimmte Abende, bestimmte Situationen hinausgeht. Man träumt da nicht mehr so, nicht mehr von der großen Liebe, sondern man genießt mehr den Moment, verlässt sich mehr auf das Momentane als auf die Zukunft. Das ist auch das, was sich verändert. Dass man immer weniger vorausschaut, und immer weniger plant und immer weniger Zukunftsvorstellungen hat, wie lebe ich mit 50 Jahren."